Auf dem Brüsseler Place Flagey gibt es einen Marktstand, an dem der Andrang so groß ist, dass die Kunden kleine Zettel mit Nummer ziehen müssen. Werden sie aufgerufen, können sie bezahlen. Die Marktverkäufer wiegen noch etwas sandige Pilze, reichen Tüten voll mit dunkelroten Kirschen über den Tresen. Und zwischen den Kisten voll mit Bio-Obst und Gemüse gibt es auch ein paar Besonderheiten. Marktverkäufer Gabriel van Parijs zeigt auf kleine hell- und dunkelgrün gestreifte Zucchini:
"Diese zweifarbige Zucchini, das ist eine alte Sorte, die wir in der Schweiz gefunden haben."
Alte Sorten, ob im Sommer etwa Mangold oder Tomaten und zum Ende des Jahres Rüben und Kohl, sind mittlerweile sehr gefragt. In Frankreich hatte es sich die Organisation Kokopelli zur Aufgabe gemacht hat, alte Sorten zu fördern und zu vermarkten. Dafür war sie mehrmals von der Saatgut-Industrie verklagt und auch verurteilt worden. Denn Kokopelli hatte das Saatgut nicht zertifizieren lassen und damit aus Sicht französischer Richter gegen das Saatgutverkehrsgesetz verstoßen.
Der Europäische Gerichtshof sah das heute anders: Das strikte Vermarktungsverbot nicht zugelassener alter Sorten widerspricht Europäischem Recht, sagten die Luxemburger Richter.
Grundlage des Streits sind aufwendige europäische Vereinbarungen zur Zertifizierung von Saatgut. Sie sollen sicherstellen, dass Käufer von Saat, also Landwirte, verlässliche und berechenbare Qualität bekommen – was zum Beispiel Aussehen, Geschmack oder Reifezeit angeht. Um das gewährleisten, werde Saatgut zertifiziert, erklärt Hannes Lorenzen, der sich für die Grünen im Europäischen Parlament mit der Zulassung von Saatgut beschäftigt.
Das bedeutet, die Pflanzen müssen aufwendig getestet werden auf alle möglichen Eigenschaften. Also: dass sie stabil bleiben, wenn sie reproduziert werden, dass sie sich von anderen Pflanzen unterscheiden. Und das kostet zum Teil, je nach Sorte, 10.000 Euro.
Es sind diese Prüfkosten, die kleine Saatgut-Produzenten häufig gescheut haben. Zudem sind diese Maßstäbe für Großbetriebe wichtig, nicht aber unbedingt für kleine Biobauern. Die Folge: Viele alte Sorten sind nicht zugelassen, dürfen also offiziell nicht verkauft werden. Mit jedoch europaweit unterschiedlichen Folgen.
In Deutschland hat man sich im Hinblick auf die Vielfalt von Sorten darauf geeinigt, nicht so scharf gegen kleinere Produzenten vorzugehen. Weil man sagt, je mehr Erhalter von alten Sorten man hat, desto größer ist die Chance, das die Vielfalt in der landwirtschaftlichen Produktion erhalten bleibt.
Viele alte Gemüse- und Obstsorten schmecken intensiver als die normalen Sorten. Umweltverbände und einige Bio-Landwirte sehen noch andere Vorteile: Die alten Sorten passen sich besser ans Klima an, sie sind resistenter gegen Schädlinge und sorgen für mehr die Artenvielfalt.
Doch das heutige Urteil der europäischen Richter macht den Weg für alte Sorten nicht wirklich frei: Generell soll es, so der EuGH, weiterhin eine Zulassung von Saatgut geben. Jedoch mit Ausnahmen für die sogenannten Erhaltungssorten. Diese Sorten dürfen nur in bestimmten Regionen und auch nur zu einem festgelegten Anteil angebaut werden dürfen. Für Hannes Lorenzen von den Grünen im Europaparlament ist klar: Das ist ein Urteil gegen Biodiversität und zugunsten der Saatgut-Industrie. Er fürchtet, das werde auch das neue europäische Saatgutverkehrsgesetz in einigen Monaten zeigen. Weil im Moment ist die Kommission gerade dabei, das Saatguts-Verkehrsgesetz neu aufzulegen. Und es sieht im Moment so aus, dass der Vorschlag der Kommission der Saatgut-Industrie gerecht werden will, in dem die Zertifizierung weiterhin die Regel ist für die Zulassung zur Vermarktung.
Eines steht nach diesem Urteil jedoch fest: Bauern und kleine Saatgut-Produzenten dürfen in Europa altes Saatgut herstellen und vermarkten.
Zum Thema auf deutschlandradio.de:
Bauern dürfen alte Gemüsesorten verkaufen - EU-Gericht kippt Oligopol von Saatgut-Konzernen
"Diese zweifarbige Zucchini, das ist eine alte Sorte, die wir in der Schweiz gefunden haben."
Alte Sorten, ob im Sommer etwa Mangold oder Tomaten und zum Ende des Jahres Rüben und Kohl, sind mittlerweile sehr gefragt. In Frankreich hatte es sich die Organisation Kokopelli zur Aufgabe gemacht hat, alte Sorten zu fördern und zu vermarkten. Dafür war sie mehrmals von der Saatgut-Industrie verklagt und auch verurteilt worden. Denn Kokopelli hatte das Saatgut nicht zertifizieren lassen und damit aus Sicht französischer Richter gegen das Saatgutverkehrsgesetz verstoßen.
Der Europäische Gerichtshof sah das heute anders: Das strikte Vermarktungsverbot nicht zugelassener alter Sorten widerspricht Europäischem Recht, sagten die Luxemburger Richter.
Grundlage des Streits sind aufwendige europäische Vereinbarungen zur Zertifizierung von Saatgut. Sie sollen sicherstellen, dass Käufer von Saat, also Landwirte, verlässliche und berechenbare Qualität bekommen – was zum Beispiel Aussehen, Geschmack oder Reifezeit angeht. Um das gewährleisten, werde Saatgut zertifiziert, erklärt Hannes Lorenzen, der sich für die Grünen im Europäischen Parlament mit der Zulassung von Saatgut beschäftigt.
Das bedeutet, die Pflanzen müssen aufwendig getestet werden auf alle möglichen Eigenschaften. Also: dass sie stabil bleiben, wenn sie reproduziert werden, dass sie sich von anderen Pflanzen unterscheiden. Und das kostet zum Teil, je nach Sorte, 10.000 Euro.
Es sind diese Prüfkosten, die kleine Saatgut-Produzenten häufig gescheut haben. Zudem sind diese Maßstäbe für Großbetriebe wichtig, nicht aber unbedingt für kleine Biobauern. Die Folge: Viele alte Sorten sind nicht zugelassen, dürfen also offiziell nicht verkauft werden. Mit jedoch europaweit unterschiedlichen Folgen.
In Deutschland hat man sich im Hinblick auf die Vielfalt von Sorten darauf geeinigt, nicht so scharf gegen kleinere Produzenten vorzugehen. Weil man sagt, je mehr Erhalter von alten Sorten man hat, desto größer ist die Chance, das die Vielfalt in der landwirtschaftlichen Produktion erhalten bleibt.
Viele alte Gemüse- und Obstsorten schmecken intensiver als die normalen Sorten. Umweltverbände und einige Bio-Landwirte sehen noch andere Vorteile: Die alten Sorten passen sich besser ans Klima an, sie sind resistenter gegen Schädlinge und sorgen für mehr die Artenvielfalt.
Doch das heutige Urteil der europäischen Richter macht den Weg für alte Sorten nicht wirklich frei: Generell soll es, so der EuGH, weiterhin eine Zulassung von Saatgut geben. Jedoch mit Ausnahmen für die sogenannten Erhaltungssorten. Diese Sorten dürfen nur in bestimmten Regionen und auch nur zu einem festgelegten Anteil angebaut werden dürfen. Für Hannes Lorenzen von den Grünen im Europaparlament ist klar: Das ist ein Urteil gegen Biodiversität und zugunsten der Saatgut-Industrie. Er fürchtet, das werde auch das neue europäische Saatgutverkehrsgesetz in einigen Monaten zeigen. Weil im Moment ist die Kommission gerade dabei, das Saatguts-Verkehrsgesetz neu aufzulegen. Und es sieht im Moment so aus, dass der Vorschlag der Kommission der Saatgut-Industrie gerecht werden will, in dem die Zertifizierung weiterhin die Regel ist für die Zulassung zur Vermarktung.
Eines steht nach diesem Urteil jedoch fest: Bauern und kleine Saatgut-Produzenten dürfen in Europa altes Saatgut herstellen und vermarkten.
Zum Thema auf deutschlandradio.de:
Bauern dürfen alte Gemüsesorten verkaufen - EU-Gericht kippt Oligopol von Saatgut-Konzernen