Dienstag, 19. März 2024

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Festival KlangART-Vision in Sachsen-Anhalt
Politisch gewollt

Das Kulturministerium in Sachsen-Anhalt strich die Fördermittel für das "Impuls"-Festival, man wolle in Zukunft kleinere Projekte für Musik der Gegenwart im Land fördern. Nun liegen die Mittel beim Festival "KlangART-Vision" - "kleiner" ist diese Reihe jedoch nicht: eine Entscheidung mit Beigeschmack.

Von Claus Fischer | 26.04.2021
    Eine Frau mit dunklen Haaren und Augen lehnt an einer weißen Wand mit schwarzen, leicht gewellten Linien, schaut in die Kamera und hält die Hände vor der dem Oberkörper leicht aneinander.
    Die Pianistin Elena Baskirova ist Artist in Residence beim Musikfestival KlangART-Vision im Jahr 2021. (Nikolaj Lund)
    Das Eröffnungskonzert des Festivals von KlangART-Vision hatte nichts mit dem zu tun, was in der Klassikszene unter "Neuer Musik" verstanden wird. Auf dem Programm der Anhaltischen Philharmonie, das aus dem Theater in Dessau live im Internet gestreamt wurde, standen Werke der klassischen Moderne, darunter die "Ouvertüre über hebräische Themen" von Sergej Prokofjew oder die Filmmusik zu "Schindlers Liste" von John Williams. Das "neueste" Werk war zugleich das interessanteste, die 1971, also vor 50 Jahren entstandene Rhapsodie für Klavier und Streicher von Paul Ben-Haim, der aus Nazideutschland nach Palästina emigrierte.
    "Paul Ben-Haim erwarb sich große Verdienste im Aufbau der klassischen Musikszene in Israel als bedeutender Komponist, Dirigent und Pädagoge" erzählte der Dessauer Generalmusikdirektor Markus L. Frank, der das Konzert auch moderierte. "Hatte er sich in Deutschland ganz am spätromantischen Stil eines Gustav Mahler oder Richard Strauss orientiert, sind die Kompositionen von Ben-Haim vielmehr von jüdischer und arabischer Melodik und Rhythmik beeinflusst."
    Der Pianist Alexander Koryakin und die Anhaltische Philharmonie unter Markus L. Frank erschlossen dem Publikum Paul Ben-Haims Rhapsodie mit großer Vitalität und dem nötigen Gespür für die teils komplizierten Rhythmen. "Unser Motto ist eigentlich "Brücken bauen", sagt der künstlerische Leiter von KlangART-Vision Markus Steffen. So kooperiert er in dieser zweiten Saison mit den Organisatoren des Festjahres "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland". "Weil wir damit den kulturellen Reichtum unserer Gesellschaft aufzeigen, unseres Landes. Daraus ergibt sich natürlich die Programmierung."

    Ein merkwürdiger Beigeschmack

    Als Artist in Residence konnte Markus Steffen die Pianistin Elena Bashkirova gewinnen, die Ehefrau von Daniel Barenboim. "Ich kenne Herrn Barenboim und Frau Bashkirova seit über zwanzig Jahren und habe schon früher mit ihnen zusammengearbeitet und dadurch waren die Wege kurz."
    Markus Steffen hat etliche Jahre im Management einer Schallplattenfirma gearbeitet. 2008 rief er die "Filmmusiktage Sachsen-Anhalt" ins Leben, ein Festival, das von der "International Academy of Media and Arts" mit Sitz in Halle an der Saale verantwortet wird und sich im Kulturleben des Landes sehr erfolgreich etabliert hat. Da verwundert es nicht, dass Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra mit einem recht freundlichen Grußwort auf der Internetseite des Festivals KlangART-Vision vertreten ist. Markus Steffen hat mit dieser Protektion durch die Politik keine Probleme: "Die Genese war, dass uns das Land gefragt hat, ein Konzept zu entwickeln, wie man neue zeitgenössische Musik besser noch weiter in die Welt verbreiten kann. Mit unseren Möglichkeiten haben wir dann ein Konzept daraus entwickelt, was für gut befunden worden ist."
    Die Tatsache, dass Kulturminister Rainer Robra und sein Staatssekretär Gunnar Schellenberger kürzlich die 300.000 Euro Fördergeld für das landesweite Festival IMPULS gestrichen haben - mit der Begründung, in Zukunft kleinere, dezentrale Projekte zu fördern - gibt dem Ganzen einen merkwürdigen Beigeschmack. Denn ein Festival mit einer Gallionsfigur wie Elena Bashkirova entsprich dem sicher nicht. Zumal – völlig anders als beim Festival IMPULS - kaum Werke der gegenwärtigen Avantgarde im Programm zu finden sind. Markus Steffen ist sich dessen als künstlerischer Leiter durchaus bewusst. "Wenn wir natürlich Neue Musik nach dem Adorno-Duktus nehmen, dann schränken wir uns schon wieder ein und würden uns eher einengen in der ganzen Geschichte. Die Komponisten, die heute komponieren, sind natürlich auch unter dem Einfluss von Jimi Hendrix und Pink Floyd groß geworden, und lassen vielleicht mitunter auch einfließen."

    "Musik muss gehört werden!"

    Diese Position von Markus Steffen kann man als ein Plädoyer für den neoklassischen Stil in der Gegenwartsmusik werten, der von Puristen der Avantgarde als Verflachung betrachtet wird. Es ist anzunehmen, dass auch im Kulturministerium Sachsen-Anhalts eine gewisse Vorliebe in Sachen Popularisierung besteht. Zumal man mit einer solchen Ausrichtung eines Neue-Musik-Festivals auch Zugeständnisse an die AfD macht, die im Landtag stark vertreten ist und die eine kritische Avantgarde ablehnt. Markus Steffen ist eine solche Strategie allerdings definitiv nicht anzulasten. Dass ihm eine populärere Ausrichtung als bei IMPULS aber wichtig ist, gibt er gerne zu: "Musik muss gehört werden! Und wenn dann die Medien helfen, wo wir zweifelsohne auch ein Medienkonzept aufgestellt haben, ergänzt sich das!"
    In diesen Tagen der Pandemie, in denen öffentliche Veranstaltungen nicht möglich sind, ist die gute mediale Aufbereitung der Konzerte des Festivals KlangART-Vision in der Tat lobend zu erwähnen. Zumal es zur Musik einen nützlichen "Mehrwert" gibt. Markus Steffen: "Jeder der Künstler und Künstlerinnen erklärt auch das, was er macht, weil gerade der Zugang zur Neuen Musik oder unbekannten Musik ist dann doch nicht so umfassend wie man vermutet."
    Ein Konzertflügel mit Bank in einem  leeren Raum ohne Musiker und ohne Publikum.
    Immenser Schaden für die Musikszene Sachsen-Anhalts Dem Impuls Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt droht in seinem 13. Jahr das Aus: Das Ministerium für Kultur hat dem Antrag auf Förderung nicht stattgegeben. Ein verheerendes Signal, kommentiert Claus Fischer.
    Immerhin – eines der drei ersten Konzerte des Festivals präsentierte den Nachwuchs der Szene der Gegenwartsmusik des Landes. Zu erleben war das Ensemble Junge Musik Sachsen-Anhalt, gegründet und geleitet vom Magdeburger Komponisten Caspar René Hirschfeld. Er beschrieb dessen Repertoire so: "Alles, was würde ich mal sagen, nach 1950 mit etwas experimentelleren Kompositions- und Spieltechniken zu tun hat. Das Ensemble bietet Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, diese Musik kennenzulernen, sich darin auszutesten, auch zu lernen, wie man sie spielt. Weil da gibt’s auch teilweise andere Spieltechniken als bei Mozart und Bach."
    Das Konzert mit dem Ensemble "Junge Musik Sachsen-Anhalt" hätte ebenso gut im Rahmen des Festivals "Impuls" für Neue Musik stattfinden können. Im Kontext des weit populärer ausgerichteten Gesamtprogramms von KlangART-Vision fällt es allerdings wenig ins Gewicht. Dessen ist sich auch Markus Steffen bewusst und bedauert, dass dieses Festival in Sachsen-Anhalt nun wohl nicht mehr stattfinden kann: "Es befruchtet. Nicht nur das Land, sondern die ganze Musikszene, wir brauchen sowas!" Dass Kulturminister Robra die Förderung für "Impuls" eingestellt hat, hängt – das steht zu vermuten – auch mit dessen Intendanten zusammen, dem Niederländer Hans Rotman. Er gilt in der Magdeburger Staatskanzlei als menschlich schwierig. Da muss sich Markus Steffen als Intendant des Festivals KlangART-Vision schon die Frage gefallen lassen, ob er denn "pflegeleichter" als Rotman sei. "Ich glaube nicht, weil ich habe ganz klar auch meine musikalischen und künstlerischen Visionen, die ich gerne umsetzen möchte und lass mir auch ungern reinreden."
    Auf jeden Fall ist – das lässt sich als Fazit sagen, das neue Festival KlangART-Vision in Sachsen-Anhalt politisch gewollt, das Festival IMPULS definitiv nicht mehr.