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Festnahme von Autor Doğan Akhanli
Berlin will Auslieferung an Türkei verhindern

Der deutsche Schriftsteller Doğan Akhanli ist in Spanien festgenommen worden - auf Verlangen der türkischen Justiz. Akhanlis Anwalt spricht von einem "politischen Verfahren" und einem "rechtsmissbräuchlichen" Vorgehen der Türkei. Die Deutsche Botschaft bittet darum, dass der Autor nicht an die Türkei nicht ausgeliefert wird.

19.08.2017
    Akhanli vor einem dunklen Hintergrund, er trägt ein Mikorofon-Headset.
    Doğan Akhanli, hier auf einer Veranstaltung in Köln im vergangenen März. (picture alliance / dpa / Henning Kaiser)
    Der türkischstämmige Kölner Schriftsteller Doğan Akhanli ist auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenommen worden. Sein Anwalt Ilias Uyar sagte in der DLF-Sendung Kultur Heute, Akhanli sei während eines Urlaubs heute früh in seinem Hotel in der Stadt Granada von der Polizei abgeholt worden und befinde sich nun in Gewahrsam. Er habe mit seinem Mandanten noch nicht telefonieren und auch keine Unterlagen einsehen können, wolle morgen aber zu einer Anhörung vor Gericht nach Granada fliegen.
    Nahaufnahme von Akhanlis Gesicht, er redet vor einer weißen Wand.
    Akhanli im Jahr 2011 in seiner Heimatstadt Köln. (Oliver Berg / dpa)
    Uyar sprach von einem politischen Verfahren. Er äußerte die Vermutung, dass Akhanli wegen früherer Äußerungen zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich von der Türkei verfolgt werde. Der Anwalt warf der türkischen Justiz vor, "klar rechtsmissbräuchlich" zu agieren. Sie instrumentalisiere Interpol, um Oppositionelle und Dissidenten im Ausland zu verfolgen und zu jagen. Sie versuche, die Schlinge immer weiter zuzuziehen und wolle der Menschen habhaft werden, egal in welchem Land sie sich aufhielten.
    "Handlanger der türkischen Justiz"
    Auch die spanischen Behörden kritisierte der Anwalt scharf. Die dortige Polizei mache sich mit der Verhaftung Akhanlis bereitwillig zum Handlanger der türkischen Justiz. In Deutschland wäre sein Mandant aufgrund der schlechten Menschenrechtslage in der Türkei sicher nicht festgenommen worden, meinte Uyar. Erst kürzlich sei sein Mandant ohne Probleme nach Holland, Frankreich und Griechenland gereist.
    Deutsche Botschaft: Akhanli nicht ausliefern
    Die Bundesregierung schaltete sich in den Fall ein. Die deutsche Botschaft in Madrid bat die spanische Regierung, Akhanli nicht an die Türkei auszuliefern. Man habe auch darum gebeten, am Auslieferungsverfahren beteiligt zu werden und Akhanli schnellstmöglich konsularisch betreuen zu können, hieß es in Berlin. Dem «Spiegel» zufolge werteten Sicherheitskreise die Festnahme als erneuten Affront der Türkei gegen Deutschland.
    Altes Verfahren als Grundlage
    Grundlage des türkischen Dringlichkeitsvermerks - der sogenannten 'Red Notice' - ist nach den Angaben von Akhanlis Anwalt ein altes Verfahren. Akhanli war im Jahr 2010 in der Türkei festgenommen worden, weil ihm die Beteiligung an einem Überfall vorgeworfen wurde. In der anschließenden Gerichtsverhandlung hatte sich demnach aber zweifelsfrei herausgestellt, dass der Autor zum Zeitpunkt der Tat schon gar nicht mehr in der Türkei war. Akhjanli wurde deshalb freigesprochen. Die türkische Staatsanwaltschaft habe den Fall dennoch bis zum türkischen Appellationsgericht vorangetrieben, so Uyar.
    Akhanli wird im Freien von zwei Polizisten entlang von Absperrgittern durch eine Menschenmenge geführt.
    Akhanli nach seiner Festnahme im Jahr 2010 auf dem Weg zu einem Gericht in Istanbul. (dpa / Riza Aydogmus)
    Mit einer 'Red Notice' können sich Interpol-Mitgliedsstaaten gegenseitig auffordern, eine gesuchte Person ausfindig zu machen und vorläufig festzunehmen. Es handelt sich aber nicht um einen Suchauftrag im Namen von Interpol und auch nicht um einen internationalen Haftbefehl. Laut Interpol entscheiden die Länder selbst, wie sie mit einer 'Red Notice' umgehen.
    Die Zentrale aus der Luft fotografiert.
    Die Interpol-Zentrale in Lyon (EPA FILE)
    "Paranoide Züge" Erdogans
    SPD-Kanzlerkandidat Schulz sprach von einem ungeheuerlichen Vorgang. Das Verhalten des türkischen Präsidenten Erdogan trage inzwischen paranoide Züge, sagte Schulz der "Bild am Sonntag". Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck teilte mit, das türkische Vorgehen sei "eindeutig rechtsmissbräuchlich". Er forderte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel auf, sich unverzüglich für Akhanlis Freilassung einzusetzen. Gabriel war am Vortag als Reaktion auf den Terroranschlag in Barcelona nach Spanien gereist. "Wie weit wollen wir Erdogan in Europa noch kommen lassen?", fragte Linke-Chefin Katja Kipping auf Twitter.
    Die Schriftstellervereinigung PEN teilte mit, das Verfahren gegen Akhanli sei "eindeutig politisch motiviert". Vizepräsident Sascha Feuchert forderte die spanischen Behörden auf, den Autor keinesfalls an die Türkei auszuliefern.
    Die Festnahme Akhanlis belastet die ohnehin schlechten Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei zusätzlich. Derzeit sorgt auch eine Einmischung des türkischen Präsidenten Erdogan für Verstimmungen: Der Staatschef hatte davon abgeraten, bei der Bundestagswahl für CDU, SPD oder Grüne zu stimmen, da diese Parteien Feinde der Türkei seien. Bundeskanzlerin Merkel und Kanzlerkandidat Schulz hatten sich daraufhin jede Einmischung in die Meinungsbildung verbeten.
    Akhanli schon in den 80ern im Untergrund
    Doğan Akhanli war nach seiner vorübergehenden Festnahme 2010 nach Deutschland geflohen. Er besitzt inzwischen ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft. Schon in jungen Jahren galt er als Staatsfeind: Nach dem Militärputsch in der Türkei 1980 ging er in den Untergrund, 1985 bis 1987 saß er als politischer Häftling im Militärgefängnis von Istanbul.
    In seinen Romanen, in Aufsätzen und Interviews sowie in Projekten setzt sich Akhanli sich immer wieder für den wahrhaftigen Umgang mit historischer Gewalt und für die Unteilbarkeit der Menschenrechte ein. Ein häufig wiederkehrendes Thema ist dabei die Verfolgung der Armenier im damaligen Osmanischen Reich.