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Feilschen um Milliarden

Die Materie ist sperrig und äußerst komplex. Darüber hinaus, und das macht die Sache nicht gerade einfacher, lässt sich der Streit um die Neufassung des Länderfinanzausgleichs nicht nach den üblichen parteipolitischen Rastern erklären. Es ist eine Auseinandersetzung getreu dem Motto jeder gegen jeden. Bundesland gegen Bundesland; Bund gegen Länder und Länder gegen Bund.

Jörg Münchenberg |
    So möchte der Bund seine beträchtlichen Leistungen gerne reduzieren, die Nutznießer des Finanzausgleichs wollen am liebsten, dass alles beim alten bleibt, und die Geberländer nicht mehr so stark zur Kassen gebeten werden. Die Parteizugehörigkeit, so Peer Steinbrück, Finanzminister von Nordrhein Westfalen, spiele da keine Rolle::

    Der Finanzausgleich der Bundesrepublik Deutschland ist nicht sozialdemokratisch, er ist auch nicht christdemokratisch, sondern er ist geprägt von den völlig legitimen Interessenlagen der einzelnen Länder. Das heißt, die Interessenlage des relativ größten Geberlandes Hessen ist genau so legitim wie diejenige des größten Nehmerlandes, nämlich Berlin.

    Gestritten wird dabei um sehr viel Geld, denn im Grunde genommen gleicht der Länderfinanzausgleich einer gigantischen Geldumverteilungsmaschine mit Verfassungsrang. Laut Artikel 106 Grundgesetz sind "die Deckungsbedürfnisse des Bundes und der Länder so aufeinander abzustimmen, dass ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überlastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird". Mit anderen Worten: jeder Bürger in Deutschland soll, egal ob er in Hamburg, Magdeburg oder Freiburg wohnt, möglichst die gleichen Lebensverhältnisse antreffen. Dazu werden Ungerechtigkeiten in der Steuerverteilung und größere Unterschiede in der Steuerkraft der Länder korrigiert.

    Doch dieser Verfassungsauftrag verschlingt inzwischen enorm hohe Mittel. So musste etwa das Land Hessen allein im ersten Quartal dieses Jahres zwei Milliarden Mark in den Finanzausgleich einzahlen. Die ostdeutschen Länder, aber auch Berlin, Bremen oder das Saarland wären hingegen ohne Finanzausgleich gar nicht mehr überlebensfähig.

    Allerdings hat sich die Krise der föderalen Finanzbeziehungen erst mit der deutschen Einheit dramatisch verschärft. 1995 wurden die fünf ostdeutschen Länder vollständig und gleichberechtigt in den Verteilungskreislauf mit aufgenommen. Die Folge: der so genannte horizontale Finanzausgleich, also nur zwischen den Ländern, kletterte von 4 Milliarden Mark 1990 auf rund 16 Milliarden im vergangenen Jahr, davon flossen allein 13 Milliarden Mark in die neuen Bundesländer.

    Doch das ist längst noch nicht alles, denn auch der Bund spielt bei den Finanzbeziehungen eine maßgebliche Rolle. Vom Grundsatz her baut das System des Finanzausgleichs auf drei Stufen auf, wobei sich die Höhe des Ausgleichs nach der Einwohnerzahl eines Bundeslandes bemisst. In einem ersten Schritt werden die Einnahmen aus der Umsatzsteuer zwischen Bund und Länder verteilt. Ungleichgewichte zum Nachteil finanzschwacher Länder werden dabei ausgeglichen - dies waren im vergangenen Jahr immerhin 22 Milliarden Mark. Damit aber wird sicher gestellt, dass alle Länder zunächst eine durchschnittliche Finanzkraft von 92 Prozent erreichen.

    In der zweiten Stufe folgt der Finanzausgleich zwischen den Ländern. Hier sind es die fünf reichen Geberländer, also Bayern, Baden Württemberg, Hessen, Nordrhein Westfalen und Hamburg, die die elf Nehmerländer auf 95 Prozent der durchschnittlichen Finanzkraft anheben. Allerdings genießen die Stadtstaaten ein besonderes Privileg, denn ihre Einwohner werden zu 135 Prozent gewertet. Begründet wird diese Veredelung der Einwohnerzahl mit der besonderen Aufgabenlast der Stadtstaaten, etwa durch die höhere Zahl an Pendlern, die somit als Steuerzahler wegfallen.

    In der letzten Stufe schließlich schießt der Bund über den sogenannten vertikalen Ausgleich beträchtliche Summen zu, betont Barbara Hendricks, Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium:

    Die Bundesergänzungszuweisungen belaufen sich auf eine Größenordnung von rund 26 Milliarden Mark im laufenden Jahr wie im vergangenen Jahr - die sind also statisch im Moment. Das sind insbesondere Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuwendungen an die neuen Bundesländer.

    Insgesamt wurden damit im Jahr 2000 über den Finanzausgleich mit allen drei Stufen 64 Milliarden Mark umverteilt. Am Ende erreichte selbst die Steuerkraft der armen Länder fast das gleiche Niveau wie der gesamtdeutsche Durchschnitt. Umgekehrt aber müssen die reichen Bundesländer erhebliche Abstriche hinnehmen. Bayern etwa, ein Geberland, fiel von 117,5 Prozent 1998 auf 103,3 Prozent zurück. Ein insgesamt paradoxes System, so die Kritik des CDU Bundestagsabgeordneten Heinz Seiffert, auch für die Nehmerländer:

    Dass also dem Zahlerland Baden Württemberg von einer zusätzlich eingenommenen Steuermark noch 15 Pfennig bleiben, dass aber das Empfängerland Sachsen-Anhalt von einer zusätzlich in Sachsen-Anhalt durch eine Steuerprüfung eingenommenen Steuermark nachher einen Schaden hat von 16 Pfennig, in dem es 1 Mark 16 weniger Finanzausgleich kriegt - das ist ja total systemwidrig und entfaltet überhaupt keinen Anreiz, selbst die Steuerquellen zu pflegen

    Also sind die drei reichen Südländer Bayern, Baden Württemberg und Hessen vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Nicht zuletzt mit dem Argument, im Grundgesetz sei keinesfalls die Rede davon, einheitliche Lebensverhältnisse in Deutschland zu schaffen. Gefordert werde lediglich, dass die unterschiedliche Finanzkraft der Länder "angemessen" ausgeglichen werden müsse. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied. Denn was bedeutet "angemessen"? Auf diese Frage gaben die Karlsruher Richter auch am 11. November 1999 in ihrem Urteil keine Antwort.

    Vielmehr wurden Bund und Ländern nur allgemein formulierte Leitlinien vorgegeben, etwa, dass die Rangfolge der Bundesländer, was die Finanzkraft betrifft, durch das Solidarsystem nicht vertauscht werden dürfe. Umgekehrt billigten die Richter den Nehmerländern den Anspruch zu, über den horizontalen Ausgleich die eigene Finanzkraft auf 95 Prozent anzuheben. Durch diese vagen Vorgaben aber war der nachfolgende Streit über den Finanzausgleich vorprogrammiert.

    Lediglich beim Zeitplan waren die Verfassungshüter präziser: Spätestens bis Ende 2004 soll der neue Finanzausgleich geregelt sein, andernfalls wird er in seiner jetzigen Fassung ungültig. Darüber hinaus muss der Gesetzgeber bis zum 1. Januar 2003 ein sogenanntes Maßstäbegesetz vorlegen. Darin sollen die Grundsätze des Solidarsystems klar und eindeutig formuliert sein.

    Durch diese zeitliche und inhaltliche Trennung, so die Hoffnung des Bundesverfassungsgerichts, könne der Finanzausgleich möglichst ohne Interessengekungel neu strukturiert werden. Eine etwas politikferne Hoffnung, meint dagegen der Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch von der Universität Magdeburg:

    Die Erwartung des Bundesverfassungsgerichtes, man könne ein Maßstäbegesetz diskutieren ohne dass man gleich rechnet, quasi unter dem Schleier des Nichtwissens - von dem das Urteil spricht - ist eine reine Illusion. Es wird kein verantwortlichen Minister geben, der sich auf Gesetze einlässt, bei dem er nicht weiß, wie das Ergebnis aussieht

    Und so ist es auch gekommen. Zwar hat der Bund rechtzeitig, wie von den Verfassungsrichtern verlangt, Anfang Februar dieses Jahres ein Maßstäbegesetz vorgelegt, doch längst wurde zu diesem Zeitpunkt bereits zwischen den Ministerpräsidenten über konkrete Zahlen gestritten.

    Die Lagerbildung war absehbar: während sich 10 arme Länder einschließlich Hamburg, das um sein Stadtstaatenprivileg fürchtet, zum sogenannten Hannoveraner Kreis zusammengeschlossen hatten, bildeten die reichen Südländer Bayern Baden Württemberg und Hessen den zweiten Interessenblock. Nordrhein Westfalen, ebenfalls ein Geberland, versuchte sich als Vermittler, Thüringen wollte sich dagegen keiner Gruppe anschließen.

    Kaum überraschend dabei die Positionen beider Gruppen: während die Geberländer sich für einen stärkeren Eigenbehalt von Steuereinnahmen stark machen, beharren die Habenichtse letztlich auf den Erhalt des Status Quo. Dazwischen die ostdeutschen Länder, die immer wieder auf ihre Sondersituation und Chancenungleichheit hinweisen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reinhard Höppner:

    Alle Diskussionen über Wettbewerbsföderalismus, die kann man trefflich führen. Die setzen aber voraus, dass man dabei gleich starke Wettbewerbspartner hat und in dieser Situation sind wir längerfristig noch nicht.

    So schmolz der Spielraum für mögliche Korrekturen schnell zusammen. Anfang des Jahres einigten sich die Ministerpräsidenten auf eine Minimalkompromiss: höchstens 1 Milliarde Mark sollten im Zuge des neuen Länderfinanzausgleichs umgeschichtet werden. Alles nur Peanuts? Nordrhein Westfalens Finanzminister Steinbrück bestreitet das:

    Gemessen an der Entfernungspauschale, gemessen an dem Thema der Rentenreform und der Beteiligung der Länder an der steuerlichen Förderung der privaten Vorsorge ist das in der Tat etwas außerhalb der Proportionen. Aber es ist eben ein langfristig wirkendes System. Wir reden über die nächsten 20 bis 25 Jahre in diesem Zusammenhang. Und für kleinere Nehmerländer ist natürlich der Verlust von 200 oder 250 Millionen Mark ganz anders zu bewerten als aus der Sicht der großen Länder Bayern, Baden Württemberg oder Nordrhein Westfalens. Insofern darf man da auch nicht verständnislos sein gegenüber der Position der kleineren Länder

    Einig waren sich allerdings alle 16 Länderchefs in der Ablehnung des von Bundesfinanzminister Hans Eichel vorgelegten Maßstäbegesetzes. Der Grundtenor der Kritik: der Bund saniere sich auf Kosten der Länder. Tatsächlich sieht das bereits im Februar dieses Jahres vom Kabinett verabschiedete Gesetz unter anderem vor, die Sonderzuschüsse vor allem an die neuen Länder mittelfristig zu senken. Doch von einer einseitigen Sparpolitik des Bundes könne keine Rede sein, betont die Staatssekretärin des Finanzministerium Hendricks:

    Was die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen anbelangt, so haben wir tatsächlich vor, die auf Dauer degressiv zu gestalten. Weil, wenn es darum geht, die teilungsbedingten Sonderlasten aufzufangen - das ist ja jetzt der Punkt und bis jetzt ist das immer festgeschrieben auf der selben Höhe, wir aber zugleich davon ausgehen, dass diese teilungsbedingten Sonderlasten sich ja minimieren werden im Zeitablauf. Dann muss ja diese Lücke irgendwann logisch geschlossen sein

    Doch nicht nur die geplante Kürzung hat den Widerstand der Länder geweckt, auch über andere Inhalte des Maßstäbegesetzes wird erbittert gestritten. Etwa die vom Bund geforderte vollständige Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft in den Länderfinanzausgleich, die bislang nur zu 50 Prozent erfolgt. Vor allem die Geberländer haben gegen diesen Vorschlag massive Vorbehalte. Denn bei einem vergleichsweise hohen Anteil reicher Kommunen müssten sie auch mehr in den gemeinsamen Verteilungstopf einzahlen.

    Aber der Bund drängt. Bis zur Sommerpause, so das äußerst ehrgeizige Ziel des Finanzministers, soll das Maßstäbegesetz vom Bundestag verabschiedet sein. In jedem Fall aber, das hat sich Eichel fest vorgenommen, soll die Reform des Länderfinanzausgleichs noch vor dem kommenden Bundestagswahlkampf unter Dach und Fach sein.

    Zusätzlich erschwert werden die Verhandlungen aus Sicht des Bundes allerdings durch die anstehende Neuauflage des Solidarpaktes für die neuen Länder. Weil der alte Solidarpakt 2004 ausläuft und die jährlichen Milliardentransfers in die neuen Länder zugleich als Teil des Finanzausgleichs gelten, müssen die Verhandlungen parallel laufen. Gerne würde die Bundesregierung auch dieses sensible Thema aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten. Alles in allem liegen derzeit die taktischen Vorteile im Verteilungskampf eindeutig auf Seiten der Länder, urteilt der Politikwissenschaftler Renzsch:

    Bisher hat es der Bund eigentlich nie geschafft, in solchen Situationen seine eigenen Leistungen zu reduzieren. Im Gegenteil. Häufig muss er etwas leisten, damit eine Lösung zustande kommt. Ganz typisch zu den Verhandlungen zum Solidarpakt 1 1992/1993, als der Bund sieben Umsatzsteuerprozentpunkte an die Länder abtrat, damit eine Lösung zustande kommt. Also, sofern die Länder sich einig sind, ist der Bund in einer ganz schwierigen Verhandlungsposition

    Das sieht man im Kanzleramt offenbar auch so. Denn inzwischen hat der Bund noch einmal nachgelegt. Anfang Mai sagte der Finanzminister den SPD Ministerpräsidenten jährliche Zusatz- Entlastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Mark zu. Der Pferdefuß dabei: Eichel möchte diese Summe nur in einem komplizierten System in das Solidarsystem einspeisen. So wird der Bund den Fonds deutscher Einheit, den bislang auch die Länder tilgen, vollständig übernehmen. Im Gegenzug fordert Eichel als Kompensation einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer. Allerdings ist der Finanzminister bereit, im Zuge dieses Kompensationsgeschäftes auf 1,5 Milliarden Mark pro Jahr zu verzichten.

    Darüber hinaus gab es wenig später eine Grundsatzeinigung mit den ostdeutschen SPD-Länderchefs über die Neugestaltung des Solidarpaktes II. In einer gemeinsamen Erklärung einigte man sich darauf, die bisherigen Finanztransfers des Bundes von 20,6 Milliarden Mark pro Jahr fortzusetzen. Auch besteht Einvernehmen, dass der Bund über den Soli 2 die neuen Länder in den nächsten 10 bis 15 Jahren unterstützen wird. Mit diesen beiden Angeboten sei der Bund den Ländern ausdrücklich entgegen gekommen, lobt die Staatsekretärin:

    Also, es deuten sich Kompromisslinien an. Wir sind uns alle darüber im klaren, der Bundesfinanzminister und die Finanzminister der Länder, dass sie das ihren Chefs nicht einfach mal so vor die Türe kippen könne, sondern dass sie den Streit minimieren müssen, so dass eine entscheidungsfähige Vorlage am Samstag dann dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten vorliegt und schlechterdings kann niemand erwarten, dass auf dieser Ebene über die Modelle des Länderfinanzausgleichs debattiert wird. Wir als Bundesfinanzministerium haben alles dafür getan, dass es auch gelingt

    Doch die Reaktion bei den Ländern fiel zurückhaltend aus. Zwar wurden beide Angebote grundsätzlich begrüßt, aber, so der allgemeine Tenor, dies reiche noch nicht aus. Außerdem wehren sich die Länder mit Händen und Füßen gegen die Forderung Eichels, Umsatzsteuerpunkte an den Bund abgeben zu müssen. Darin, so Steinbrück, Finanzminister von Nordrhein Westfalen, seien sich alle Länder einig:

    Die Länder wollen am liebsten eine Lösung, wo es nicht um eine Verschiebung von Umsatzsteuerpunkten gibt. Ganz einfach: Umsatzsteuerpunkte entwickeln sich im Aufkommen dynamisch, während wir hier etwas an den Bund übergeben, was ziemlich statisch feststeht in der Höhe von 6,85 Milliarden - nämlich die Tilgung und die Zinsen, die die Länder bisher in den Fonds deutscher Einheit bezahlen. Das heißt, der Bundesfinanzminister würde einen guten Schnitt machen, weil sich das Aufkommen in der Zeit überproportional erhöht. Wir haben stattdessen einen Vorschlag gemacht, dass eine Kompensation als Festbetrag vorab dem Finanzminister gegeben wird und ich denke, das ist die richtigere Lösung.

    Und so jagt seit letzter Woche ein Treffen der Finanzminister das andere - denn ab morgen wollen zunächst die Regierungschefs der Länder abschließend über den Finanzausgleich beraten. Am Samstag soll dann der Bundeskanzler letzte strittige Punkte mit den Ministerpräsidenten in einem Chefgespräch klären.

    Ob die Einigung gelingt, ist aber nach den letzten Treffen der Finanzminister von Bund und Ländern weiter offen. Über viele Punkte wird offenbar noch immer gestritten, nicht zuletzt auch aus Prestigegründen. Immerhin konnten beide Seiten die kritischen Punkte in den letzten Tagen weiter eingrenzen. So dürften die Frage der Umsatzsteuerpunkte und damit die Verrechnung der vom Bund angebotenen 1,5 Milliarden Mark, die Berücksichtigung der kommunalen Finanzkraft und nicht zuletzt die Einführung stärkerer Wettbewerbselemente in den Finanzausgleich im Mittelpunkt der Verhandlungen stehen.

    Alle Streitpunkte hängen miteinander zusammen. Ist der Bund bereit, den Finanzausgleich in höherem Umfang als bislang zu unterstützen, könnten selbst die Nehmerländer einem stärkeren Anreizsystem zustimmen. Schließlich bekämen sie einen Ausgleich durch die Bundesmittel. Doch wie hier eine Lösung im Detail aussehen könnte, ist im Vorfeld der entscheidenden Verhandlungsrunde noch immer völlig offen. Eichel jedenfalls lehnt bislang höhere Zuschüsse des Bundes kategorisch ab, auch, um den eigenen Sparkurs nicht zu gefährden.

    Darüber hinaus haben auch die ostdeutschen Bundesländer noch einmal den Druck deutlich erhöht. So pochen die neuen Länder auf eine umfassende Zusage für den Solidarpakt II. Nach ihren Berechnungen ist es mit den bereits zugesagten 20,6 Milliarden Mark nicht getan - inzwischen wurden die Forderungen auf jährlich 30 Milliarden Mark für die nächsten 10 Jahren hochgeschraubt. Außerdem, so heißt es weiter, müsse schon jetzt eine Anschlussregelung gefunden werden. Andernfalls, so die unmissverständliche Drohung der neuen Länder, werde man die Zustimmung zum Länderfinanzausgleich verweigern.

    Natürlich steckt hinter solchen scharfen verbalen Attacken auch politisches Kalkül. Denn die Verhandlungen über den Solidarpakt, aber auch den Finanzausgleich ähneln einem Pokerspiel. Da wird bis zuletzt gereizt und geblufft -immer in der Hoffnung, das die andere Seite doch noch etwas nachgeben könnte. Zumal alle wissen: wenn überhaupt, dann muss spätestens am Samstag beim Spitzentreffen mit dem Kanzler ein tragfähiger Kompromiss gefunden werden. Andernfalls, so Wolfgang Clement, Ministerpräsident von Nordrhein Westfalen, sei der nächste Grundsatzstreit schon vorprogrammiert:

    Für mich steht außer Frage: Wir brauchen eine einvernehmliche Lösung zwischen allen 16 Ländern und dem Bund. Alles andere wäre ein Fiasko. Denn jede Mehrheitsentscheidung in der sensiblen Frage der Finanzverfassung der Länder birgt das Risiko, dass die überstimmte Minderheit das Bundesverfassungsgericht anruft. Das aber hieße, dass sich die Politik aus ihrer Verantwortung stiehlt. Die Politik darf die Gestaltung der Lebensverhältnisse in Deutschland nicht der Rechtsprechung überlassen

    Die Experten bleiben dennoch skeptisch. Angesichts der geringen Verteilungsmasse zwischen Bund und Ländern werde auch der neue Finanzausgleich, wie immer er im Detail aussehen mag, weitgehend dem bisherigen Status quo entsprechen, urteilt etwa der Politikwissenschaftler Renzsch. Ohnehin, so sein nüchternes Fazit, sei die Reform der föderalen Finanzbeziehungen von Beginn an falsch angepackt worden:

    Aus meiner Sicht hat man das Pferd vom Schwanze aufgezäumt. Eine wirkliche Reform hätte bei der Aufgabenkritik angefangen und hätte überlegt, welche Aufgaben muss der Bund definieren und welche Aufgaben gibt man besser zurück in die Länder. Und dann hätte man fragen können, wie viel Finanzausgleich brauchen wir dann noch. Aber weil gerade durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes jetzt ein enormer Druck auf den Finanzausgleich gemacht worden ist, bleiben die anderen, ebenso wichtigen Sachen oder vielleicht noch wichtigeren Fragen - Aufgabenverteilung, Mischfinanzierung aus der Reformdiskussion draußen. Das ist ein großer Nachteil