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Feldherr und Kunstfreund

Schloß Belvedere gehört zum Pflichtprogramm jeder Besichtigung Wiens. Sein ehemaliger Besitzer Prinz Eugen von Savoyen lebte eher ungewöhnlich: Als ein Mann des Krieges interessierte er sich auch für Künste, Wissenschaften und die Lektüre, wie eine Ausstellung eindrücklich zeigt.

Von Beatrix Novy |
    Am 23. Juli 1683 verkleidete sich der 19-jährige Prinz Eugen von Savoyen als Mädchen - was ihm mit seiner Körpergröße von anderthalb Metern nicht schwer fiel - und stieg im Schutz der Dunkelheit in eine Kutsche, um heimlich nach Wien zu entwischen. Das Leben am Hof Ludwigs XIV. war ihm verleidet; ein echter Geistlicher, wie es der Familienrat vorsah, wollte er keinesfalls werden, und der Sonnenkönig hatte seine Bewerbung in die französische Armee rundweg abgelehnt – was ihm noch sehr leidtun sollte. Denn Prinz Eugen, ein Sohn des Hochadels, hatte, einmal in Wien, trotz seiner schmächtigen Statur keine Probleme, ins kaiserliche Heer Leopolds I., eines scharfen Konkurrenten Ludwigs, aufgenommen zu werden. Wien wurde seit Wochen vom türkischen Heer belagert.

    So konnte es kommen, dass Eugen sich keine zwei Monate später bei der Befreiung der Stadt aufs Auffallendste bewährte. Der Grundstein zur Legende vom savoyischen Prinzen, der die Expansion des osmanischen Reichs nach Westeuropa aufhielt, war gelegt. Eugen wurde und blieb Feldherr in Habsburgs Diensten; dem Beruf ging die Arbeit nicht aus, wenn nicht gegen die Türken, ging es gegen Frankreich, und der schmächtige Eugen schonte sich nicht im Kampf, seine Soldaten aber auch nicht: Der Beruf lag ihm.

    Wie ungeheuer einträglich der war, sieht man bis heute an der quasi-kaiserlichen Dimension des von Johann Lucas von Hildebrandt gebauten Belvedere, wo jetzt der ganze Prinz Eugen erstmals gewürdigt wird, der Feldherr, der Philosoph, der Kunstfreund. Kunstwerke, exotische Tiere und Pflanzen, Handschriften und Bücher – Eugen wollte alles haben.

    "Er stand mitten im Zeitgeist, war nur ungewöhnlich, dass ein Mann des Krieges sich so leidenschaftlich den Künsten, Wissenschaften, Lektüre der Bücher widmete,"

    … sagt Kuratorin Marie Luise von Plessen, die schon Figuren wie Mozart und Bismarck zum Leben in Ausstellungsräumen erweckt hat. Vieles von Prinz Eugens Korrespondenz aus diversen Kriegslagern drehte sich akribisch nachvollziehbar um Bestellungen von Bildern, Tapisserien, Büchern. Und um die Einordnung des Gesammelten in ein System des Denkens – übers Raritätenkabinett war dieser Mann hinaus.

    "Er hat sich mit anderen Universalgeistern verständigt. Der erste war Leibniz, der in Wien eine Akademie der Wissenschaften gründen wollte, was nicht gelungen ist aufgrund mangelnder Finanzen. Die Freundschaft reichte aber soweit, dass Leibniz ihm einen Codici widmete und die wachsende Bibliothek kategorisiert wurde, gelb für Geschichte, und so stehen sie bis heute nach dem Ankauf durch Karl VI in der Kuppel der Hofbibliothek in Wien."

    Feldherr und Kunstfreund war Eugen, dass ihn die Freundschaft mit Leibniz auch zum Philosophen machte, wird hier nicht bewiesen. Dafür lernt man andere Seiten des ewigen Junggesellen kennen, den schon Liselotte von der Pfalz für schwul hielt: eine Szene in einem Amsterdamer Bordell zeigt ihn, kennerisch eine Parade halbnackter Mädchen abnehmend. Offenen Geistes ging er auch mit Kriegsgegnern wie den Türken um.

    "Er hat sie (Türken) geschätzt, studiert und hat die osmanischen Vertreter ihrem Rang gemäß in seinem Stadtpalais empfangen, kein Hass, sondern Neugier. Wollte den Gegner kennenlernen."

    Noch waren die Herzen nicht vom Nationalismus vergiftet, Eugen, der Nationalheld von heute, wusste schon gar nichts von einem Vaterland – aber den Zehntausenden, über deren Leichen sich die hohen Herren standesbewusst die Hand reichten, konnte das egal sein.

    Nach Eugens Tod 1736 wurden die Sammlungen von der Erbing verhökert und zerstreut; von der ursprünglichen Einrichtung der Oberen Belvedere blieb auch sonst über die Jahrhunderte nicht viel erhalten. Hier wird schon fleißig zurückgebaut; und für die Dauer der Ausstellung soll, mit den Leihgaben vor allem aus Turin, das Ambiente, das der kunstsinnige Feldherr sich schuf, wieder erfahrbar werden.

    Da hilft es, dass damals der Zeitgenosse Salomon Kleiner in 97 Kupferstichen alles genauestens abbildete. Die Säle und Kabinette, und wo alles seinen Platz hatte: die Gemälde von Guido Reni, Holbein, Teniers, van Dyck, die Bibliothek mit den 15.000 Bänden, alten Plänen, mittelalterlichen Handschriften. Das alles noch einmal halbwegs wiederhergestellt zu sehen, hat seinen Reiz. Auch wenn es uns heute nicht mehr möglich ist, zu vergessen, dass dieser Reichtum auf dem Tod und dem Leiden Tausender gegründet war. Eugen selbst wusste, dass er "das seine durch seine Soldaten erworben" hatte. Aber dass er 500.000 Gulden für eine Invalidenstiftung hinterlassen wollte, wurde nie amtlich.

    Prinz Eugen – Feldherr, Philosoph und Kunstfreund
    Ausstellung im Unteren Belvedere und der Orangerie 11.2. – 6.6.2010