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Feine Gesellschaft in britischer Fernsehserie

Seit 30 Jahren war keine Fernsehserie in England so erfolgreich wie "Downton Abbey". Die Geschichte handelt über eine adlige englische Familie und ihre Dienerschaft ab dem Jahr 1912. Die erste Staffel der preisgekrönten britischen Serie ist nun in deutscher Sprache erschienen.

Von Christian Berndt | 12.10.2011
    "Schon geht es los. – Keine Ruhe für die Gottlosen. - Lady Mary! Sind die Teetabletts fertig? – Alles bereit, Mrs. Patmore. - Hoffentlich kocht das Wasser schon. Tragt ihr die beiden anderen mit hinauf? – Ich muss das von ihrer Ladyschaft hochbringen. – Ich helfe Dir. - Die Hintertür, William!"

    Die Dienerschaft hat alle Hände voll zu tun, denn Lady Mary ist soeben aufgewacht. Geradezu aberwitzig ist der Kontrast zwischen der Ruhe in den oberen Zimmern und der hektischen Betriebsamkeit, mit der eine ganze Armada die adlige Familie bedient. Aber so ist es seit Jahrhunderten auf Downton Abbey: Die Herrschaft genießt, die Diener schuften hart - aber dafür haben sie eine sichere Lebensstellung und einen Lord, der Verantwortung für sie trägt. Die Mutter des Hausherrn, Lady Grantham, kann gar nicht verstehen, wie Dienstboten da kündigen können:

    "Ach übrigens, ich hatte Recht mit meinem Kammermädchen. Sie verlässt mich und will sich verheiraten. Wie kann sie bloß so selbstsüchtig sein? - Oh ja, ich fühle sehr mit Dir. – Ach, was soll ich denn jetzt machen?"

    Auch an Dowton Abbey gehen die Zeiten nicht spurlos vorbei - plötzlich wollen Zimmermädchen Sekretärinnen werden. Aber bedrohlich wird erst ein Ereignis im Frühjahr 1912: der Untergang der "Titanic". Denn mit dem Luxusliner ist der männliche Erbe der Familie untergegangen. Nun soll, um das Vermögen zu sichern, die älteste Tochter Mary mit einem entfernten Verwandten verheiratet werden. Doch in deren Augen ist Vetter Matthew, ein Anwalt, eine unstandesgemäße Partie:

    "Warum bist Du nur so gegen ihn? – Er ist keiner von uns, außerdem war sein Vater Arzt. – Der Arztberuf ist etwas Gutes, wir brauchen alle Ärzte. – Wir brauchen auch Straßenkehrer und Kutscher. Das heißt nicht, dass wir mit ihnen zu Abend essen müssen. – Mit wem müssen wir nicht zu Abend essen? – Mary hat kein Interesse an Vetter Matthew. – Sybille, holst Du mir bitte meinen schwarzen Abendschal?"

    Mary ist eine selbstbewusste, intelligente junge Frau, aber voller Dünkel. Doch der beschränkt sich nicht auf die Herrschaft. Auch die Diener fühlen sich zu stolz, um einen niedrigrangigen Erben wie Matthew als Herrn zu akzeptieren:

    "Wir wollen einen ganz genauen Bericht, wenn das Dinner vorüber ist. - Sollen wir ihn etwa als Erben behandeln? – Nein, das kommt nicht in Frage. Den Sohn eines Arztes aus Manchester? Der kann froh sein, wenn er ein freundliches Wort von mir hört."

    "Downton Abbey" funktioniert wie ein Mikrokosmos der englischen Gesellschaft. Ein Haus mit strikt getrennten Welten von Herren und Dienern, die aber in symbiotischer Abhängigkeit miteinander leben. Das Konzept ist nicht neu: In den 70er-Jahren erzählte schon die britische Fernsehserie "Das Haus am Eaton Place" mit feinem Gespür für Konventionen von den Klassengrenzen in einem herrschaftlichen Haus. Verglichen damit ist "Downton Abbey" weniger subtil, aber dramatischer. Die sieben Folgen der ersten Staffel zeigen eine Gesellschaft im Umbruch – gefährliche Liebschaften inklusive:

    "Sie müssen wahnsinnig sein. – Das bin ich, der Wahnsinn hält mich fest umfangen. – Haben Sie eine Ahnung, was Sie da verlangen? Sie und meine Eltern haben etwas gemeinsam. – Ach ja? – Ihr glaubt, ich sei viel rebellischer, als ich eigentlich bin. Ich bin nicht so, wie Sie annehmen."

    Ausgerechnet die beherrschte Mary lässt sich mit einem heißblütigen türkischen Botschafter ein. Dummerweise wird der junge Mann morgens tot im Bett gefunden. Der drohende Skandal bringt die Familie an den gesellschaftlichen Abgrund. Da heißt es flexibel sein.

    "Unser einziger Ausweg wird sein, dass Mary so schnell wie möglich verheiratet wird. Die Frage ist allerdings, würde sie Matthew wirklich akzeptieren? – Ich bin mir da nicht sicher. – Nun, wenn sie es nicht tut, müssen wir ihr einen Ausländer besorgen. Bei solchen Komplikationen lässt sich normalerweise ein Italiener finden, der nicht allzu wählerisch ist. – Wunderbar."

    Die DVD mit der ersten Staffel erfreut mit umfangreichen Bonusmaterial, etwa Interviews mit Regisseuren, Drehbuchautoren und Darstellern und der originalen englischen Tonspur. Gerade wegen des überzeugenden Ensembles – allen voran die große englische Schauspielerin Maggie Smith in der Rolle der alten Lady Grantham - ist das ein besonderer Reiz. Die 1. Staffel von "Downton Abbey" endet mit Beginn des Ersten Weltkrieges. Sie zeigt nicht nur einen Adel, der sich verblüffend schnell anpassen kann, sondern erzählt von einer sicheren Gesellschaftsordnung, die sich langsam auflöst. Neben der prachtvollen Ausstattung vielleicht der Hauptgrund, warum die Serie in Großbritannien so erfolgreich ist.