Wagner verstand seine Kunst bekanntlich als Zukunftsmusik. Wagner war Avantgarde. Sein "Tristan" sprengte die tonale Konvention. Die anschließenden "Meistersinger" wirkten mit ihrem gepanzerten C-Dur, den Fugen, Chorälen und dem Schöngesang auf den ersten Blick wie ein Rückschritt. Aber spätestens Ernst Bloch spürte in der Figur des Beckmessers und ihrer musikalischen Ausgestaltung "ersten Dadaismus" auf, und mancher hört in Beckmessers Preislied "Morgen ich leuchte" Alban Bergs "Wozzeck" heraus.
Katharina Wagner hat das ernst genommen und radikal umgesetzt. Ihr Beckmesser ist ein musikalischer Avantgardist. Die vertrackten Rhythmen seines Vortrags, die komplexen Tonfolgen und die verfremdeten Instrumentenklänge sind bei ihr Zukunftsmusik. Und nicht Ausdruck künstlerischen Unvermögens eines linkischen, spießigen und gemeinen Charakters. Beckmesser ist Katharina Wagners eigentlicher Held.
Beckmesser ist in dieser Inszenierung aber vor allem kein reaktionärer Biedermann. Er entwickelt sich vielmehr zu einem kabarettistischen Aufklärer. Denn der Wagner-Urenkelin geht es nicht nur um die Fragen von Kunst im Spannungsfeld von Alt und Neu. Sie deutet gesellschaftliche Entwicklungen über drei Jahrzehnte in der Bundesrepublik, von den 60er Jahren bis in die 80er. Es geht bei ihr nicht mehr um ein spätmittelalterliches Nürnberg mit Handwerkszünften und Lehrbubenspäße. Die neuen Handwerksmeister sind Dozenten in muffigen Talaren, die mit gelben Reclamheftchen ihren artigen Studenten den Kultur-Kanon eintrichtern.
Im edelgetäfelten Musentempel der Anstalt mit Gipsbüsten von Goethe bis Wagner hat ein junger unbekümmerter Künstler wie Walther von Stolzing keine Chance. Wir befinden uns in den frühen 60ern. Dann kommt die Revolte, vom linken Intellektuellen Hans Sachs, der gerne barfuß geht, vorbereitet, von Beckmesser mit frecher Lyrik und von Walther mit bunten Bildern vorangetrieben. Aus der mittelalterlichen Prügelfuge wird ein karnevalesker Emanzipationsrausch.
Doch mit der Befreiung von den Fesseln einer leblos gewordenen Tradition haben die Umstürzler das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Schiller, Goethe, Lessing, Bach und Wagner haben riesige Wasserköpfe bekommen und vegetieren in einem Altersheim vor sich hin. Der alt-68-er Hans Sachs ist mittlerweile etabliert, er sitzt in seiner Designer-Wohnung, den siechen Alten gegenüber, und sinniert bei einem Glas Rotwein über den Verlust.
Und nun kommt ein weiterer Clou der Inszenierung. Sachs wendet sich nicht den Alten wieder zu, sondern macht tabula rasa, wird zum Kulturmanager und formt aus dem Künstler Walther einen strömlinienförmigen, massenkompatiblen Star für die Samstagabendunterhaltung. Wer diesen Zynismus entlarvt, ist wieder einmal Beckmesser, der als Kabarettist in einer Unterhaltungsshow, dort wo früher die Festwiese des dritten Aufzugs war, dem verdummten Publikum vergeblich versucht die Augen zu öffnen. Sachsens Schlussmonolog über Meisterehre, heilige deutsche Kunst und welschen Tand imaginiert Katharina Wagner zu einem medienfaschistoiden Zukunftsszenario, in dem Goethe und Schiller als Arno-Breker-Remake wiederauferstehen.
Eine schlüssige, mutige und spielfreudige Inszenierung, mit der Katharina Wagner ihr großes Talent bewiesen hat. Auch wenn diese Arbeit in der Werkstatt Bayreuth in den nächsten Jahren entschlackt werden muss. Auch an der Besetzung muss kräftig gearbeitet werden. Neben dem hervorragenden Tenor Klaus Florian Vogt, der den Walther sang, und neben einem außerordentlichen Michael Volle als Beckmesser sowie Norbert Ernst als David konnte weder der Hans Sachs des Franz Hawlata noch die Eva der Amanda Mace bestehen. Leider glatte Fehlbesetzungen. Und Sebastian Weigle trug als Dirigent die Inszenierung zwar mit, aber seine Deutung blieb blass, spannungslos und zu oft geriet alles aus den Fugen. Es gibt noch viel zu tun für eine erneuertes Bayreuth, aber ein Anfang könnte gemacht sein.
Katharina Wagner hat das ernst genommen und radikal umgesetzt. Ihr Beckmesser ist ein musikalischer Avantgardist. Die vertrackten Rhythmen seines Vortrags, die komplexen Tonfolgen und die verfremdeten Instrumentenklänge sind bei ihr Zukunftsmusik. Und nicht Ausdruck künstlerischen Unvermögens eines linkischen, spießigen und gemeinen Charakters. Beckmesser ist Katharina Wagners eigentlicher Held.
Beckmesser ist in dieser Inszenierung aber vor allem kein reaktionärer Biedermann. Er entwickelt sich vielmehr zu einem kabarettistischen Aufklärer. Denn der Wagner-Urenkelin geht es nicht nur um die Fragen von Kunst im Spannungsfeld von Alt und Neu. Sie deutet gesellschaftliche Entwicklungen über drei Jahrzehnte in der Bundesrepublik, von den 60er Jahren bis in die 80er. Es geht bei ihr nicht mehr um ein spätmittelalterliches Nürnberg mit Handwerkszünften und Lehrbubenspäße. Die neuen Handwerksmeister sind Dozenten in muffigen Talaren, die mit gelben Reclamheftchen ihren artigen Studenten den Kultur-Kanon eintrichtern.
Im edelgetäfelten Musentempel der Anstalt mit Gipsbüsten von Goethe bis Wagner hat ein junger unbekümmerter Künstler wie Walther von Stolzing keine Chance. Wir befinden uns in den frühen 60ern. Dann kommt die Revolte, vom linken Intellektuellen Hans Sachs, der gerne barfuß geht, vorbereitet, von Beckmesser mit frecher Lyrik und von Walther mit bunten Bildern vorangetrieben. Aus der mittelalterlichen Prügelfuge wird ein karnevalesker Emanzipationsrausch.
Doch mit der Befreiung von den Fesseln einer leblos gewordenen Tradition haben die Umstürzler das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Schiller, Goethe, Lessing, Bach und Wagner haben riesige Wasserköpfe bekommen und vegetieren in einem Altersheim vor sich hin. Der alt-68-er Hans Sachs ist mittlerweile etabliert, er sitzt in seiner Designer-Wohnung, den siechen Alten gegenüber, und sinniert bei einem Glas Rotwein über den Verlust.
Und nun kommt ein weiterer Clou der Inszenierung. Sachs wendet sich nicht den Alten wieder zu, sondern macht tabula rasa, wird zum Kulturmanager und formt aus dem Künstler Walther einen strömlinienförmigen, massenkompatiblen Star für die Samstagabendunterhaltung. Wer diesen Zynismus entlarvt, ist wieder einmal Beckmesser, der als Kabarettist in einer Unterhaltungsshow, dort wo früher die Festwiese des dritten Aufzugs war, dem verdummten Publikum vergeblich versucht die Augen zu öffnen. Sachsens Schlussmonolog über Meisterehre, heilige deutsche Kunst und welschen Tand imaginiert Katharina Wagner zu einem medienfaschistoiden Zukunftsszenario, in dem Goethe und Schiller als Arno-Breker-Remake wiederauferstehen.
Eine schlüssige, mutige und spielfreudige Inszenierung, mit der Katharina Wagner ihr großes Talent bewiesen hat. Auch wenn diese Arbeit in der Werkstatt Bayreuth in den nächsten Jahren entschlackt werden muss. Auch an der Besetzung muss kräftig gearbeitet werden. Neben dem hervorragenden Tenor Klaus Florian Vogt, der den Walther sang, und neben einem außerordentlichen Michael Volle als Beckmesser sowie Norbert Ernst als David konnte weder der Hans Sachs des Franz Hawlata noch die Eva der Amanda Mace bestehen. Leider glatte Fehlbesetzungen. Und Sebastian Weigle trug als Dirigent die Inszenierung zwar mit, aber seine Deutung blieb blass, spannungslos und zu oft geriet alles aus den Fugen. Es gibt noch viel zu tun für eine erneuertes Bayreuth, aber ein Anfang könnte gemacht sein.