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Fester Halt für Zahnimplantate

Medizin. - Zahn-Implantate brauchen einen festen Halt im Kieferknochen. Doch der Knochen kann schwinden, zum Beispiel durch eine Zahnbett-Erkrankung oder durch den Druck, den klassische Dritte Zähne auf den so genannten Kieferkamm ausüben. Um auch in solchen Fällen ein Implantat verankern zu können, muss erst neue Knochensubstanz geschaffen werden. Neueste Methoden verwenden dabei Wachstumsfaktoren.

    Von Renate Ell

    Für kleine Fehlstellen eignet sich mineralisches Knochenersatzmaterial, etwa aus gemahlenem Rinderknochen. Um ausgedehnte Schwachstellen zu verstärken, gibt es zwei Möglichkeiten, Ersatz aus körpereigenen Ressourcen zu schaffen. Professor Henning Schliephake von der Universität Göttingen:

    Es gibt einen so genannten "goldenen Standard", und das ist immer noch der körpereigene Knochen. Der Nachteil des körpereigene Knochens ist aber, dass ich ihn entnehmen muss am Körper, ich brauche also einen zweiten Ort, wo ich einen zusätzlichen chirurgischen Eingriff machen muss, das kann am Kiefer sein, das kann in ausgedehnten Fällen am Beckenkamm sein, und damit natürlich auch verbunden eine zumindest potenziell erhöhte Komplikationsrate im Bereich der Operationsstelle wo ich den Knochen entnommen habe.

    Die zweite, noch junge Technik basiert auf einem Verfahren, mit dem man früher Beine verlängert hat.

    Man nutzt die Regenerationsfähigkeit des Knochens, indem man eine Art künstlichen Bruchspalt schafft. Jeder weiß, dass Knochen in einem Bruchspalt normalerweise heilt, er füllt sich wieder mit Knochen. Ich kann das gleiche auch mit dem Kieferkamm machen, indem ich entsprechende kleine, miniaturisierte Geräte verwende, die auf den Kieferkamm geschraubt werden, und die praktisch in der Mundhöhle durch das Zahnfleisch hindurch eine kleine Schraube haben an der ich drehen kann. Das geht sehr gut, lässt sich auch gut pflegen, das ist eine relativ komplikationsarme Technik, auch wenn sie sehr anfällig erscheint. Und die Patienten können dann selbst zweimal am Tag an dem Schräubchen drehen, und dann bewegt sich der Kieferkamm um 1 mm nach oben.

    Nach 8 bis 12 Wochen ist der neue Knochen so stabil, dass er ein Implantat halten kann. Beim Einsetzen des Implantats muss der Knochen aber zwangsläufig verletzt werden. Mit körpereigenen Wachstumsfaktoren aus Blutplättchen versucht man deshalb seit kurzem, die Heilung und das Einwachsen der künstlichen Zahnwurzel zu beschleunigen. Bei Knochentransplantationen hatte man mit diesen hormonähnlichen Substanzen gute Erfahrungen gemacht. Sie lassen sich durch Zentrifugieren aus dem Blut des Patienten gewinnen, so Schliephake:

    Wenn man dieses Plättchenkonzentrat zum Beispiel mit körpereigenem Knochen zusammen einsetzt, dann kann man erreichen, dass diese Zellen, die mit diesem Knochentransplantat mit verpflanzt werden, aktiver werden, dass sie sich stärker vermehren, dass die Knochendichte in diesem Transplantat zunimmt. Das hat dazu geführt, dass man geglaubt hat, wenn man dieses Plättchenkonzentrat auch mit Implantaten einsetzt, oder mit Knochenersatzmaterialien, dass man dann eine raschere Knochenneubildung kriegt. Das ist aber bisher wissenschaftliche nicht nachgewiesen.

    Henning Schliephake setzt seine Hoffnungen deshalb eher auf gentechnisch gewonnene Wachstumsfaktoren, die Bone Morphogenic Proteins, kurz BMP. Sie sind für die Behandlung schlecht heilender Beinbrüche zugelassen, aber noch nicht für die Kiefer-Chirurgie. Tierexperimente für diese Anwendung waren vielversprechend, aber es sind noch Fragen offen. Vor allem die, auf welchem Weg oder mit welchem Trägermaterial die BMPs in die Knochenwunde hineinkommen.

    Wie lange es noch dauern wird, bis die vielversprechenden Wachstumsfaktoren ihre Wirkung im menschlichen Kieferknochen entfalten können, ist unklar, meint Schliephake:

    Das ist eine schwierige Frage. Seit Jahren heißt es immer, die kommen nächstes Jahr.