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Feuergefahr in Kalifornien
Notfallwarnung mit alten Methoden

Die Menschen in Topanga bereiten sich auf den Ernstfall vor: Das Dorf liegt in einer der feuergefährdetsten Gegenden von Kalifornien. Eine einzige Straße führt aus dem Ort hinein und hinaus. Um die Menschen im Notfall warnen zu können, müssen Behörden auf ein ganz altes System zurückgreifen.

Von Katharina Wilhelm | 06.11.2019
Brände in Kalifornien: Ein verglühender Baum sprüht vor Feuerfunken im Sonoma County in Kalifornien am 29. Oktober 2019, Kellogg, California, USA.
Bei Stromausfällen versagen die digitalen Frühwarnsysteme (imago / Paul Kitagaki )
Ein gutes Dutzend Menschen hat sich versammelt und hört den Ausführungen von David Ford zu. Er trägt einen blauen Anzug, das Hemd leicht aufgeknüpft. Er hat hier keine leichte Aufgabe, denn er arbeitet für den Stromversorger Edison, der hunderttausenden Kaliforniern in den vergangenen Tagen und Wochen den Strom absichtlich abgeschaltet hat.
In Kalifornien führt die Kombination aus starken Winden, morschen Bäumen, trockenem Gras und vielen Stromoberleitungen schnell zu Bränden, wenn Stromleitungen abreißen und Funkenflug die trockenen Blätter und Gräser entzündet. Experten sind der Meinung, dass dieses Phänomen wird durch den Klimawandel zusätzlich verstärkt. Warum also die Leitungen nicht einfach unterirdisch legen, frage ich:
"Die Kosten sind einfach zu hoch. Außerdem ist ein Gebiet wie Topanga, mit Schluchten und Bergen schwer zu erschließen. Und wenn es Stromausfälle gibt, können wir diese schneller finden, wenn die Leitungen überirdisch verlaufen."
Strom wird regelmäßig abgeschaltet
Gleichzeitig heißt das aber auch: Der Strom wird radikal abgedreht, wenn die so genannten Santa Ana Winde wehen und die Gegend hochgradig feuergefährdet ist.
Und Brände will man in Topanga auf jeden Fall vermeiden sagt, James Grasso. Er trägt einen schwarzen Kapuzenpulli, die Brille ins weiße Haar geschoben. Er lebt seit Jahren im ruhigen Städtchen Topanga:
"Es gibt nur eine Straße, die hier rein und rausführt. Die Feuerwehr hat ausgerechnet, dass bei bestimmten Windbedingungen ein Feuer in anderthalb Stunden hier alles in Brand stecken kann. Eine problemlose Evakuierung dauert aber mindestens fünf Stunden. Das ist eine Katastrophe."
Eine ähnliche Situation gab es bereits 2018 im Städtchen Paradise in Kalifornien, damals starben 85 Menschen. Grasso haben diese Zahlen so erschreckt, dass er einer freiwilligen Bürgertruppe namens TCEP beigetreten ist, die in Notfallsituationen Informationen online zusammenstellt und Bürger informiert, wie man sein Haus feuerfest absichern kann. Das große Problem sei jetzt aber, dass die Stromkonzerne aus Angst vor Schadenersatzklagen viel früher den Strom abstellen:
"Wir leben hier ziemlich ländlich. Wir haben keine Telekommunikationsmasten – unser Internet und Mobiltelefone und Festnetztelefone hängen am Strom. Ohne Strom gibt es also keine Kommunikation. Wenn ein Feuer ausbricht, können die Menschen das nicht erfahren."
Mit Sirenen die Bevölkerung warnen
Im hochentwickelten Kalifornien wollen die freiwilligen Helfer deswegen auf ein fast schon antikes System zurückgreifen: Zivilschutzsignale.
Das heißt also Sirenen, die früher zur Zeit des Zweiten Weltkrieges installiert wurden. Seit 1985 sind diese Sirenen nicht mehr in Betrieb und sind größtenteils defekt oder wurden abgebaut. Nun, im Jahr 2019, sind sie eventuell die einzige Möglichkeit, die Bevölkerung zu warnen, wenn die Smartphones keine Verbindung zur Außenwelt haben. Die Bürgertruppe hat den Vorschlag an die Regierung weitergegeben. Leider, so sagt der Vertreter des Stromkonzerns Edison, müsse man sich darauf einstellen, dass dies der neue Normalzustand in Kalifornien werden – möglicherweise das ganze Jahr lang.