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Ferntransport aus Fernost

Umwelt. - Nordamerika strengt sich ähnlich wie Europa an, die Schadstoffemissionen zu drosseln. Dies gilt auch für Ozon, dennoch steigt in einigen Regionen des Halbkontinents die Ozonbelastung rätselhafterweise weiter.

Von Volker Mrasek | 21.01.2010
    20 Forscher aus Nordamerika und Europa könnten das Ozon-Rätsel jetzt gelöst haben. Zumindest liefern sie eine brauchbare These ab, in einer Studie, veröffentlicht im Fachmagazin "Nature". Demnach wird die Luft über Nordamerika von Schadstoffen verschmutzt, die ganz woanders entstehen: im fernen Südostasien. Stickoxide und das daraus entstehende Ozon gondeln von dort quer über den Pazifik, angetrieben vom vorherrschenden Westwind. Owen Cooper, Atmosphärenforscher an der Universität von Boulder in den USA und Erstautor der neuen Studie:

    "Wir haben uns auf die Atmosphärenschicht konzentriert, die wir 'freie Troposphäre' nennen. Das ist in drei bis acht Kilometern Höhe. In diesem Bereich läßt sich am leichtesten feststellen, woher das Ozon stammt, das man dort misst. Dazu benutzt man Programme, die die vorausgegangenen Luftströmungen rekonstruieren. Nach unseren Analysen ist der Ozon-Gehalt der freien Troposphäre über Nordwestamerika um 14 Prozent gestiegen zwischen 1995 und 2008."

    Die Daten stammen vorwiegend aus Flugzeugmessungen und beziehen sich auf die Monate April und Mai. In dieser Jahreszeit sind die meteorologischen Bedingungen so, daß Schadstoffe in Südostasien besonders stark aufgewirbelt und bis in die freie Troposphäre befördert werden, wo der Westwind stark bläst, der berühmte Jet Stream, den auch Flugkapitäne gerne im Rücken haben. Wie Owen Cooper sagt, hat Ozon in diesen Höhen eine mittlere Lebensdauer von vier Wochen ...

    "Wenn sie bis in den Jet Stream gelangen, können Luftschadstoffe den Pazifik in vier bis fünf Tagen komplett überqueren. Wenn sie mit schwächeren Winden in niedrigeren Höhen transportiert werden, dauert es 10 bis 15 oder auch schon mal 20 Tage."

    Das Ozon aus Fernost ist dann in aller Regel noch immer nicht abgebaut. Und die Atmosphärenforscher glauben Indizien dafür zu haben, dass es noch über Nordamerika zu Boden sinkt:

    "Wir wissen aus früheren Studien, daß ein Teil der Luft aus der freien Troposphäre auf jeden Fall bis zum Erdboden gelangt."

    Wie groß dieser Anteil ist, das haben Cooper und seine Kollegen zwar nicht ermittelt. Aber für die Forscher ist das aus Fernost importierte Ozon die einzige plausible Erklärung für die erhöhten Werte an verschiedenen Bodenmessstationen in Kanada und den USA. Dazu passt auch, dass China, Indien und die anderen Länder Südostasiens immer mehr Stickoxide produzieren. Allein von 2001 bis 2006 stieg der Ausstoß der Ozon-Vorläufersubstanzen nach jüngeren Satellitenmessdaten um 44 Prozent. Die Forscher befürchten, dass dies auch in Nordamerika zu Problemen mit der Luftqualität führen wird. So gibt es zum Beispiel gesetzliche Regelungen, wonach die Luft in den Nationalparks der USA langfristig wieder den natürlichen Zustand erreichen soll. Darauf verweist Andreas Stohl vom Norwegischen Institut für Luftforschung. Auch er zählt zu den Autoren der "Nature"-Studie:

    "Das Problem ist, daß die Amerikaner, selbst wenn sie ihre Emissionen auf Null zurückschrauben, den ursprünglichen Zustand einfach nicht mehr herbeiführen können, weil zum Beispiel Luftschadstoffe aus Asien da durchaus ihren Beitrag haben. Also, die werden es einfach nicht schaffen, dieses gesetzlich bindende Werk auch wirklich zu erfüllen."

    Auch Europa erhält zwar unfreiwillige Ozon-Importe. Sie stammen vorwiegend aus Nordamerika. Doch da die Schadstoff-Emissionen dort rückläufig sind, wird das Problem eher kleiner. Die Atmosphärenforscher arbeiten inzwischen an einem umfassenden Bericht über den Ferntransport von Luftschadstoffen für die Vereinten Nationen. Er soll noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.