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Feuchte Ernte

Die Maschinen des Verarbeitungsbetriebes für Muscheln in Dagebüll an der schleswig-holsteinischen Nordsee laufen in diesem Jahr auf vollen Touren. 15 bis 20 Tonnen werden hier täglich in großen Behältern vom Sand befreit. Dabei nutzt man die Biologie der Miesmuscheln, die als die Filtrierer des Meeres bekannt sind, weil sie innerhalb einer Stunde ein Liter Wasser aufnehmen und wieder abgeben können, erläutert Sandra Rosenbauer von der Geschäftsleitung der Föhrer Muschel GmbH:

Annette Eversberg | 03.11.2003
    Die Entsandung erfolgt eben dadurch, dass die Muscheln, wenn sie sich öffnen, dass sie die Filtertätigkeit und ihre Nahrungsaufnahme wieder aufnehmen, und dann wird der Sand halt rausgespült.

    Bis zum Ende der Muschelsaison im April 2004 rechnet die Erzeugergemeinschaft der Muschelfischer im nordfriesischen Wattenmeer damit, dass bis zu 20.000 Tonnen Miesmuscheln angelandet und verarbeitet werden können. In der letzten Saison waren es dagegen nur 7300 Tonnen. Ein Grund ist, dass die Fischer 2001 wieder Muschelsaat fischen konnten, die sie auf ihre Kulturen gebracht haben. Sandra Rosenbauer:

    Die Saat wächst im Wattenmeer ran. Es gibt so bestimmte Stellen, wo wir die Muscheln finden. Das hat mit Strömungsverhältnissen zu tun. Auch von der Jahreszeit unterschiedlich, wo die anschwemmen. Und dort können wir sie dann auffischen, wenn sie groß genug sind und bringen sie dann auf die Kulturen. Also es werden keine fremden Saatmuscheln hier ausgebracht.

    Das verhindert, dass fremde Arten oder Parasiten eingeschleppt werden. Diesen ökologischen Anforderungen müssen sich die Muschelfischer unterwerfen. Auch die Verweildauer auf den Kulturen ist gesetzlich festgelegt:

    Wenn man die Saat ausbringt, müssen sie mindestens ein Jahr auf der Kultur liegen und dürfen nicht angefasst werden. Das wird auch streng kontrolliert, das kann man auf Blackbox-Systemen alles nachvollziehen. Das lesen die Ämter dann aus. Da darf nicht rangegangen werden.

    Aber auch die Muschelfischer selber sind aber daran interessiert, dass die Fischerei nachhaltig ist und die Kulturen richtig gepflegt werden, betont Sandra Rosenbauer:

    Man kann eigentlich sagen: Landwirtschaft unter Wasser. Zum einen bringen wir sie auf die Kulturen, wo die Schale sehr hart wird, wo ziemlich viel Strömung ist. Kurz bevor wir sie dann ernten wollen, bringen wir sie auf Kulturen, wo sehr nahrungsreiches Wasser ist. Da muss schon eine ganze Menge der Muschel gemacht werden.

    Den genauen Grund für das gute Wachstum in diesem Jahr können die Fachleute nicht nennen. Dennoch kann man sagen, dass das Nahrungsangebot im Wattenmeer in diesem Jahr für die Muscheln besonders gut war. Allerdings können Muscheln auch innerhalb weniger Wochen ihr Gewicht verdoppeln. Besonders im kühlen Wasser. Daher ist das Muschelwachstum auch noch nicht zuende. Die Verbraucher dürfen sich freuen. Auch auf die Qualität. Denn Muscheln, die mit dem Meerwasser natürlich auch alles aufnehmen können, was sich daran befindet, werden ständig überwacht, erläutert der zuständige schleswig-holsteinische Umweltminister Klaus Müller:

    Wir kontrollieren zweimal im Jahr, in der Regel im März und Oktober, die Muscheln auf eine ganze Reihe von Schwermetallen, Pestizide, Microbiologie, Radioaktivität, Algentoxine. Es gibt eine ganze Palette, wo regelmäßig zweimal im Jahr unsere Muscheln kontrolliert werden.

    Wichtig ist jedoch auch die Logistik. Nach der Ernte und der Verarbeitung haben die Miesmuscheln eine Haltbarkeit von etwa 7 Tagen. Innerhalb von spätestens 48 Stunden sind sie bei den Groß- und Einzelhändlern. Von Nordfriesland bis nach Österreich. Zwar ist der Winter die Hauptzeit für die Muschelwirtschaft. Doch die sprichwörtlichen Monate mit R sind heute nicht mehr von Bedeutung. Durch die Kühlwagen und die Kühlung in den Geschäften können Muscheln, die reich an Eiweiß, und daher auch leicht verderblich sind, auch im Sommer geerntet und verzehrt werden. Beliebt sind die großen Muscheln, die bis zu 4 cm lang sind. Doch mit 4,50 Euro pro Kilo unter Umständen auch teuer. Die Größe besagt zwar, dass der Fleischanteil besonders hoch ist. Sandra Rosenbauer macht jedoch vor, dass diese Rechnung, bei der etwa 60 bis 70 Stück auf ein Kilo gehen, nicht unbedingt aufgeht:

    Die kleineren Muscheln sind natürlich auch voll. Nur dass man da zwischen 70 und 90 auf einem Kilo hat. Wenn man dann das Fleisch kocht, auspult und wiegt, hat man im Grunde durch die höhere Stückzahl eben mehr.