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Feines Näschen für die Fahndung

Chemie. - Seit langem nutzen Kriminologen die einmaligen Linien auf Fingerbeeren, um Personen zu identifizieren. Im Zuge der Terrorismusbekämpfung wurde die Diskussion und Forschung an neuen biometrischen Merkmalen, die technisch auch zuverlässig umsetzbar sind, stark vorangetrieben. Nach Iriserkennung und Stimmidentifikation könnte bald auch die individuelle Duftmarke eines Menschen dazu beitragen, seine Identität sicher nachzuweisen. Davon sind zumindest britische Wissenschaftler überzeugt.

14.06.2004
    Nicht erst Deodorant, Parfüm oder sportliche Übung verhelfen dem Menschen zum ganz eigenen Odor. Vielmehr steckt in den Genen das Rezept, nach dem der Körper eine filigrane Duftmarke eines jeden Menschen ständig erzeugt und absondert. So kamen denn auch britische Forscher schnell auf die Idee, das Merkmal zur reihenweisen Identifikation von Personen beispielsweise an einem Flughafen zu nutzen. "Hat ein Individuum eine ganz persönliche Geruchssignatur? Noch wissen wir das nicht. Aber wir experimentieren derzeit mit einer innovativen Technologie, die genau diese Frage zu beantworten könnte", konstatiert Paul Monks vom Institut für Chemie der Universität Leicester. Sein Ansatz kombiniert zwei herkömmliche Methoden, um chemische Eigenschaften von Molekülen zu bestimmen: die so genannte Proton-Transfer-Ionisation und die Massenspektrometrie. Auf diese Weise kann Monks Atemluft einer Person in etwa einer Minute analysieren. Bislang dauerte das rund eine Stunde. Dabei werden buchstäblich in jeder Sekunde Tausende Signaturen von flüchtigen Substanzen festgestellt und aufgezeichnet.

    "Diese Technologie kombiniert Verlässlichkeit und Geschwindigkeit, um flüchtige organische Bestandteile zu messen. Diese kommen überall in der Natur vor, so auch in unserem Atem. Das Potenzial der Atemanalyse ist besonders interessant, denn damit können wir feststellen, wie gut es uns geht und kann selbst Leiden wie Diabetes oder verschiedene Krebserkrankungen frühzeitig diagnostizieren", berichtet der Chemiker. Doch nicht nur Mundgeruch fällt der Kunstnase aus dem Labor auf, sondern auch Sprengstoffe könnte das Verfahren bald erkennen. Überdies kann sich Paul Monks vorstellen, dass ein mobiler Apparat wie ein Spürhund nach Toten sucht und feststellt, ob sich eine bestimmte Person an einem Ort aufgehalten hat. "Für die Gerichtsmedizin wäre das ein fabelhaftes Werkzeug. Wir werden testen, ob unsere Technologie riecht, dass sich jemand in einem ganz bestimmten Zimmer aufgehalten hat oder vielleicht sogar an Hand der Duftmarke erkennt, ob eine weitere Person dort war." Dazu brauche man eine Geruchsquelle, die längere Zeit Duftchemikalien produziert und sich vom Hintergrundrauschen anderer Düfte messbar abhebt.

    Selbst die Biologie könnte von dem flotten Näschen aus Leicester profitieren: "Wenn man den Rasen gemäht hat, dann breitet sich ein ganz typischer Geruch aus. Das geschnittene Gras reichert die Luft mit Chemikalien an. Mit unserer Methode können wir herausfinden, wie Pflanzen mit welchen Substanzen auf Stress reagieren." Im Umweltschutz könnten Geräte - kaum größer als ein Handy - Verursacher von Luftverschmutzungen anzeigen. "Uns interessiert, wie sich menschliche Umweltverschmutzung mit natürlichen Quellen vermischt. In der Hitzewelle des vergangen Sommers hatten wir eine solche Mischung. Abgase vermischten sich dabei mit natürlichen, von Bäumen abgegebenen Stoffen. Wir können nun in Echtzeit feststellen, wie diese Mischungen zum photochemischen Smog beitragen. Praktisch wäre auch ein Gerät, das sehr schnell und sicher die persönliche Exposition gegenüber flüchtigen Umweltgiften misst. Wir sind kurz davor, solche kleinen, tragbaren Überwachungsgeräte herzustellen." Jeder einzelne könnte dann am Arbeitsplatz giftige oder auch krebserregende Substanzen aufspüren, die in schlecht belüfteten Räumen möglicherweise ständig emittiert werden können.

    [Quelle: Klaus Herbst]