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Feuer im Sumpf

In der spanischen Region La Mancha wütet ein Feuer - und zwar ausgerechnet im Nationalpark Tablas de Daimiel. Dieser Park stand vor einigen Jahren noch unter Wasser und war eines der größten Feuchtgebiete in ganz Europa.

Von Hans-Günter Kellner |
    Ein Otter planscht im Wasser des spanischen Nationalparks Tablas de Daimiel. Eine solche Szene lässt sich nur noch in alten Naturfilmen bestaunen. Kaum vorstellbar auch, was zwei alte Anwohner des ehemaligen Feuchtgebiets erzählen:

    "Wie schön war die Natur hier. Das Wasser war glasklar, sauber. Wir badeten uns hier. Um Freunde zu besuchen, nahmen wir das Boot. Wir haben Krebse gefangen, Fische. In diesem kristallklaren Wasser fand man die Fische leicht. Das war wunderbar."

    So lang sind diese Zeiten gar nicht her. Bis vor wenigen Jahren noch standen weite Teile des 2000 Hektar großen Naturschutzgebiets unter Wasser, konnte man sich nur in Booten oder auf Stegen fortbewegen. Frösche quakten, Zugvögel machten Rast auf ihrem Weg von Europa nach Afrika. Heute ist der Park trocken, erklärt Luis Moreno vom spanischen Institut für Geologie und Minen, der den Naturpark seit Jahren untersucht:

    "Die Veränderungen sind spektakulär. Der ganze Park war vor wenigen Jahren noch eine ebene Fläche. Jetzt ist er voller Risse, die einen oder eineinhalb Meter tief und bis zu einem halben Meter breit sind. Sie werden täglich größer. An zahlreichen Stellen fällt der Boden völlig in sich zusammen. Es ist eine Landschaft wie auf dem Mond. Oder wie ein Eierkarton. Es wird sehr lange dauern, bis die Bodenerosion das Gebiet wieder ebnet."

    Dabei hatte es rund 300.000 Jahre gedauert, bis sich diese ebene Landschaft geformt hatte. Zumal nicht nur die Trockenheit den Boden zerstört: Ein merkwürdiger Brand frisst sich durch das Naturschutzgebiet. Aus den Rissen und Löchern im Boden steigt Rauch auf. Der Grund: Die Trockenheit verändert den Torfboden stark. Die unteren Schichten glimmen wie eine Zigarette, sagt Wissenschaftler Luis Moreno:

    "Torf ist eine Art Kohle. Er entsteht aus den Pflanzen, die sonst im Wasser wachsen. Irgendwann sinken diese Pflanzen zu Boden. Dort fehlt jedoch der notwendige Sauerstoff, sie zersetzen sich nicht. Diese organische Masse sammelt sich an. Torf entsteht. Jetzt fehlt das Wasser. Der Torf trocknet aus. Durch die Risse erhält er Sauerstoff. Selbst wenn er noch sehr feucht ist, kann er schon glimmen. Wir haben schon eine Feuchtigkeit von unter zehn Prozent gemessen. Da entzündet sich der Torf selbst."

    Auch der Herbstregen werde den Brand nicht löschen können, erklärt Morales. Denn der schwelende Torf weise Feuchtigkeit ab. Das ganze Gebiet müsse überschwemmt werden. Dies sei nur möglich, wenn die Behörden Wasser über Kanalleitungen in das Gebiet transportierten. Spaniens Regierung plant dies für Januar. Ohne regelmäßige Wasserzuleitungen stirbt das Naturschutzgebiet ohnehin.

    "Die Natur alleine wird die Tablas de Daimiel nicht mehr herstellen können. Früher stand das Grundwasser über einen Meter hoch über dem Boden des Nationalparks. Heute ist es durch die vielen Brunnen der Landwirte in der Umgebung um bis zu 25 Meter abgesunken. Wir müssen also die Bewässerungslandwirtschaft deutlich reduzieren. Zudem müssen wir Wasser herbeischaffen, bis sich das Grundwasser wieder erholt. Erst wenn das Grundwasser wieder den Boden der Tablas von Daimiel erreicht, haben wir den Nationalpark gerettet."

    Spaniens Regierung hat den Bauern der Umgebung bereits 14 Quadratkilometer Land abgekauft und die Brunnen stillgelegt. Doch der Grundwasserstock, aus dem sich die Tablas de Daimiel speisen, erstreckt sich auf über 5.000 Quadratkilometer, sagt Luis Moreno. Carlos Ruiz, der Direktor des Parks, ist darum skeptisch, ob sich die Tablas de Daimiel überhaupt jemals erholen werden. Auf ein von ihm vorgelegtes Gutachten hat das spanische Umweltministerium auf seine Weise reagiert: Es hat ihm ein Interviewverbot erteilt. In einem seiner letzten Gespräche mit dem spanischen Fernsehen sagte er im August:

    "Wenn man diesen Nationalpark sterben lässt, dann wäre das wohl ein einzigartiger Vorgang auf der Welt. Das spanische Parlament hatte diese Gegend per Gesetz vor 37 Jahren zum Schutzgebiet ernannt. Es hat also die Behörden verpflichtet, dieses Feuchtgebiet zu schützen. Es wäre nicht zu akzeptieren, wenn sie es jetzt sterben lassen."