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Festnahme in Frankreich
Wasser auf die Mühlen des Front National

Die Festnahme des mutmaßlichen Attentäters von Brüssel, der dort im Jüdischen Museum drei Menschen tötete, schlägt in Frankreich politisch hohe Wellen. Der Fall hat auch einen Einfluss auf die Debatte über die Reform des Strafrechts, die morgen im französischen Parlament beginnt.

Von Ursula Welter | 02.06.2014
    Die französische Justizministerin Christiane Taubira am 23. Dezember 2013.
    Die französische Justizministerin Christiane Taubira will eine schwierige Justizreform durchsetzen. (picture alliance / dpa / Christophe Petit Tesson)
    Für den extremen Front National ist die Festnahme des mutmaßlichen Täters von Brüssel eine klare Angelegenheit:
    "Die Regierung ist nicht in der Lage, die Franzosen vor den aktuellen Bedrohungen zu schützen, sie will aus ideologischen Gründen nichts tun."
    Für die Partei von Marine Le Pen, die bei den Europawahlen in Frankreich stärkste Kraft wurde, ist das die Stunde, erneut nach Wiedereinführung der Grenzkontrollen in Europa, nach Spezialgefängnissen und nach Aberkennung der Staatsbürgerschaft für die Täter zu rufen. Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve tat auch deshalb alles, um zu zeigen, dass die Sicherheitsbehörden am Ball bleiben.
    "Es gab Festnahmen in der Region Île de France und im Süden des Landes, Leute, die andere anwerben und auf die Dschihadisten-Bühne in Syrien vorbereiten wollten."
    Vier Festnahmen, die der Innenminister allerdings nicht in direktem Zusammenhang mit den Ermittlungen um die Morde im jüdischen Museum von Brüssel stellen wollte.
    Der mutmaßliche Täter von Brüssel ist weiter in Untersuchungshaft in Frankreich, Belgien hat die Auslieferung des 29 Jahre alten Franzosen beantragt, der am vergangenen Freitag am Busbahnhof von Marseille von Zollbeamten kontrolliert und entdeckt worden war. Bei dem Verdächtigen waren Schusswaffen gefunden worden, die das gleiche Kaliber haben wie die Tatwaffen; außerdem Kleidungsstücke, die jenen ähneln, die auf den Überwachungskameras des jüdischen Museums zu sehen sind; außerdem ein Video, in dem die Tat von einer männlichen Stimme eingeräumt wird, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Festgenommenen zuzuordnen ist.
    Übereinstimmende Indizien, die den Tatverdacht erhärten, sagte gestern der Pariser Staatsanwalt Francois Molins.
    Die französischen und belgischen Behörden ermitteln derzeit eng abgestimmt und gehen vor allem der Frage nach, wie der mutmaßliche Täter seine Reisen nach Syrien und zurück nach Europa, die ihn jeweils über zahlreiche Zwischenstationen führten, aber auch wie er seine Waffen und seine technische Ausrüstung finanzieren konnte.
    Die Innenminister Frankreichs und Belgiens hatten gestern Abend in Paris gemeinsam erklärt, dass alles getan werde, um weiteren Tätern auf die Spur zu kommen und vor allem die Wege derer zu kreuzen, die sich radikalen Gruppierungen in Syrien anschließen und zu Anschlägen in Europa bereit und ausgerüstet sind. Allein in Frankreich werden rund 600 Personen diesen Dschihadisten-Kreisen zugerechnet.
    Ab morgen wird das französische Parlament die lange geplante Strafrechtsreform debattieren. Justizministerin Taubira plant Alternativen zur Gefängnisstrafe, weil sie auf dem Standpunkt steht, dass viele der Täter erst in den Gefängnissen Kontakt zu radikalen Kreisen bekommen. In der eigenen Partei ist die Reform umstritten, auch der Premier und frühere Innenminister ist skeptisch, von der Opposition ganz abgesehen. So finden die Beratungen in politisch schwierigem Umfeld statt. Für die Chefin des Front National ist auch das Wasser auf die Mühlen:
    "Ich bin entrüstet angesichts der verblüffenden Naivität unserer Regierung", sagte Marine Le Pen im Sender "France Info".