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Feinstaub
Frankreich liegt unter einer Dunstglocke

Wenig Wind, viel Sonne und ungewöhnlich warm – so war das Wetter in dieser Woche in Frankreich. Doch der Aufenthalt im Freien macht den Franzosen derzeit nicht so richtig Freude: Die Luft fühlt sich schlecht an, Frankreich liegt unter einer Dunstglocke. Die Ursache ist Feinstaub.

Von Ursula Welter | 14.03.2014
    "Mich beunruhigt das sehr, zumal wenig unternommen wird dagegen. Ich komme aus der höher gelegenen Vorstadt, man kann Paris kaum noch erkennen, Frankreich muss was tun, so kann das nicht bleiben."
    Die junge Frau lässt ihren Monatsausweis für die Metro in der Tasche, sie weiß, dass der öffentliche Nahverkehr heute kostenlos ist. Durch den Lautsprecher im Untergrund dröhnt die Ansage.
    "Wenn das gut für die Gesundheit ist, um so besser",sagt ein Mann, der gerade aus dem Bus gestiegen ist. Ein paar amerikanische Touristinnen rufen "excellent" und freuen sich, dass sie umsonst von A nach B kommen.
    Aber für die Dauerbewohner der Großstadt hält sich die Freude in Grenzen. Den fünften Tag in Folge überschreiten die Feinstaub-Werte das zugelassene Niveau drastisch, 30 Departements im ganzen Land sind betroffen, nicht nur über Paris hängt die deutlich sichtbare, schmutzige Wolke. Bus und Bahn sind auch in Caen, Rouen, Grenoble und Reims derzeit kostenlos. Auf den Straßen gilt seit ein paar Tagen ein Tempolimit, hie und da werden Wagen angehalten, Auspuff-Gase von der Polizei gemessen.
    Vorwurf: Regierung ist tatenlos
    An diesem Freitagmorgen, obwohl es einen Aufruf gibt, das Auto stehen zu lassen, rollt der Berufsverkehr dennoch wie eh und je. 200 km Stau insgesamt rund um Paris werden gemessen, das ist sogar etwas mehr als an anderen Tagen. Nur läuft der Verkehr etwas langsamer.
    Dennoch: In den Bussen gibt es erstaunlich viele Sitzplätze, der Fahrer raunt viel zu leise und auch ohne Begründung: "Heute kostet es nichts",so stempelt doch mancher Pendler sein Ticket wie gewohnt ab.
    "Ich merke nichts an meinen Lungen", sagt diese Joggerin, im Stadtrandpark unterwegs. Sie kümmere es nicht, dass die Luft angeblich verschmutzt sei. Ein Mann, in der Innenstadt, zeigt hingegen beunruhigt Richtung Himmel, an dem sich hinter der Dunstglocke erneut ein warmer Frühlingstag ankündigt:
    "Das kratzt nicht nur in den Augen, das kratzt im Hals, das ist sehr unangenehm."
    Die Vorsichtsmaßnahmen liefen nur langsam an. Und im Fernsehen äußert sich Christophe Najdovski, der für die Grünen in Paris in den Wahlkampf zieht:
    "Diese Tatenlosigkeit der Regierung über Tage ist absolut unverantwortlich",sagt er. Und tatsächlich, auf den Straßen von Paris geht es zu, wie stets.
    Fahrverbote nicht ausgeschlossen
    Draußen ziehen die Familien mit den Kinderwagen und Kleinkindern an der Hand Richtung Schule und Krippe. Alle Eltern in Frankreich sind aufgerufen, Spaziergänge und sportliche Aktivitäten zu unterlassen. Der Appelle gibt es viele, auch an die Schulen: Kein Sportunterricht im Freien!
    "Das ist sehr wichtig für die Gesundheit der Schüler",meint dieser Lehrer.
    Aber nicht überall kommen die Appelle an. Der Umweltminister, der sich zum Thema Feinstaubbelastung gestern zum ersten mal äußerte, meint,
    "Man muss angemessen reagieren, wir dürfen die Leute nicht noch mehr nerven."
    Je nach Entwicklung der Wetterlage schließt Martin Fahrverbote allerdings nicht aus. Kontakt zur Industrie hat er aufgenommen, damit diese ihre Aktivitäten drosselt. Das Tempolimit gilt auf städtischen Straßen und Autobahnen im ganzen Land, Parken in den Großstädten ist kostenlos, damit die Autos stehen bleiben können. Städtische Fahrzeuge bleiben in den Depots, die Benutzung von Fahrrädern und Elektroautos in Paris ist gratis.