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Feiner Appetitzügler

Biologie. - Pflanzenschutzmittel schützen den Anbau vor Schädlingen, doch sie töten in der Regel auch nützliche Tiere, belasten die Umwelt und sind für den Menschen oftmals ungesund. Zudem besteht die Gefahr, dass Schädlinge Resistenzen entwickeln, so dass die Wirkung der Insektizide verloren geht. Aus diesen Gründen sucht die Pflanzenschutzforschung stets nach neuen Mitteln, um Schädlinge zu bekämpfen. US-amerikanische Wissenschaftler haben nun eine Substanz entdeckt, die sich möglicherweise eignet, um lästige Käfer zu vertreiben, die zahlreiche Nutzpflanzen befallen.

Von Julia Beißwenger | 03.01.2013
    Der Japankäfer ist eine Plage in den USA. Er ist ein bis zwei Zentimeter lang und sieht einem Maikäfer ähnlich. Im Jahr 1912 kam er per Schiff aus Japan nach Amerika, erzählt Ann Rypstra von der Miami University in Ohio.

    "Die Käfer fressen die Blätter vieler Pflanzen. Sie befallen zum Beispiel Weinreben, grüne Bohnen, Sojabohnen oder Auberginen. Mütter in den USA schicken ihre Kinder manchmal in den Garten, um die Käfer zu sammeln, damit sie weniger Schaden anrichten. Für einen Topf voller Japankäfer bekam ich von meiner Mutter 50 Cent."

    Neben Menschen sind auch Spinnen Feinde von Käfern, denn Spinnen fressen Insekten. Könnten sie also mehr als bisher helfen, Schädlinge zu bekämpfen? Ann Rypstra erforscht diese Frage. Wenn Spinnen herumkrabbeln, hinterlassen sie chemische Spuren, erzählt die Zoologin. Sie und ihr Team wollten herausfinden, ob Schädlinge wie der Japankäfer oder sein Verwandter, der Mexikanische Bohnenkäfer, auf die Spuren von Spinnen reagieren.

    "Unser erstes Experiment bestand darin, dass wir eine Spinne über Bohnenblätter krabbeln ließen, sie dann herausnahmen und die Käfer auf die Blätter setzen. Sie fraßen tatsächlich weniger als sonst. Wir fanden das interessant, vor allem, weil die kleine Wolfspinne, die zuvor auf den Blättern gesessen hatte, viel zu klein ist, um diese Käferarten zu fressen. Was also hatte sie erschreckt?"

    Wie alle Spinnen, produziert die kleine Wolfsspinne Spinnenseide. Könnten es diese Fäden sein, die den Insekten das Futter verleideten? Um das herauszufinden, wiederholten die Forscher das Experiment. Dabei nutzten sie die Fäden der auch hierzulande verbreiteten Streckerspinne und verteilten sie wieder auf Blättern von grünen Bohnen.

    "Einige Käfer setzten wir auf lose Blätter in einem geschlossen Laborgefäß, andere auf lose Blätter, die im Freien lagen. In wieder einer anderen Anordnung verwendeten wir Pflanzen auf dem Feld. In allen Experimenten bekamen wie sehr ähnliche Ergebnisse. Das war schon sehr aufregend. Stets hatten die Käfer nur halb so viele Fressschäden angerichtet, wie Käfer einer Kontrollgruppe, die auf Blättern ohne Spinnenseide krabbelten."

    Selbst wenn die Forscher die Spinnenseide zuvor mit Alkohol besprüht und somit gewaschen hatten, fraßen die Käfer nur noch halb so viel. Es sind also nicht chemische Substanzen auf den Fäden, sondern das Material selbst, das die Schädlinge abschreckt, folgern die Wissenschaftler. Sie wollten weiter wissen, ob die Käfer Spinnenseide von anderen Stoffen unterscheiden können.

    "Wir ersetzten die Spinnenseide durch Kunststofffasern oder menschliches Haar, denn andere Forscher hatten gezeigt, dass männliche Spinnen einzelnen Haaren folgen, weil sie es für Spuren von Weibchen halten. Wir testeten auch die Fäden der Seidenraupe. Bei ihnen reduzierten die Käfer ihr Fressen um rund 20 Prozent. Aber ansonsten reagierten sie nur noch auf die Spinnenfasern."

    Das Material der Seidenraupe ist der Struktur der Spinnenseide sehr ähnlich, erklärt Ann Rypstra. Sie hofft, dass die tierischen Substanzen eines Tages zum Einsatz kommen können, um Schädlinge zu bekämpfen. Doch dafür sind weitere Studien notwendig.

    "Wir müssen herausfinden, wie sich die Käfer genau verhalten, wenn sie auf Spinnenseide treffen. Wenn sie einfach zur Nachbarpflanze gehen, um da weiter zu fressen, eignen sich die Fasern vielleicht nicht als biologische Schädlingskontrolle. Wir wollen weiter untersuchen, welche Rolle die übrigen Insekten spielen, denn wenn andere Raubinsekten ebenfalls von Spinnenseide abgeschreckt werden, könnte das wiederum bedeuten, dass weniger Schädlinge gefressen werden."

    Die Forschung muss außerdem zeigen, wie Spinnenfäden in großem Umfang auf Pflanzen gebracht werden können. Eine Möglichkeit ist es, die Tiere in großer Zahl auszusetzen, so Ann Rypstra. Ein anderer Weg sei, Spinnen einzusetzen, die besonders viel Seide produzieren, bestimmte Futterbedingungen zum Beispiel können dazu beitragen. Eine dritte Möglichkeit wäre der Einsatz von künstlicher Spinnenseide. Ihre Proteine zu erzeugen, ist ein Ziel vieler Wissenschaftler, denn aufgrund der besonderen Dehnbarkeit und Reißfestigkeit ist Spinnenseide nicht nur für die Schädlingsbekämpfung ein besonderes Material.