Schon um die Mittagszeit ist es im "Gequetschten" heiß, stickig und völlig überfüllt. Genau die richtige Atmosphäre also zum Karnevalfeiern. Hinter der Theke wird ein Kölsch nach dem anderen gezapft. Und an der Theke stehen dicht an dicht Piraten, Prinzessinnen, Teufel oder Clowns. Mitten drin: der Bonner Karnevalsforscher Gunther Hirschfelder, unverkleidet - und auf Feldforschung:
"Wenn wir in die Menge schauen, dann sehen wir die drei Grundtypen, die schon im 19. Jahrhundert, begegnen, das ist die Jungfrau, der Bauer und der Prinz. Und daneben immer wieder Kostüme, die seit dem 19. Jahrhundert Eingang gefunden haben, wie etwa das Clowns-Kostüm oder auch etwa Kostüme mit einem ethnischen Hintergrund, wie etwa ein Beduinen-Kostüm, ein arabisches Fantasie-Kostüm oder etwa der große Turban, der immer wieder beliebt ist. Daneben aber auch immer wieder diese Uniform-Versatzstücke wie etwa eine Polizeimütze oder eine Matrosenuniform. Das rein Militärische allerdings ist heute komplett ausgeblendet."
Dabei ist die Uniform des Kölner Stadtsoldaten die älteste Verkleidung des organisierten Karnevals. Einer von ihnen steht in diesen Tagen direkt am Eingang dieser Bonner Kneipe mit schwarzen Stiefeln, weißer Hose, prunkvollem Oberteil und napoleonischem Hut - als Pappfigur. Daneben wartet ein junger Mann, diesmal ein echter, auf Einlass in die Kneipe. Auf seiner Stirn steht "Wonderwoman". Den Rest der Verkleidung beschreibt er besser selbst:
"Das ist ein gelbes Fellkostüm und darüber eine Fallschirmspringermontur mit einer schönen blonden Perücke."
Ein perfektes, modernes Forschungsobjekt also für den Karnevalsforscher:
"Wir haben hier nämlich ein Karnevalskostüm, was eigentlich keinen historischen Wurzeln folgt und mit der Formensprache des 19. Jahrhunderts nichts am Hut hat, sondern ganz neue Elemente reinbringt, aus der Welt des Fantasy etwa diese große Spinnenfigur. Und diese Spinnenfigur, auch das eher ein mediales Element als ein karnevaleskes Element, dieses Element besteht eben aus einer Handschelle, die mit dem älteren Karneval nichts zu tun hat und hier sehr schön für eine Neuinterpretation und für eine ganz neue Formensprache steht."
Der junge Mann, alias "Wonderwoman", trägt Freestyle, sagt Hirschfelder, so wie viele andere Jecken, also Karnevalisten, auch. Fantasievoll kombinieren sie, was Kleiderschrank und Schnäppchenmarkt hergeben. Hauptsache, es springt ins Auge:
Mann: "Aber geht es nicht gerade darum, auffällig zu sein? Ich meine: Schönheit produzieren kann jeder."
Seit 20 Jahren schon widmet sich Volkskundler Gunther Hirschfelder den Närrinnen und Narren. Die Symbolsprache ihrer Kostüme und die geschichtliche Entwicklung sind heute gut erforscht, sagt er. Viel spannender sei der Blick auf den Karneval als Gegenwartskultur und hinter die kostümierte Kulisse:
Ein Beispiel: Die Zeit zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch erscheint sexuell besonders freizügig und politisch liberal. Jeder wird gebützt - also geküsst - und aufgefordert, einen mitzutrinken. Doch so einfach sei das nicht, sagt Hirschfelder. Gerade der Karneval funktioniere nach sehr rigiden sozialen Regeln:
"Und wenn die Bläck Fööss singen 'Trink doch eene mit', dann gilt das zwar für den alten Mann, der an der Theke steht, der aber auch Kölner ist, oder es gilt auch für einen Kölner Türken durchaus, der da schon lange lebt, aber es gilt noch überhaupt lange nicht für jeden."
Wer optisch fremd wirkt, bleibt beim Feiern außen vor. Die meisten Jecken sind sich dessen aber nicht bewusst, weiß Hirschfelder. Sie lieben den Karneval - ohne Abstriche:
Frau: "An erster Stelle natürlich das Verkleiden, wie immer, das ist ja auch immer schön einmal im Jahr, und viele Leute zu treffen, die man vielleicht sonst nicht so trifft."
Welcher Wissenschaftler hat schon so gesellige Forschungsobjekte? Ob Gunther Hirschfelder den Rummel um ihn herum genießt, verrät sein Gesicht allerdings nicht. Und auf die Frage, ob er sich manchmal dann doch mitreißen lässt, antwortet er differenzierend, ganz der Wissenschaftler eben:
"Als Feldforscher darf man sich einerseits nie mitreißen lassen. Man braucht immer eine bestimmte kritische Distanz, um Dinge überhaupt beobachten zu können. Auf der anderen Seite haben gerade im Karneval die Dinge immer einen gewissen Automatismus, und der Feldforscher braucht auch im Feld ganz grundsätzlich ein hohes Maß an Partizipation. Und eine ernsthaft durchgeführte Karnevalsforschung, die sich über einen langen Zeitraum erstreckt und natürlich eine Nähe zu unseren Untersuchungspartnern braucht, kann nicht ganz frei sein von Karnevalsstimmung. Wer Karneval hasst, ist in diesem Metier dann fehl am Platz."
"Wenn wir in die Menge schauen, dann sehen wir die drei Grundtypen, die schon im 19. Jahrhundert, begegnen, das ist die Jungfrau, der Bauer und der Prinz. Und daneben immer wieder Kostüme, die seit dem 19. Jahrhundert Eingang gefunden haben, wie etwa das Clowns-Kostüm oder auch etwa Kostüme mit einem ethnischen Hintergrund, wie etwa ein Beduinen-Kostüm, ein arabisches Fantasie-Kostüm oder etwa der große Turban, der immer wieder beliebt ist. Daneben aber auch immer wieder diese Uniform-Versatzstücke wie etwa eine Polizeimütze oder eine Matrosenuniform. Das rein Militärische allerdings ist heute komplett ausgeblendet."
Dabei ist die Uniform des Kölner Stadtsoldaten die älteste Verkleidung des organisierten Karnevals. Einer von ihnen steht in diesen Tagen direkt am Eingang dieser Bonner Kneipe mit schwarzen Stiefeln, weißer Hose, prunkvollem Oberteil und napoleonischem Hut - als Pappfigur. Daneben wartet ein junger Mann, diesmal ein echter, auf Einlass in die Kneipe. Auf seiner Stirn steht "Wonderwoman". Den Rest der Verkleidung beschreibt er besser selbst:
"Das ist ein gelbes Fellkostüm und darüber eine Fallschirmspringermontur mit einer schönen blonden Perücke."
Ein perfektes, modernes Forschungsobjekt also für den Karnevalsforscher:
"Wir haben hier nämlich ein Karnevalskostüm, was eigentlich keinen historischen Wurzeln folgt und mit der Formensprache des 19. Jahrhunderts nichts am Hut hat, sondern ganz neue Elemente reinbringt, aus der Welt des Fantasy etwa diese große Spinnenfigur. Und diese Spinnenfigur, auch das eher ein mediales Element als ein karnevaleskes Element, dieses Element besteht eben aus einer Handschelle, die mit dem älteren Karneval nichts zu tun hat und hier sehr schön für eine Neuinterpretation und für eine ganz neue Formensprache steht."
Der junge Mann, alias "Wonderwoman", trägt Freestyle, sagt Hirschfelder, so wie viele andere Jecken, also Karnevalisten, auch. Fantasievoll kombinieren sie, was Kleiderschrank und Schnäppchenmarkt hergeben. Hauptsache, es springt ins Auge:
Mann: "Aber geht es nicht gerade darum, auffällig zu sein? Ich meine: Schönheit produzieren kann jeder."
Seit 20 Jahren schon widmet sich Volkskundler Gunther Hirschfelder den Närrinnen und Narren. Die Symbolsprache ihrer Kostüme und die geschichtliche Entwicklung sind heute gut erforscht, sagt er. Viel spannender sei der Blick auf den Karneval als Gegenwartskultur und hinter die kostümierte Kulisse:
Ein Beispiel: Die Zeit zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch erscheint sexuell besonders freizügig und politisch liberal. Jeder wird gebützt - also geküsst - und aufgefordert, einen mitzutrinken. Doch so einfach sei das nicht, sagt Hirschfelder. Gerade der Karneval funktioniere nach sehr rigiden sozialen Regeln:
"Und wenn die Bläck Fööss singen 'Trink doch eene mit', dann gilt das zwar für den alten Mann, der an der Theke steht, der aber auch Kölner ist, oder es gilt auch für einen Kölner Türken durchaus, der da schon lange lebt, aber es gilt noch überhaupt lange nicht für jeden."
Wer optisch fremd wirkt, bleibt beim Feiern außen vor. Die meisten Jecken sind sich dessen aber nicht bewusst, weiß Hirschfelder. Sie lieben den Karneval - ohne Abstriche:
Frau: "An erster Stelle natürlich das Verkleiden, wie immer, das ist ja auch immer schön einmal im Jahr, und viele Leute zu treffen, die man vielleicht sonst nicht so trifft."
Welcher Wissenschaftler hat schon so gesellige Forschungsobjekte? Ob Gunther Hirschfelder den Rummel um ihn herum genießt, verrät sein Gesicht allerdings nicht. Und auf die Frage, ob er sich manchmal dann doch mitreißen lässt, antwortet er differenzierend, ganz der Wissenschaftler eben:
"Als Feldforscher darf man sich einerseits nie mitreißen lassen. Man braucht immer eine bestimmte kritische Distanz, um Dinge überhaupt beobachten zu können. Auf der anderen Seite haben gerade im Karneval die Dinge immer einen gewissen Automatismus, und der Feldforscher braucht auch im Feld ganz grundsätzlich ein hohes Maß an Partizipation. Und eine ernsthaft durchgeführte Karnevalsforschung, die sich über einen langen Zeitraum erstreckt und natürlich eine Nähe zu unseren Untersuchungspartnern braucht, kann nicht ganz frei sein von Karnevalsstimmung. Wer Karneval hasst, ist in diesem Metier dann fehl am Platz."