Archiv


Feuerschlund im Atlantik

Geologie. - An Land sind explosive Vulkanausbrüche mit glühenden Aschewolken nichts Seltenes - aber dass Vulkane auch in der Tiefe der Ozeane explodieren, galt bislang als unmöglich, denn der hohe Druck verhindere dies, so Physiker. Jetzt fand ein Forscherteam aber Vulkanasche auf dem arktischen Meeresboden gefunden - und die Wissenschaft muss umdenken.

Von Dagmar Röhrlich |
    1999 zeichneten seismische Stationen rund um die Arktis über acht Monate hinweg fast 300 starke Erdbeben auf. Sie stammten von einem submarinen Gebirge, dem Gakkel-Rücken, der in vier Kilometern Wassertiefe unter dem Packeis liegt. Dort unten musste etwas Ungewöhnliches passieren. Zwei Jahre später wollten Geologen neue Seismometer für den Einsatz auf schwimmenden Eisschollen testen - und zwar über dem Gakkel-Rücken. Dabei fingen die Instrumente seltsame Signale auf.

    "Ich hatte diese Daten bearbeitet, und da waren mir so seltsame Knallgeräusche aufgefallen."

    Fast im Minutentakt zeichneten die Seismometer auf den Eisschollen Knallgeräusche aus 4000 Metern Wassertiefe auf, erzählt Vera Schlindwein, Geologin vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven:

    "Ich hatte die mit einer noch anhaltenden, zwar milden Eruption in Verbindung gebracht, aber ich hatte mich damals nicht getraut, das als Explosion zu interpretieren, weil man einfach sagte, dass eine explosive Tätigkeit unterhalb von drei Kilometern Wasser nahezu ausgeschlossen ist."

    Schließlich sollte der Wasserdruck dort unten viel zu hoch sein, als dass ein Vulkan mit so etwas wie Glutwolken explodieren könnte wie der Vesuv oder der Pinatubo. Ganz unspektakulär sollte die Lava ausfließen und zu Kissen erstarren. Überhaupt: Lava. Schon die schien wenig wahrscheinlich, denn der Gakkel-Rücken gehört zwar zum weltumspannenden Netz der "mittelozeanischen Rücken", an denen die Erdplatten auseinanderdriften und laufend Magma zu neuem Meeresboden erstarrt. Aber der Gakkel-Rücken, der sich zwischen Island und Sibirien durch den Nordatlantik und den Arktischen Ozean zieht, ist etwas Besonderes:

    "Weltweit ist es einer der sich am langsamsten öffnenden Rücken, und deswegen glaubte man, weil der sich so langsam öffnet, dass das die Produktion von Magma verhindert und deswegen Vulkanismus an so einem langsamen Rücken eigentlich sehr unwahrscheinlich sein müsste. Aber da haben wir uns eben geirrt."

    Wie eine weitere Expedition im Sommer 2007 bewiesen hat. Man war aufgebrochen, um am Meeresboden nach heißen Hydrothermalquellen zu suchen, nach den berühmten Schwarzen Rauchern. Aber dann liefen an Bord des schwedischen Eisbrechers Oden Bilder von vulkanischen Aschefeldern ein. Zunächst fiel den Geologen gar nicht auf, was ihnen die Unterwasser-Kameras zeigten:

    "Es war wirklich so, dass anfangs alles fokussiert war auf das Finden dieser Hydrothermalfelder und wir den Wald vor lauter Bäumen gar nicht gesehen haben, weil wir auf die Asche gar nicht geachtet haben."

    Dann kam der Aha-Moment - und das Interesse der Forscher schwenkte sofort um:

    "Wir haben die pyroklastischen Ablagerungen kartiert, und sie bedecken mindestens zehn Quadratkilometer. Die dickste Aschelage bringt es auf zehn Zentimeter, die dünnste bedeckt wie eine Puderschicht frisch erstarrte Lava,"

    beschreibt Robert Sohn von der Woods Hole Oceanographic Institution in Massachusetts. Über die Ursache der explosiven Ausbrüche rätseln die Geologen. An Land wäre es Wasserdampf - aber dafür ist ja der Druck in vier Kilometern Wassertiefe zu hoch. Also vermuten sie, dass das Gas für die Explosion direkt aus dem Magma stammt. Es könnte Kohlendioxid sein. Die erste Idee hört sich so an:

    "Wir haben uns vorgestellt, dass es eine Magmakammer geben könnte, die relativ tief ist, und das Dach dieser Magmakammer ist sehr stark, so dass sich unterhalb des Dachs dieses Gas dann anreichern kann. Und was wir dann meinen, ist, dass 1999, als diese Erdbebenaktivität eingesetzt hat, dass dann der Deckel über diese Magmakammer von den Erdbeben zerrüttet worden ist und auf diese Art und Weise, wie wenn Sie eine Sektflasche schütteln und dann den Korken einfach raus springen lassen, dass es da dann zu dieser Eruption gekommen ist. "

    Inzwischen ist am Vulkan unter dem Gakkel-Rücken wieder Ruhe eingekehrt - und wenn die Idee stimmt, könnten bis zum nächsten Ausbruch tausend oder zehntausend Jahre vergehen. Denn es braucht Zeit, ehe sich in der Magmenkammer wieder genügend Gasdruck aufgebaut hat.