Archiv


Feuerfest und gemütlich

An der Fachhochschule Lübeck haben Architekturstudenten und ihr Professor ein Haus ganz aus nachwachsenden Rohstoffen gebaut. Es soll nicht nur Jahrhunderte halten, sondern auch besonders feuerfest sein.

Jens Wellhöner |
    Ein Haus aus nachwachsenden Rohstoffen bauen, und dabei auch noch selbst mit Hand anlegen: Für Architekturstudent Andreas Hübner ist ein Traum wahr
    geworden: Im Juni haben er und seine Kommilitonen das kleine Haus aus Holz, Reet und Lehm mitten auf dem Campus der Fachhochschule Lübeck gebaut. Andreas Hübner ist stolz:

    Ich denke, das Haus ist schon ein Hingucker. Mal was anderes, mit dem Reetdach und der Holzfassade. Sieht kuschelig aus.

    15 Quadratmeter ist das Haus groß. Von weitem sieht es so aus, als würde es auf Eisenbahnschotter stehen. Unter der Holzkonstruktion liegen viele kleine graue Steine. Bauleiter Professor Georg Conradi:

    Um den kalten Wind abzuhalten, haben wir das Haus unten mit Schaumglasschotter aufgefüllt. Das ist aufgeblähtes Altglas. Federleicht.

    Und das Schaumglas hält auch die Feuchtigkeit des Bodens ab. Aber das besondere an der Konstruktion sind die Holzwände. Sie sind 32 Zentimeter dick. Da kann keine Wärme nach außen entweichen, versichert Architekturprofessor Conradi. Eine völlig neue Entwicklung ist das Reetdach: Normalerweise muss zwischen Reet und Dachplatten ein Zwischenraum gelassen werden, damit die Halme nicht faulen. Die Studenten haben diesen Raum einfach weggelassen und das Reet gleich auf dicke Holzplatten gebunden. Der Grund: Herkömmliche Reetdächer können zu schnell abbrennen. Nicht so hier. Georg Conradi:

    Die Reethalme werden abbrennen, das Dach aber wird nicht durchbrennen. Es wird angekokelt, verlöscht sich aber selber nach 60 Minuten. Das Haus wird also nicht zerstört.

    Die hölzernen Dachplatten sind über 20 Zentimeter dick, sie können gar nicht durchbrennen: Das versichert auch Student Jens Polanetz. Er schreibt seine Diplomarbeit über das neue Haus. Das Haus ist für ihn fast schon so etwas wie "sein Kind":

    Auf jeden Fall. Ich habe sogar hier eine eigene Fläche mit decken können. Das waren einfach so Situationen wo ich sage: Das bringt mir sehr viel, da selber mit Reet zu decken. Das war eine sehr schöne Erfahrung.

    Ökologisches Bauen fasziniert Jens Polanetz. Schon als Kind habe er mit Holz experimentiert, erzählt er schmunzelnd. Das Hausprojekt bietet ihm die Möglichkeit, seine Erkenntnisse ganz praktisch umzusetzen.

    Ich bin fest davon überzeugt, wenn man hier einziehen würde, dass man dann durch das Raumklima ganz anderes den Tag erlebt. Und ganz anders auch den Tag startet nach so einer Nacht hier. Ich werde das auch testen.

    Jens Polanetz möchte sobald es geht selber im Haus schlafen. Bis dahin müssen er und seine Kommilitonen aber noch Luftfeuchtigkeit und Raumklima messen. Jetzt im feuchtkalten Herbst beginnt die Bewährungsprobe für das Lieblingsprojekt des Architekturstudenten. Wenn die Messungen erfolgreich sind, kann das neue Hausmodell in ein bis zwei Jahren in Serie gehen. Nur vier Wochen brauch man für den Bau eines 70-Quadratmeter-Hauses. Und es hält Jahrhunderte, versichert Jens Polanetz. Nur alle 50 Jahre müsse man die Fassade erneuern. Selber vermarkten möchte er das Projekt aber nicht. Sein Kommilitone Andreas Hübner denkt da anders:

    Also wenn es marktreif ist kann ich mir das vorstellen, als Bauleiter tätig zu werden. Ja, durchaus.

    Vielleicht wird das Haus aus nachwachsenden Rohstoffen tatsächlich zum Karrieresprungbrett für die Lübecker Studenten. Wenn alle Messungen stimmen und die Baubehörde schließlich grünes Licht gibt.