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"Fehlinvestitionen und Fehlanreize"

Schiffe gerettet, Fische versenkt? Der zuständige Ausschuss des EU-Parlaments möchte den Neubau von Fangflotten wieder subventionieren. Damit würde die geplante Fischerei-Reform der EU konterkariert, meint Markus Knigge von der Meeresschutz-Organisation PEW.

Markus Knigge im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Eigentlich sah alles nach einer echten Kehrtwende aus, als sich die Regierungen der EU-Staaten Ende Mai endlich auf eine Reform der gemeinsamen Fischereipolitik geeinigt hatten. Die Überfischung soll ein Ende haben – bis spätestens 2020 -, unter anderem dank strenger, fester Fangquoten. Doch gestern traf der Fischereiausschuss des EU-Parlament eine Entscheidung, die die ganze Reform konterkariere. Das sagt Markus Knigge von der Meeresschutzorganisation PEW, mit dem ich jetzt verbunden bin. Warum diese scharfe Kritik?

    Markus Knigge: Schönen guten Tag! – Die Kritik sieht recht einfach aus. Der Fischereiausschuss des Europaparlaments hat beschlossen, Steuergelder, also EU-Subventionen für den Neubau von Flotten wieder einzusetzen. Und wir haben in den europäischen Gewässern im Moment 50 Prozent der Bestände, die überfischt sind, im Mittelmeer sogar über 75, und es herrscht eigentlich ein Konsens, dass wir viel zu viele Boote haben, die auch eine viel zu große Fangkapazität haben. Dementsprechend macht es natürlich überhaupt gar keinen Sinn, noch mehr Gelder da hineinzupumpen.

    Reimer: Aber vielleicht könnten ja modernere Flotten, sagen wir mal, nachhaltiger fischen. Und im übrigen: Die klassischen Fischereinationen der EU sind ja auch die, die mit der schlimmsten Wirtschaftskrise kämpfen. Da ist es wahrscheinlich auch nicht so einfach, dass Arbeitsplatzargument bei Seite zu lassen?

    Knigge: Das ist sicherlich richtig, dass das einer der Gründe ist, die angeführt werden. Leider entspricht das nicht so ganz den Tatsachen, da es natürlich so ist: mehr gefischt werden kann ja nicht. Die Fischbestände sind ja überfischt, und wie Sie richtig erwähnt haben in Ihrem Eingangsstatement, wurde jetzt ja auch beschlossen, dass nicht überfischt werden soll in der gemeinsamen Fischereireform. Tatsache ist, wenn jetzt neue Boote gebaut werden, dass häufig dann die älteren stillgelegt werden, und dann sieht es häufig so aus, dass ein moderneres Boot, was in der Lage ist, auch effizienter und mehr zu fischen, eingesetzt wird und dafür drei dann vielleicht auch stillgelegt werden. Das kann sogar zu einer Nettoreduzierung an Arbeitsplätzen führen.

    Reimer: Wie sollte denn dann der Fischereifonds gestaltet werden? Oder was sollte er finanzieren, um eine nachhaltige Fischerei zu garantieren?

    Knigge: Es gibt da eigentlich eine große Anzahl von Möglichkeiten, um dem Fischereisektor bei der Transformation zu helfen. Das sind einerseits Investitionen in die Datenerhebung, in die Kontrolle, in die Forschung für selektiveres Fanggerät zum Beispiel. Es können aber auch Gelder eingesetzt werden, zum Beispiel um Fischern zu helfen, mehr Geld aus dem Fisch zu erwirtschaften, den sie fangen, zum Beispiel durch Direktverkauf oder zum Beispiel um Nachhaltigkeitssiegel, Label zum Beispiel zu erlangen.

    Reimer: Aber konkrete weitere Ideen, um Arbeitsplätze in dem Sektor zusätzlich zu schaffen, haben Sie die zu bieten?

    Knigge: Ich denke, das sind hauptsächlich die Maßnahmen, die ich eben angeführt habe. Es gibt eine ganz große, fast revolutionäre Entwicklung, dass die Grundverordnung der Fischereipolitik jetzt den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gibt, denjenigen die Fangrechte zu geben, die besonders nachhaltig fangen, und da können natürlich die Mitgliedsstaaten auch Arbeitsplätze als ein Kriterium mit in den Entscheidungsprozess einbeziehen. Das heißt, dass dort die Möglichkeit bestehen würde, einfach zu sagen, wir lassen die das öffentliche Gut Fisch bewirtschaften und fangen, die am meisten Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

    Reimer: wie geht es denn jetzt weiter? Ist die Fischereireform mit ihren ganzen widersprüchlichen Beschlüssen gemachte Sache?

    Knigge: Die Grundverordnung ist gemachte Sache. Das geht im Moment noch durch den juristischen und sprachlichen Dienst, sozusagen ein Fein-Tuning, aber dann ist das abgeschlossen. Das Subventionsregime hingegen ist weiterhin noch in der Mitte der Diskussion. Das heißt, jetzt wird das Plenum des Europaparlaments im Oktober noch einmal die Chance haben, diesen Bericht aus dem Fischereikomitee zu verändern und dann darüber noch mal abzustimmen, und wir hoffen natürlich, dass die größten Fehlinvestitionen und Fehlanreize in dieser Abstimmung dann auch eliminiert werden.

    Reimer: Wir gucken im Oktober noch mal drauf - Markus Knigge von der Meeresschutzorganisation PEW zu den jüngsten Beschlüssen im EU-Parlament zur Fischereireform. Danke für das Gespräch.


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