
Am 4. Oktober 1975 wurde die Fernuniversität in Hagen feierlich eröffnet. Heute ist die Fernuni Hagen die größte staatliche Hochschule in Deutschland. Rund 70.000 Studierende sind derzeit eingeschrieben. Sie können dort nicht nur in zahlreichen Fächern – von Kultur- und Sozialwissenschaften, über Recht, Informatik und Psychologie bis hin zu Wirtschaftswissenschaften – einen Bachelor- oder Masterabschluss machen, sondern auch Zertifikate erwerben und promovieren. Bis heute ist sie die einzige staatliche Fernuniversität in Deutschland.
Wie sich die Lehre an der Fernuni verändert hat
In den 1970er-Jahren schickte die Fernuni ihren Studierenden noch VHS- und Audiokassetten nach Hause. Dazu gab es gedruckte Studienbriefe mit Lernmaterial und Aufgaben, die die Studierenden bearbeiten mussten. Schon in den 1990er-Jahren konnten Prüfungen per Videokonferenz abgelegt werden. Online-Seminare finden seit 2002 statt.
Heutzutage ist der Zugang zum Internet eine Voraussetzung, um das Studium zu absolvieren. Die Lerninhalte werden digital verschickt. Auf digitalen Lernplattformen treffen die Studierenden auf ihre Professoren. Sind Präsenzveranstaltungen nötig – das ist zum Beispiel bei Kommunikationsstudiengängen der Fall – dann stehen in ganz Deutschland Zentren zur Verfügung, wo sich die Studierenden auch untereinander treffen können.
Wem ein Fernstudium neue berufliche Chancen bietet
Die meisten Studierenden sind Menschen, die sich nach der Schule kein Studium zugetraut haben oder die erst im Beruf merken, dass sie ein Studium weiterbringen könnte. Für manche Menschen ist die Fernuni die einzige Möglichkeit, überhaupt zu studieren. Das betrifft vor allem Alleinerziehende, chronisch Kranke, Menschen mit Behinderung oder Gefängnisinsassen. Hinzukommen Berufstätige, die Zusatzqualifikationen erwerben wollen, so wie der deutsche Astronaut Matthias Maurer, der an der Fernuni ein Studium in Wirtschaftswissenschaften abgeschlossen hat. Auch einige Profisportler nutzen die trainingsfreie Zeit zum Studieren, darunter die Leichtathletin Malaika Mihambo oder die Fußballspielerin Kathrin Hendrich.
Da es keinen Numerus Clausus gibt, sind die Abitur-Noten nicht relevant. Voraussetzung für die Bachelorstudiengänge ist lediglich die Fach- oder allgemeine Hochschulreife oder eine berufliche Qualifikation. Das Akademiestudium – vergleichbar mit einem Gasthörerstudium – hat gar keine Zulassungsvoraussetzungen und steht damit allen offen, die sich weiterbilden wollen.
Vor- und Nachteile des Fernstudiums
Dass das Studium an der Fernuni fast ausschließlich online stattfindet, ist kein Nachteil. Letztlich habe das Medium wenig Einfluss auf die Qualität des Lehrens und Lernens, sagt Michael Herres, Professor für Mediendidaktik und Wissensmanagement an der Universität Duisburg Essen. Er hat zu digitaler Lehre geforscht. Lernen über Distanz könne zwar zu guten Lernergebnissen führen. „Aber ein Durchbruch in der Qualitätssteigerung, der hat sich auch in der internationalen Forschung eindeutig nicht gezeigt.“
Entscheidend sei es, die Lernenden zu aktivieren. Sie müssten sich für den Stoff begeistern und bereit sein, sich tief in die Materie hineinzuarbeiten. Deswegen seien „Simulationen, Virtual Reality, Augmented Reality, videobasierte Lehre, interaktives Lernen so wichtig, weil einfach den Studierenden digitale Texte nach Hause zu schicken, wird nicht wirklich die Antwort sein.“ Nicht zu unterschätzen für den Lernerfolg sei der Austausch und die Diskussion, sei es nun online oder in Präsenz.
Die psychischen Anforderungen an die Studierenden einer Fernuni sind hoch. Denn ein Fernstudium erfordert von ihnen ein hohes Maß an Selbstdisziplin. Sie müssen sich ihre Lernzeit selbst einteilen, lernen größtenteils allein und müssen sich immer wieder selber motivieren. Auch die Mehrfachbelastung, Studium, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, ist eine große Herausforderung. Die Abbruchquote bei den Fernstudiengängen ist insgesamt höher als bei Präsenzstudiengängen. Fast jeder Dritte Fernstudent beendet das Studium ohne Abschluss.
rey