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Fiel den Dinos der Himmel auf den Kopf ?

Paläontologie. - Jedes Kind weiß es: Die Dinosaurier sind ausgestorben, weil ein Asteroid eingeschlagen ist und die urzeitlichen Giganten dahingerafft hat. Allerdings erwiesen ist diese Theorie nicht. Vielmehr gibt es durchaus heftige Debatten darüber, was da vor 65 Millionen Jahren geschehen ist. So vermutet eine andere konkurrierende Theorie, dass ein ungewöhnlich heftiger Vulkanismus das Ende der Dinosaurierherrschaft eingeläutet haben könnte. Um die Einschlagstheorie ein- für allemal zu beweisen, unternahmen Experten in den vergangenen Jahren großangelegte Bohraktionen im Chixculub-Krater auf der mexikanischen Halbinsel Yucatan, wo der Asteroid damals eingeschlagen sein soll. Doch die neuen Daten bringen die Asteroiden-Verfechter eher in Erklärungsnöte.

    Von Dagmar Röhrlich

    Fielen die Dinosaurier vor 65 Millionen Jahren einem Asteroideneinschlag zum Opfer, der die mexikanische Yucatan-Halbinsel traf? Oder steckt hinter ihrem Verschwinden der sogenannte Dekkan-Vulkanismus, der den halben indischen Subkontinent mit einer zweieinhalb Kilometer mächtigen Basaltflut überdeckte und das Klima kippte? Beide Ansichten haben Anhänger und die interpretieren ein- und dieselbe Gesteine entsprechend unterschiedlich. Das gilt auch für die neue Bohrung im Chixculub-Krater, der durch den Asteroideneinschlag entstanden ist und der die Grenze zwischen Kreidezeit und Tertiär markiert. Genau das stellt Gerta Keller von der Princeton Universität in Frage. Sie findet in den Bohrkernen Zeugen für mehrere Einschläge:

    Der Chixculub-Einschlag ist nicht das Ereignis, das Kreide und Tertiär trennt, sondern er ist älter. Wir haben damals nicht nur einen Einschlag gehabt, sondern mehrere.

    Einer davon wäre der Einschlag, der den Chixculub-Krater gebildet hat – und er soll die Welt 300.000 Jahre vor dem Aussterben der Dinosaurier getroffen haben. In den Steinen glaubt Gerta Keller die chemischen Signale von drei weiteren große Einschlägen zu finden. Insgesamt müsste es also vier Krater geben – und Kandidaten nennt sie auch: So ist jetzt in der Nordsee ein 20 Kilometer großer Krater entdeckt worden, ein weiterer in der Ukraine, beide 65 Millionen Jahre alt. Alle diese Einschläge sollen nur regional gewirkt haben:

    Der Chixculub selbst löste kein weltweites Massenaussterben aus. So weit unten ist nichts passiert.

    Das Mikroplankton soll den Einschlag überlebt haben, so ihre Diagnose des Bohrkerns. Ohne Massenaussterben steht der Krater aber nicht für die Grenze zwischen beiden Erdzeitaltern. Gerta Kellers Gegner bezweifeln das. Allen voran Jan Smit von der Freien Universität Amsterdam, einer der "Väter der Einschlagstheorie":

    Meiner Meinung nach sieht sie Gespenster. Sie erklärt, dass sie im Chixculub-Bohrkern oberhalb des Einschlags Mikroplankton gefunden hat. Ich habe die Bilder gesehen – sie irrt sich. Was sie sehen, sind Dolomitkristalle, die um ein Sandkorn herumgewachsen sind.

    Hat Mikroplankton den Einschlag überlebt, spricht das gegen die weltweit tödlichen Folgen des Chixculub-Einschlags. Ist es aber kein Plankton, sondern Dolomitkristalle, bedeutet das Aufwind für die Anhänger der Katastrophentheorie. Die Debatte zwischen den Parteien ist emotional aufgeladen. Und tatsächlich ist die Sache mit dem todbringenden Einschlag nicht so einfach. Eines scheint klar: Weltweite Auswirkungen konnte der Asteroid nur durch das Zusammenspiel vieler besonderer Faktoren auslösen. Die Befürworter der Einschlagsthese rechnen beispielsweise mit einem schnellen Klimawechsel zwischen Warm und Kalt. Die Yucatan-Halbinsel besteht unter anderem aus Kalksteinen. Verdampfen sie bei einem Einschlag, setzt das schlagartig dramatische Mengen an klimawirksamen Stoffen wie Kohlendioxid und Schwefeloxide frei. Alex Deutsch von der Universität Münster hat das anhand von Schwefelmineralen untersucht.

    Der derzeitige Stand der Dinge ist, dass offensichtlich der Eintrag an Kohlendioxid und Schwefeloxiden in die Atmosphäre wesentlich geringer war als man angenommen hat. Bleibt die Frage, warum die Viecher alle gestorben sind. Die beste Antwort scheint, dass die Nahrungskette abriss.

    Denn in der Kreidezeit war die Erde sehr warm. In ihren breiten Tropengürteln war das Leben ohnehin unter Hitzestress. Wenige Grad mehr hätten das Plankton sozusagen gekocht und getötet. Im Grunde liegt auch für Gerta Keller die Katastrophe, nur der Auslöser war ein anderer.

    Diese Kurve hier, das ist die Klimakurve. Sie sehen, vor dem Einschlag von Chixculub hat es im ozeanischen Tiefenwasser eine Erwärmung um vier Grad gegeben. Das Oberflächenwasser muss also noch viel stärker aufgeheizt worden sein. Ursache dieses Treibhauseffekts ist der Dekkan-Vulkanismus in Indien. Diese Kurve zeigt, dass das Verschwinden der Arten mit dem Einsetzen der Basaltförderung beginnt. Die Frage lautet also: Wie stark sind die biologischen Auswirkungen einerseits der Einschläge und andererseits des intensiven Vulkanismus?

    Für Gerta Keller steht der Vulkanismus an erster Stelle, der durch die Einschläge sozusagen eine Spitze aufgesetzt bekommen hat. Und für ihre Gegner ist es der Einschlag, für das der Vulkanismus das Tüpfelchen auf dem "i" war. Die alte Debatte geht in eine neue Runde.