Archiv


Fehler als Quelle der Weisheit

Wer gute Lehrer ausbilden will, der darf nicht nur auf die Ausbildung in den jeweiligen Unterrichtsfächern setzen, sondern muss auch die sozialen und personalen Fähigkeiten besser fördern. Wie eine bessere Lehrerausbildung aussehen könnte, darum ging es bei einer Tagung des Zentrums für empirische Unterrichts- und Schulforschung in Göttingen.

Von Carolin Hoffrogge |
    Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft für ihre Unterrichtsfächer lassen sich junge Menschen weltweit zu hervorragenden Lehrern ausbilden, sagt der renommierte Pädagogikprofessor Lee Shulman, Leiter der Carnegie Foundation in Standford, USA. Seit 40 Jahren - solange bildet Shulman schon Lehrer aus, trägt er eine alte Binsenweisheit wie ein Dogma vor sich her: "aus Fehlern wird man klug".

    "Oftmals sind die Lehrer, die Fehler machen auch die Besten. Vor einem Jahr traf ich die chinesische Bildungsministerin. Sie fragte mich, warum die Chinesen so gut bei internationalen Tests abschneiden, aber so wenige neue innovative Erfindungen machen. Ich habe ihr geantwortet, wenn ihr kreativer sein wollt, dann müsst ihr lernen Fehler zu machen. Die Schüler und Studenten lernen immer: Fehler sind Gift. Es ist kein Gift - ganz im Gegenteil - es ist eine große Quelle der Weisheit."

    Für Professor Shulman muss die Ausbildung zum Lehrer aussehen wie das Leben eines Pendlers. Lehrer brauchen ständige Stimulation, sie sollen sich an verschiedenen Orten immer wieder neue Ideen holen, so Shulman. Eine solche Pendlerin stellt Professor Shulman auf der Göttinger Tagung vor: mit Hilfe des Internets zeigt er die Arbeit der farbigen Lehrerin Yvonne Hutchkinson. Seit 38 Jahren unterrichtet sie an einer Grundschule in einem Armenviertel Los Angeles.

    "Lehrer wie Yvonne werden weltweit sehr geschätzt. Klar verdient sie keine 100.000 Dollar. Aber jetzt haben wir Tausende von Websites neu gestaltet, auf denen wir zeigen, was die Lehrer machen. Dank dieser neuen Technologien können wir zeigen, wie die Lehrer im Klassenzimmer arbeiten. Sie werden gesehen! Und Leute die immer gesagt haben, "ich dachte Lehrer sein ist ein einfacher Beruf", sagen: "ich lag falsch." "

    Der Lehrerberuf ist knallhart und viel zu wenig geschätzt, auch hierzulande, sagt Professor Hans Weiler. 30 Jahre hat der deutsche Pädagoge an der Stanford University gelehrt, jetzt berät Weiler deutsche Universitäten und Fachhochschulen auf dem Weg zu neuen BA- und MA-Abschlüssen. Wer deutsche Lehrer gut ausbilden will, braucht dafür mehr Freiheit in der Lehre, fordert Professor Weiler.

    "Das Problem zwischen den Hochschulen und den Kultusverwaltungen halte ich für ein sehr Schwieriges in der deutschen Diskussion. Es bedarf dringend der Klärung und der Anerkennung, dass Hochschulen in der Lage sind ihre eigenen professionellen Entscheidungen über die Qualität von Studiengängen zu treffen. Das nicht jede dieser Entscheidungen von der Schulverwaltung abgesegnet werden muss halte ich für ein wichtiges Mandat und einen wichtigen Teil der deutschen Hochschulreform."

    Einen solchen unabhängigen Schritt nach vorne traute sich die Universität Münster - zusammen mit der ortsansässigen Fachhochschule bildet sie seit drei Jahren Berufsschullehrer im Verbund aus. Koordinator Thilo Hardt vom Institut für berufliche Lehrerbildung der Fachhochschule Münster.

    "Es gibt viele Standorte, wo Lehrer an berufsbildenden Schulen in einer Fachrichtung zum Beispiel Baustechnik und einer speziellen beruflichen Fachrichtung Holztechnik ausgebildet werden. Aber sie können dann nur in dieser beruflichen Fachrichtung tätig werden. Wobei bei uns eine breite Ausbildung möglich wird, eben ein allgemeinbildendes Fach zur Verfügung steht, wo auch Lehrende in der fremden Fachrichtung eingesetzt werden. Also einer der Englisch als Unterrichtsfach hat und Bautechnik als berufliche Fachrichtung, kann auch in Ernährung/und Hauswirtschaft unterrichten. Er versteht die Zusammenhänge, die Logik des Lernfeldes. Kann dort die Eigenheiten des Faches Englisch sinnvoll in das Lernkonzept integrieren. "

    Wie wichtig der Lehrer als Allrounder mittlerweile ist, weiß auch Olaf Meyer Ahrens von der Universität Oldenburg. An der norddeutschen Uni betreut er die Arbeitsstelle Praxis und Forschung in der Lehrerbildung. Täglich berät und supervidiert er angehende Lehrer. Diese müssen lernen mit ihren Kräften zu haushalten, sich mit professionellen Methoden psychologisch abzugrenzen, damit sie sich nicht schon nach 10 Jahren ausgebrannt fühlen. Aber - so Meyer Ahrends - in der bisherigen Ausbildung zum Lehrer zählen nur die Unterrichtsfächer, die personalen und sozialen Fähigkeiten bleiben auf der Strecke.

    "Die personalen und sozialen Kompetenzfelder, da finden sie eigentlich das, was im Lehrerberuf nachher maßgeblich beteiligt ist, wenn es darum geht, wie verbleibe ich im Lehrberuf, wie bleibe ich gesund und wie kann ich guten Unterricht gestalten. Da gibt´s Fachausbilder, die sagen, ich zitiere "die brauchen Fachwissen, alles andere kommt von selbst"."

    Von selbst kommt im Lehrerberuf gar nichts, sagt Professor Hans Weiler. Gute und gesunde Lehrer kann es in Deutschland nur geben, wenn für ihre Ausbildung mehr investiert wird, so Weiler. Genau wie angehende Ärzte müssen Lehrer auf dem modernsten wissenschaftlichen Stand ausgebildet werden.

    "Wenn Deutschland mit seinen Gesundheitsproblemen so unverantwortlich umginge, wie mit den Bildungsproblemen in Deutschland, dann würde ein öffentlicher Aufschrei durch das Land gehen, dann würden Leute vor den Krankenhäusern protestieren, kein Mensch denkt daran, vor den Schulen zu protestieren, vor den Hochschulen zu protestieren und zu fordern, dass Deutschland endlich dem Bildungswesen und dem Hochschulwesen, dem Platz zuweist, den es für die Zukunft dieses Landes gebührt. Das ist eine Kurzsichtigkeit, die nicht zu verantworten ist. "

    So will Professor Weiler mit seinen Kollegen des Stifterverbandes in der deutschen Wissenschaft und mit der Mercator Stiftung im kommenden Jahr ein umfassendes Projekt anstoßen. Arbeitstitel: "die Genesis des Lehrerberufs", der Untertitel könnte lauten:"die Personalentwicklung von Lehrern".

    "Wie wird man Lehrer, wie tritt man in den Lehrerberuf ein, wie überlebt man die Krisen des Lehrerberufs, wie geht man mit den Widersprüchen, mit den Konflikten des Lehrerberufs um, das sind alles Phasen, die sich an das Universitätsstudium anschließt, dazu gehört dann auch das Referendariat, die Vorbereitungsphase, wie eng sind die miteinander verknüpft. Macht das alles Sinn, im Sinne einer beruflichen Biographie?"