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Fehler im System

Über ein Onlineportal sollten Studienbewerber jederzeit einsehen können, ob und wo sie einen Studienplatz erwarten können. Doch statt Klarheit und Planungssicherheit herrscht an vielen deutschen Unis das Chaos.

Von Raoul Festante | 13.01.2012
    Melissa studiert Germanistik im ersten Semester der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf - und kann sich noch sehr gut an den Anfangsstress bei der Bewerbung erinnern.

    "Erstmal die nervliche Sache halt, dass man nie wusste, wer nimmt einen an, wer nimmt einen nicht an, und dass man sich halt immer umstellen musste und dass man nicht mit einem Mal alle abhaken konnte, sondern sich halt jeden Tag drei Unis vorgenommen hat, war halt so ein bisschen anstrengend und nervig auch."

    In Wuppertal, Bochum und Düsseldorf hatte sich die 20-Jährige für das Wintersemester 2011 im Fach Germanistik beworben. Aus Düsseldorf kam sofort eine Zusage, von ihrer Wunsch-Uni Bochum hieß es: Zusage zunächst nur unter Vorbehalt.

    Am Ende musste es schnell gehen, Melissa ging auf Nummer sicher und nahm den Studienplatz in Düsseldorf. Als dann doch eine Zusage aus Bochum kam, war es zu spät. Ihrer Kommilitonin Anja erging es ähnlich. Auch sie studiert im ersten Semester Germanistik in Düsseldorf und hatte sich auch an anderen Hochschulen beworben – ging dann lieber auf Nummer sicher und zog die anderen Bewerbungen zurück.

    "Ich hatte mich online abgemeldet und hatte gesagt, ich hab schon einen Studienplatz, ich brauch nicht mehr. Ich habe dreimal eine Zusage und viermal eine Ablehnung gekriegt, im Wochenrhythmus von irgendwelchen Unis, wo ich mich schon längst abgemeldet hatte und denen schon gesagt hatte, ich habe schon einen Platz bekommen, ich will gar nicht mehr. Ich hab auch letzte Woche noch irgendwelche Zettel von irgendwelchen anderen Unis bekommen, obwohl das ziemlich sinnfrei ist, und verstehe auch gar nicht, warum man das immer noch bekommt."

    Mit dem sogenannten Dialogorientierten Serviceverfahren sollte das eigentlich alles anders werden. Online sollten Studenten jederzeit einsehen können, ob eine Hochschule eine Zusage erteilt, stimmt der Bewerber zu, würde das System ihn automatisch von der Interessentenliste streichen. Das System sollte eigentlich schon seit 2011 laufen, funktioniert aber immer noch nicht, auch für das kommende Semester wurde der Start erneut abgesagt.

    Inzwischen sind auch viele Abiturienten verunsichert, denn in der Schule wussten auch die Lehrer zeitweise nicht mehr, wie sie das neue System den Schülern erklären sollten, sagt Julian, der gerade sein Abitur gemacht hat.

    "So dieses ganze Prozedere mit dem Auswahlverfahren und diesen ganzen Möglichkeiten, wie man überhaupt in den Studiengang reinkommt, das erfährt man jetzt alles so im Nachhinein und ja, das könnte man schon deutlich besser machen, um es auch den Leuten einfacher zu machen. Ich denk mal, so wie ich es verstanden habe, hört es sich sehr sinnvoll an, dass man ein zentrales System hat, wo man sich dann anmeldet für mehrere Unis und nicht irgendwie fünf, sechs Unis in der Gegend oder ganz Deutschland abklappert und dann einfach wartet und wartet."

    Immerhin geht es um 15 Millionen Euro an Steuergeldern, die bisher in die Entwicklung der staatlichen Software geflossen sind, die genau damit Schluss machen sollten. Ein Ärgernis für viele Studienanfänger.

    Der Druck wächst auf die staatliche Hochschul-Informations-System GmbH in Hannover, die das System eigentlich schon längst installieren sollte. Die sieht das Problem jedoch bei den Universitäten und den Politikern, die mehr versprochen haben, als sie womöglich halten konnten.

    Für die Studenten bringt diese Diskussion wenig, wichtig ist, dass die Software schnell kommt, um Planungssicherheit zu geben. Denn nicht nur ein Studienplatz muss gefunden werden, auch günstiger Wohnraum wird vor allem im angesagten Düsseldorf Mangelware, sagt Dina Kottke, die dort gerade ihr Pharmaziestudium begonnen hat.

    "Studentenwohnheime sind überfüllt, ich hab auch da nachgefragt, sieben bis acht Monate Minimum Wartezeit. Ich hab natürlich noch eine Topwohnung gekriegt, Glücksache ist das einfach nur, man kann auch wirklich dasitzen und muss jeden Tag vier Stunden pendeln aber das geht auf Dauer auch nicht. Man kann nicht um vier Uhr morgens losfahren, kann keiner erwarten."