Die Stadt Khartum liegt am Zusammenfluss des Weißen und des Blauen Nils, wo die Handelsstraßen aus dem Süden zusammentreffen, die zum Mittelmeer führen. Im Süden von Khartum erstrecken sich fruchtbare Landstriche, die den Sudan für Staatsmänner interessant machen. Im Norden liegen viele hundert Kilometer Wüste - und die sind "die Bühne des Krieges". So charakterisiert Winston S. Churchill den Sudan in seinem Bericht über einen Feldzug der Briten und Ägypter zur Rückeroberung dieses Landes.
1883 hatten die arabischen Stämme des Sudan im Namen Allahs und angeführt von einem religiösen Führer, dem Mahdi, das Joch der Ägypter abgeschüttelt. Mit endzeitlichen Lehren hatte der Mahdi den Unmut der Araber kanalisieren und dann ein Heer aus Kamelreitern und Lanzenträgern von einem Sieg zum nächsten führen können. Sechzig Jahre lang hatten die Ägypter zuvor den Sudan beherrscht; sie hatten das Land ausgebeutet und mit Sklavenhändlern gemeinsame Sache gemacht. Die Briten hatten dann versucht einzugreifen, indem sie durchsetzten, dass ab 1877 nur mehr europäische Beamte in ägyptischen Diensten als Gouverneure im Sudan tätig werden sollten. Aber das hatte den Aufstand nicht verhindert - und die schlecht motivierten ägyptischen Truppen, in denen kaum britische Soldaten oder Offiziere dienten, konnten ihm nicht standhalten. Der Sudan entwickelte sich unter den Nachfolgern des Mahdi dann bald zu einer Schreckensherrschaft gegenüber der schwarzen, teilweise christlichen Mehrheit im Inneren - das ist ein Konflikt der bis heute weiterwirkt und vor aller Augen seit fünf Jahren Völkermord und Vertreibungen nach sich zieht --, und gegenüber den Nachbarn, wie etwa Abessinien, gegen die der Sudan ständig Krieg führte.
Der Verlust des Sudans und der Tod des seinerzeitigen Gouverneurs Charles Gordon, der Khartum 300 Tage lang verteidigt hatte, erregen in Großbritannien viel Aufmerksamkeit. 1896 rüstet man daher unter der militärischen Führung von Herbert Kitchener, dem Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee, zum Gegenschlag. Denn in Afrika stehen große Interessen auf dem Spiel. Großbritannien will eine Achse vom Kap der Guten Hoffnung bis nach Kairo; im Süden des Sudan aber operieren seit 1893 auch die Franzosen - in den Kolonien bahnt sich ein Konflikt an, der leicht zu einem Weltkrieg ausarten könnte. Die "Faschoda-Krise" von 1898, der Beinahe-Zusammenstoß zwischen Frankreich und Großbritannien, ist daher auch einer der entscheidenden Punkte, auf den hin Winston S. Churchill seinen Bericht über den Feldzug gegen die Derwische ausrichtet.
Churchill erklärt zudem mit schöner Deutlichkeit, worum es bei diesem Unternehmen zwischen 1896 und 1898 geht: Der Nil ist das Ziel der militärischen Operationen; und wenn es um Truppentransporte und um Versorgung geht, dann ist der Fluss zugleich auch das Mittel, mit dem dieser Krieg geführt wird. Auf der einen Seite mit allem, was ein hochindustrialisiertes Mutterland an Hilfsmitteln aufzubieten hat. Und auf der anderen Seite mit dem Mut altertümlicher Krieger. Dieser Feldzug gilt bis heute als ein Musterbeispiel für Strategie und Logistik - aber die entscheidende Schlacht im Jahr 1898 bei Omdurman, nicht weit von Khartum, wird wohl auch auf ewig als eine Art von Exekution und nicht als eine regelrechte Feldschlacht in Erinnerung bleiben. 9000 arabische Krieger fallen innerhalb von 5 Stunden der schnell feuernden Artillerie und den Maschinengewehren zum Opfer; auf Seiten der Sieger dagegen sterben nur etwa 500 Soldaten.
Winston S. Churchill selbst ist erst zwei Monate vor dieser Schlacht in den Sudan gekommen; zuvor hat der überaus ehrgeizige junge Offizier, Journalist und Schriftsteller - er ist gerade mal vierundzwanzig Jahre alt -- in Indien gedient. Dort und im Sudan denkt er nur an eines, nämlich wie er sich einen Namen machen kann. Und der zweibändige Bericht, der schon 1899, im Jahr nach dem Sieg der Briten und Ägypter erscheint, ist daher auch eine patriotische Anstrengung unter vielen auf dem Weg zu seinem späteren Ruhm als Nobelpreisträger für Literatur und als Premierminister. Auch wenn er noch Jahrzehnte lang unter Geldnöten leiden und stets ein skandalumwittertes Leben führen wird.
"The River War. A Historical Account of the Reconquest of the Soudan” - wird in gekürzter Form bis heute immer wieder gerne aufgelegt und ist nun auch in einer deutschen Übersetzung von Georg Brunold zu haben. Warum im deutschen Titel aber von einem "Kreuzzug" die Rede ist, bleibt ein Geheimnis - vermutlich ist es ganz banal eine Reminiszenz an den "Krieg gegen den Terror", der seit 2001 von interessierter Seite ja ebenfalls gerne wie eine Wallfahrt propagiert wird. Churchill und das britische Mutterland haben mit einer solchen Denkungsart nichts im Sinn. Sie verfolgen klare Machtinteressen. Und was im Sudan passiert, ordnet sich einzig der Logik des Aufbaus des britischen Weltreiches unter. Zwar kennt das 19. Jahrhundert, wie Georg Brunold in seinem Vorwort betont, den Dschihad und islamische Aufstände gegen die europäischen Kolonialmächte - die Briten selbst haben damit auch schon seit 1839 in Afghanistan zu kämpfen.
Aber Churchill schreibt in seinem Bericht sehr klar: Der Fanatismus sei nicht die Ursache solcher Erhebungen, er sei bloß das einigende Element, das die Unzufriedenheit zu bündeln vermöge. Unzufrieden sind die Unterdrückten, die Kolonisierten, die Ausgebeuteten - in dieser Lage finden sie sich aber, weil sie letztlich nur Menschen zweiter Klasse sind. Die Derwische mögen unerschrockene Kämpfer sein, und sogar die schwarzen Soldaten können tapfer sein, wenn sie gut geführt werden. Doch dazu sind nur die Briten in der Lage, und nur sie allein können tausend Kilometer Eisenbahngleise in der Wüste zu verlegen, um ihre Truppen zu versorgen; können Kanonenboote in Einzelteilen in den Sudan schicken, um sie auf dem Nil zusammen zu bauen und einzusetzen. So etwas prägt - und also genehmigt sich Churchill umstandslos den unirritierbaren Blick eines Mannes, der den ganzen Sudan nur unter einem einzigen Gesichtspunkt betrachtet, nämlich unter dem der Verfügbarkeit für britische Interessen. Das macht seinen Bericht so erschreckend und bei aller Detailliertheit auch so dürr - er dokumentiert eine Haltung, die ebenso effizient wie erbärmlich ist.
Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi
Winston S. Churchill
Die andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008
1883 hatten die arabischen Stämme des Sudan im Namen Allahs und angeführt von einem religiösen Führer, dem Mahdi, das Joch der Ägypter abgeschüttelt. Mit endzeitlichen Lehren hatte der Mahdi den Unmut der Araber kanalisieren und dann ein Heer aus Kamelreitern und Lanzenträgern von einem Sieg zum nächsten führen können. Sechzig Jahre lang hatten die Ägypter zuvor den Sudan beherrscht; sie hatten das Land ausgebeutet und mit Sklavenhändlern gemeinsame Sache gemacht. Die Briten hatten dann versucht einzugreifen, indem sie durchsetzten, dass ab 1877 nur mehr europäische Beamte in ägyptischen Diensten als Gouverneure im Sudan tätig werden sollten. Aber das hatte den Aufstand nicht verhindert - und die schlecht motivierten ägyptischen Truppen, in denen kaum britische Soldaten oder Offiziere dienten, konnten ihm nicht standhalten. Der Sudan entwickelte sich unter den Nachfolgern des Mahdi dann bald zu einer Schreckensherrschaft gegenüber der schwarzen, teilweise christlichen Mehrheit im Inneren - das ist ein Konflikt der bis heute weiterwirkt und vor aller Augen seit fünf Jahren Völkermord und Vertreibungen nach sich zieht --, und gegenüber den Nachbarn, wie etwa Abessinien, gegen die der Sudan ständig Krieg führte.
Der Verlust des Sudans und der Tod des seinerzeitigen Gouverneurs Charles Gordon, der Khartum 300 Tage lang verteidigt hatte, erregen in Großbritannien viel Aufmerksamkeit. 1896 rüstet man daher unter der militärischen Führung von Herbert Kitchener, dem Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee, zum Gegenschlag. Denn in Afrika stehen große Interessen auf dem Spiel. Großbritannien will eine Achse vom Kap der Guten Hoffnung bis nach Kairo; im Süden des Sudan aber operieren seit 1893 auch die Franzosen - in den Kolonien bahnt sich ein Konflikt an, der leicht zu einem Weltkrieg ausarten könnte. Die "Faschoda-Krise" von 1898, der Beinahe-Zusammenstoß zwischen Frankreich und Großbritannien, ist daher auch einer der entscheidenden Punkte, auf den hin Winston S. Churchill seinen Bericht über den Feldzug gegen die Derwische ausrichtet.
Churchill erklärt zudem mit schöner Deutlichkeit, worum es bei diesem Unternehmen zwischen 1896 und 1898 geht: Der Nil ist das Ziel der militärischen Operationen; und wenn es um Truppentransporte und um Versorgung geht, dann ist der Fluss zugleich auch das Mittel, mit dem dieser Krieg geführt wird. Auf der einen Seite mit allem, was ein hochindustrialisiertes Mutterland an Hilfsmitteln aufzubieten hat. Und auf der anderen Seite mit dem Mut altertümlicher Krieger. Dieser Feldzug gilt bis heute als ein Musterbeispiel für Strategie und Logistik - aber die entscheidende Schlacht im Jahr 1898 bei Omdurman, nicht weit von Khartum, wird wohl auch auf ewig als eine Art von Exekution und nicht als eine regelrechte Feldschlacht in Erinnerung bleiben. 9000 arabische Krieger fallen innerhalb von 5 Stunden der schnell feuernden Artillerie und den Maschinengewehren zum Opfer; auf Seiten der Sieger dagegen sterben nur etwa 500 Soldaten.
Winston S. Churchill selbst ist erst zwei Monate vor dieser Schlacht in den Sudan gekommen; zuvor hat der überaus ehrgeizige junge Offizier, Journalist und Schriftsteller - er ist gerade mal vierundzwanzig Jahre alt -- in Indien gedient. Dort und im Sudan denkt er nur an eines, nämlich wie er sich einen Namen machen kann. Und der zweibändige Bericht, der schon 1899, im Jahr nach dem Sieg der Briten und Ägypter erscheint, ist daher auch eine patriotische Anstrengung unter vielen auf dem Weg zu seinem späteren Ruhm als Nobelpreisträger für Literatur und als Premierminister. Auch wenn er noch Jahrzehnte lang unter Geldnöten leiden und stets ein skandalumwittertes Leben führen wird.
"The River War. A Historical Account of the Reconquest of the Soudan” - wird in gekürzter Form bis heute immer wieder gerne aufgelegt und ist nun auch in einer deutschen Übersetzung von Georg Brunold zu haben. Warum im deutschen Titel aber von einem "Kreuzzug" die Rede ist, bleibt ein Geheimnis - vermutlich ist es ganz banal eine Reminiszenz an den "Krieg gegen den Terror", der seit 2001 von interessierter Seite ja ebenfalls gerne wie eine Wallfahrt propagiert wird. Churchill und das britische Mutterland haben mit einer solchen Denkungsart nichts im Sinn. Sie verfolgen klare Machtinteressen. Und was im Sudan passiert, ordnet sich einzig der Logik des Aufbaus des britischen Weltreiches unter. Zwar kennt das 19. Jahrhundert, wie Georg Brunold in seinem Vorwort betont, den Dschihad und islamische Aufstände gegen die europäischen Kolonialmächte - die Briten selbst haben damit auch schon seit 1839 in Afghanistan zu kämpfen.
Aber Churchill schreibt in seinem Bericht sehr klar: Der Fanatismus sei nicht die Ursache solcher Erhebungen, er sei bloß das einigende Element, das die Unzufriedenheit zu bündeln vermöge. Unzufrieden sind die Unterdrückten, die Kolonisierten, die Ausgebeuteten - in dieser Lage finden sie sich aber, weil sie letztlich nur Menschen zweiter Klasse sind. Die Derwische mögen unerschrockene Kämpfer sein, und sogar die schwarzen Soldaten können tapfer sein, wenn sie gut geführt werden. Doch dazu sind nur die Briten in der Lage, und nur sie allein können tausend Kilometer Eisenbahngleise in der Wüste zu verlegen, um ihre Truppen zu versorgen; können Kanonenboote in Einzelteilen in den Sudan schicken, um sie auf dem Nil zusammen zu bauen und einzusetzen. So etwas prägt - und also genehmigt sich Churchill umstandslos den unirritierbaren Blick eines Mannes, der den ganzen Sudan nur unter einem einzigen Gesichtspunkt betrachtet, nämlich unter dem der Verfügbarkeit für britische Interessen. Das macht seinen Bericht so erschreckend und bei aller Detailliertheit auch so dürr - er dokumentiert eine Haltung, die ebenso effizient wie erbärmlich ist.
Kreuzzug gegen das Reich des Mahdi
Winston S. Churchill
Die andere Bibliothek, Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2008