Archiv


Fehlinvestition Bio-Abwehr

Forschungspolitik. – Seit dem 11. September 2001 fühlen sich die USA im Krieg gegen den Terror und rüsten massiv auf. Mit 5,6 Milliarden US-Dollar sollte ab 2004 das Programm Bioshield die Abwehr von biologischen Angriffen verbessern. Doch das Programm zeigte nicht den gewünschten Erfolg, nicht zuletzt, weil Regierung und Kongress keine Rücksicht auf die Eigenheiten der Impfstoffentwicklung nahmen. Das Nachfolgeprogramm soll jetzt der Pharmabranche besser Rechnung tragen und daher eher Erfolge zeigen.

Von Volkart Wildermuth |
    Die 5,6 Milliarden Dollar waren zu wenig, um die großen Pharmaunternehmen anzulocken, meint Dr. Lynn Klotz, ein ehemaliger Manager von Biotech Unternehmen, der heute beim Zentrum für Waffenkontrolle und Nicht-Weiterverbreitung in Washington arbeitet

    "”Ein paar hundert Millionen Dollar für einen einmaligen Verkauf an das Nationale Strategische Arsenal interessieren die großen Unternehmen nicht. Sie investieren in Medikamente, die ihnen ein paar Milliarden Dollar im Jahr einbringen und das immer und immer wieder. Für die kleinen Biotech Unternehmen gibt es aber ein Potential in der Bioterrorismusabwehr.""

    Ein Potential, dass sich nur schwer realisieren lässt. Bislang konnten nur gut zehn Verträge abgeschlossen werden. Der größte ging an das kalifornische Unternehmen VaxGen. Für 877 Millionen Dollar sollte es 75 Millionen Dosen eines neuartigen Anthrax-Impfstoffes herstellen. Viel Geld für ein Unternehmen, das bis dahin noch keinen Impfstoff auf den Markt gebracht hatte. Anfangs ging alles nach Plan, aber Mitte 2006 stoppte die Food and Drug Administration, in den USA zuständig für die Zulassung von Medikamenten, die klinischen Versuche. Es gab Bedenken bezüglich der Stabilität des Impfstoffs. Solche Rückschläge sind in der Impfstoffentwicklung eher die Regel als die Ausnahme. Trotzdem kündigte die Regierung den Vertrag. Die VaxGen Aktie stürzte in den Keller. Klotz:

    "”Das Bioshield Gesetz schreibt vor, dass das Produkt acht Jahre nach Vertragsabschluss einsatzbereit sein muss. Das ist extrem wenig Zeit für die Entwicklung. Um den Vertrag zu bekommen hat VaxGen seinen Zeitplan so eng kalkuliert, dass kein Raum war für Fehler oder Probleme. Deshalb konnte es die Termine nicht einhalten.""

    Zu enge Rahmenbedingungen sind ein Problem von Bioshield, ein anderes sind ständig wechselnde Anforderungen. PharmAthene entwickelt einen Antikörper gegen Anthrax, er war bereit für die klinische Prüfung, aber lange Zeit konnten sich die Behörden nicht einigen, ob sie ihn als Tablette oder Spritze haben wollten. Das Problem ist inzwischen geklärt, weniger Glück hatte Hollis-Eden. Das Unternehmen arbeitet an einem Medikament gegen die Strahlenkrankheit. Ursprünglich wollte die US-Regierung mehrere Millionen Dosen bestellen, dann wurden doch nur 100.000 Stück geordert, der Vertrag schließlich ganz gelöst, am Ende die komplette Forschungsrichtung aus Bioshield herausgenommen. Kleine Biotech Unternehmen wie Hollis-Eden haben kaum die Ressourcen, um sich von einem solchen Schlag zu erholen. Bioshield hat aber auch einige Projekte zu Ende gebracht. So kaufte es zehn Millionen Dosen eines neuartigen Pockenimpfstoffs für 16 Millionen Dollar von dem englischen Unternehmen Acambis. Das war dem amerikanischen Senat zu wenig. Vergangenes Jahr brachte er Bioshield 2 auf den Weg. Diesmal will die US-Regierung nicht nur fertige Medikamente kaufen, sondern die Unternehmen schon bei der Entwicklung unterstützen. Für noch wichtiger hält Lynn Klotz eine zweite Änderung:

    "Unter Bioshield 2004 konnten nur Medikamente gekauft werden, die sich gezielt gegen Biowaffen richten, gegen Anthrax, Pocken und so weiter. Diese Medikamente nützen sonst nicht viel, das ist in meinen Augen der größte Nachteil von Bioshield 2004. Wir haben im Gesundheitswesen ständig mit problematischen Erregern zu tun, die viel wichtiger sind als ein Biowaffenangriff, der vielleicht nie eintritt. Wir sollten Medikamente entwickeln, die sich gegen viele Erreger richten und unter Bioshield 2006 wird das möglich sein."

    Bioshield 2006 will zum Beispiel die Entwicklung neuer Breitband-Antibiotika fördern oder eine Blutwäsche, mit der sich eine ganze Reihe von Erregern aus dem Körper entfernen lassen. Das sind sinnvolle Ansätze. Es muss sich aber erst zeigen, ob sich Bioshield neben einer neuen Zielrichtung auch neue Geschäftsgebaren zueigen gemacht hat. Sonst geht die Abwehr gegen Bioterrorismus in eine zweite Runde der Fehlinvestition für kleine Biotech-Unternehmen.