Nach Attentat
Ficos Gesundheitszustand ist weiter ernst

Nach dem Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Fico ist gegen den mutmaßlichen Schützen ein Verfahren wegen versuchten Mordes eingeleitet worden. Das gab Innenminister Estok bekannt.

    Slowakei, Bratislava: Die amtierende Präsidentin Zuzana Caputova (r) und der designierte Präsident Peter Pellegrini geben im Präsidentenpalast eine gemeinsame Presseerklärung ab.
    Die amtierende Präsidentin Zuzana Caputova (r) und der designierte Präsident Peter Pellegrini traten demonstrativ zusammen auf. (Petr David Josek/AP/dpa)
    Nach seinen Worten handelt es sich um eine politisch motivierte Tat. Der mutmaßliche Attentäter war direkt nach der Tat festgenommen worden. Das Innenministerium bestätigte, dass es sich um einen 71-jährigen Schriftsteller handelt. Der Verdächtige habe an regierungskritischen Protesten teilgenommen.
    Der Gesundheitszustand des Regierungschefs wird weiter als ernst, aber stabil beschrieben. Fico war gestern nach einer Kabinettssitzung von mehreren Schüssen getroffen worden. Dem Krankenhaus zufolge wurde er fünf Stunden lang operiert.

    Appelle zur Mäßigung

    Die scheidende slowakische Staatspräsidentin Caputova rief die politischen Parteien zur Mäßigung aufgerufen. Caputova und ihr designierter Nachfolger Pellegrini sagten in einer gemeinsamen Rede im Fernsehen, man wolle ein Zeichen der Verständigung setzen. Sie luden Vertreter der politischen Parteien zu Beratungen ein. "Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", appellierte Caputova in Bratislava. Der Anschlag sei zwar eine individuelle Tat gewesen, "aber die angespannte Atmosphäre des Hasses war unser gemeinsames Werk".
    Pellegrini appellierte, den Wahlkampf vor der Europawahl am 9. Juni vorerst auszusetzen oder zumindest einzuschränken, bis sich die Lage beruhigt habe. Er und Caputova nahmen anschließend an einer Sondersitzung des Sicherheitsrates teil.

    Vorwürfe gegen Medien und Opposition

    International hat das Attentat große Anteilnahme ausgelöst. In der Slowakei selbst begann bereits kurz nach der Tat eine politische Auseinandersetzung: Ficos Smer-Partei gab Kritikern des Regierungschefs eine Mitverantwortung für die Schüsse. Bei einer Pressekonferenz sagte der Smer-Abgeordnete Blaha: "Sie, die liberalen Medien, und progressive Politiker sind Schuld. Robert Fico kämpft wegen eures Hasses um sein Leben".
    Auch Fico selbst hatte erst vor wenigen Tagen der liberalen Opposition vorgeworfen, ein Klima der Feindschaft gegen seine Regierung zu schüren. Es sei nicht auszuschließen, dass es angesichts der aufgeheizten Stimmung irgendwann zu einer Gewalttat komme, hatte er gesagt.

    Fico zum dritten Mal Ministerpräsident

    Fico ist seit 2023 erneut slowakischer Ministerpräsident. Der Vorsitzende der linkspopulistischen Smer-Partei hatte das Amt zuvor bereits zweimal inne: Er war von 2006 bis 2010 und von 2012 bis 2018 slowakischer Regierungschef. 2018 musste er nach der Ermordung des Journalisten Jan Kuciak und dessen Verlobter zurücktreten. Kuciak hatte zu Verbindungen zwischen der italienischen Mafia und Ficos Regierungspartei recherchiert. Die Bluttat und die posthume Veröffentlichung eines Artikels von Kuciak lösten damals Massendemonstrationen gegen die Regierung aus.

    Zuletzt neue Massenproteste gegen Fico

    Zuletzt sorgte Fico noch einmal mit kontroversen Veränderungen im Land für Massenproteste. So beschloss seine Regierung eine viel kritisierte Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die nach Angaben von Journalistenverbänden und Oppositionsvertretern die Pressefreiheit untergräbt.
    In seiner Koalition mit Rechtsaußen-Parteien setzte der Populist Fico auch den Kurswechsel in der Außenpolitik um, den er im Wahlkampf versprochen hatte: Die Slowakei, Mitglied in der EU und der Nato und bis dahin entschiedene Unterstützerin der Ukraine, unterbrach die Waffenlieferungen an das von Russland angegriffene Nachbarland. Die Regierung in Kiew rief der 59-Jährige unter anderem dazu auf, Gebiete an Russland abzutreten.
    Diese Nachricht wurde am 16.05.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.