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Feind im Wasser

Pharmakologie. - Rund 200 Millionen Menschen leiden an Bilharziose. Die Tropenkrankheit ist in der Regel nicht tödlich und sie trifft vor allem Menschen in Entwicklungsländern. Daher ist das Arsenal an Medikamenten gegen den Erreger begrenzt. Britische Forscher wollen das ändern.

Von Martin Winkelheide |
    Es ist eine Krankheit der Menschen in den armen Ländern. Gäbe es überall Kanalisation und Kläranlagen - die Bilharziose wäre längst ausgerottet. Die Wurmerkrankung gehört zu den vernachlässigten, den vergessenen Krankheiten, sagt Mathew Barriman. Er hat am britischen Sanger-Institute des Wellcome Trust gemeinsam mit internationalen Kollegen das Erbgut von Schistosoma mansoni genauer untersucht, eines Erregers der Bilharziose.

    "Obwohl dieser Wurm über 200 Millionen auf der Welt infiziert hat, wird die Krankheit kaum zur Kenntnis genommen. Die Bilharziose fordert nicht so viele Menschenleben wie andere Infektionskrankheiten. Aber sie verursacht schlimme Behinderungen."

    Medikamentös lässt sich die Bilharziose behandeln. Der Wirkstoff Praziquantel ist gut verträglich, und er tötet zuverlässig erwachsene Würmer in den Blutgefäßen ab. Noch. Mathew Berriman fürchtet aber, die Würmer könnten eines Tages unempfindlich werden gegen das Medikament. Auch wenn Würmer nicht so schnell Resistenzen entwickeln wie Bakterien oder Viren. Berriman:

    "Das war der wichtigste Grund für unser Forschungsprojekt. Wir müssen unbedingt neue Bilharziose-Medikamente finden. Es ist doch lächerlich zu glauben, dass ein Medikament die Bevölkerung schützen könnte – und das für immer."

    Das Erbgut von Schistosoma mansoni ist etwa zehn Mal größer als das des Malaria-Erregers. Bislang haben die Forscher gut 12.000 Gene identifiziert. Es gibt viele kurze Fragmente, die mehrfach wiederholt werden, das hat die Sequenzierung des Genoms erschwert. In einer ersten Analyse sahen die Forscher: Das Erbgut des Wurms ist komplexer als gedacht. Langfristig werden die Erbgut-Daten helfen, den komplizierten Lebenszyklus des Parasiten besser zu verstehen. Vor allem, was sich in den Süßwasserschnecken abspielt, dem Zwischenwirt, in dem die Larven von Schistosoma mansoni in großer Zahl heranreifen. Möglicherweise lassen sich so Ansatzpunkte finden, den Infektionszyklus Mensch-Schnecke-Mensch zu unterbrechen. Und die Genom-Daten zeigen, welche Stoffwechselwege überlebenswichtig sind für die Würmer. Diese wären viel versprechende Angriffspunkte für Anti-Wurm-Wirkstoffe – die allerdings neu entwickelt werden müssten. Berriman:

    "In allen bisherigen Parasiten-Genom-Projekten haben die Forscher das Erbgut des Parasiten mit dem Erbgut des Menschen verglichen. Es ging ihnen darum Unterschiede zu entdecken. Falls Sie ein Protein finden, das nur vom Parasiten gebildet wird, nicht aber vom Menschen, und es gelingt Ihnen, mit einem Wirkstoff dieses Protein zu blockieren, dann ist dieser Wirkstoff wahrscheinlich auch gut verträglich. Zumindest können Sie hoffen, dass er kaum unerwünschte Nebenwirkungen in Patienten hat."

    Im Falle von Schistosoma mansoni ging es den Forschern nicht um Unterschiede im Genom von Mensch und Wurm – sondern um Ähnlichkeiten. Mathew Berriman weiß, die Entwicklung von ganz neuen Wirkstoffen wäre zu teuer – und damit uninteressant für Pharmakonzerne.

    "Wir glauben, in diesem Fall ist es so besser. Pharmafirmen investieren fast nichts in die Entwicklung neuer Anti-Wurm-Medikamente. Der einzige Weg, glaube ich, Pharmaunternehmen davon zu überzeugen, Zeit und Geld zu investieren, ist, Ihnen zu sagen: Ihr habt bereits ein Medikament, das an einem bestimmten menschlichen Protein ansetzt. Das Medikament könnte sich auch als Anti-Wurm-Medikament eignen, weil Schistosoma ein ähnliches Protein bildet. Deshalb haben wir systematisch nach Wurm-Proteinen gesucht, die menschlichen Proteinen möglichst ähnlich sind."

    Mathew Berriman und seine Kollegen haben eine Liste mit über 30 Medikamenten erarbeitet, die bereits zugelassen sind zur Behandlung anderer Krankheiten. Ob die Medikamente tatsächlich aber auch Würmer zuverlässig und ohne allzu starke Nebenwirkungen abtöten, das kann der Forscher vom Sanger Institute nicht sagen. Das können nur klinische Studien zeigen.