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FIFA gegen Wilhelmshaven
Zwangsabstieg ist unwirksam

Seit Jahren liegt der SV Wilhelmshaven im Rechtsstreit mit der FIFA, dem DFB und dem Norddeutschen Fußball-Verband (NFV). Es geht um die Ausbildungsentschädigung für einen argentinischen Spieler, zwei Sechspunkteabzüge und den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven. Vor dem Oberlandesgericht Bremen bekam der Verein erstmals Recht. Das könnte weitreichende Folgen haben.

Von Heinz Peter Kreuzer | 01.01.2015
    Fußballerbeine auf dem Trainingsplatz
    Vor dem Oberlandesgericht Bremen bekam der SV Wilhelmshaven erstmals Recht. (dpa/picture alliance/DENNIS M. SABANGAN)
    Der Rechtsstreit hat mittlerweile grundsätzliche Bedeutung erlangt, deshalb hat das Oberlandesgericht Bremen die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Der Münchner Sportrechtler Martin Stopper:
    "Also es ist ganz dramatisch, wenn man versucht, einen internationalen Fußball zu organisieren und auch Regeln aufzustellen. Der Fußball im Profi-Bereich ist ein internationales Geschäft, dass da keine Inseln der Glückseligen aufgebaut werden. Und wenn jetzt das OLG Bremen sagt, also, das Prinzip der Ausbildungsentschädigung ist rechtswidrig. Dann hat man hier eine Insel, das man sagt, alle Transfers nach Deutschland, denn das wäre die Konsequenz, werden nicht mit einer Ausbildungsentschädigung belegt."
    Angst vor Ausgrenzung des deutschen Fußballs
    Der Deutsche Fußball-Bund sieht die Problematik ähnlich und ist enttäuscht. Der nationale Dachverband sieht das weltweit anerkannte System des Sports bedroht. Der DFB kündigte schon an, dem NFV bei seinem Gang vor den Bundesgerichtshof zu unterstützen. Schon im April 2014 hatte DFB-Vizepräsident Rainer Koch Radio Bremen gesagt:
    "Wie soll es denn sonst gehen, wenn wir uns zwischen Deutschland und Argentinien verständigen wollen. Da geht es doch nur über solche Institutionen. Und deswegen müssen wir solche Sprüche akzeptieren und innerhalb unserer Statuten zur Anerkennung bringen. Ansonsten können wir das ganze internationale Fußballsystem für gescheitert erklären."
    Die Verbandsgerichtsbarkeiten bis hin zum Internationalen Sportgerichtshof folgten dieser Logik. Der Rechtsanwalt Harald Naraschewski, Aufsichtsrat beim SV Wilhelmshaven, spricht von einer gewissen "Verbandshörigkeit". Und dass das Landgericht Bremen gegen den SVW entschied, war für ihn keine Überraschung:
    "Beim Landgericht Bremen wäre zuständiger Richter gewesen, derjenige, der zufällig Vorsitzender des Verbandssportgerichts war. Der ist wegen Befangenheit erfolgreich abgelehnt worden. Und sein Kollege, der den Fall entschieden hat, hat nichts anderes gemacht, als das abgeschrieben, was sein wegen Befangenheit abgelehnter Kollege im Rahmen der Verbandsentscheidungen aufgeschrieben hat. Da ist ja gar nicht die Sache im Einzelnen geprüft worden."
    Versäumnisse der Verbände
    Beim Oberlandesgericht sahen die Richter Versäumnisse bei DFB und NFV. Beide Verbände hätten die Entscheidungen der FIFA darauf überprüfen müssen, ob diese gegen zwingendes nationales oder internationales Recht verstoßen würden. Unter anderem würden die festgesetzten Ausbildungsentschädigungen gegen das Recht des Spielers auf Freizügigkeit nach Artikel 45 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union verletzten. Sportrechtsexperte Martin Stopper:
    "Zudem muss noch einmal entschieden werden, was denn hier die Richter meinten, dass hier gegen das Prinzip der Freizügigkeit verstößt. Denn: Ich kann mir vorstellen, dass die Berechnung der Ausbildungsentschädigung im ganz konkreten Fall die Verhältnismäßigkeit etwas fehlte, für den Regionalligisten."
    Die Höhe der Ausbildungsentschädigung ist umstritten. Der Argentinier Sergio Sagarzazu war in der Winterpause 2007 als 19-Jähriger mit sieben weiteren Spielern verpflichtet worden. Im Sommer war seine Zeit nach 622 Einsatzminuten in Wilhelmshaven schon wieder vorbei. Dann forderten zwei argentinische Vereine eine Ausbildungsentschädigung. Nach den FIFA-Regeln ist die Höhe von 157.500 Euro sogar nachvollziehbar. In diesem Fall kritisierten die Bremer Richter, dass die Ausbildungsentschädigungen nach den pauschal eingeschätzten ersparten Ausbildungskosten des übernehmenden Vereins bemessen worden seien und nicht entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes. Nach Angaben von Naraschewski liegen die Ausbildungskosten bei Spielern in Wilhelmshaven bei etwa 800 Euro pro Jahr.
    Nicht nachvollziehbare Summe?
    "Man muss sich auch einmal darüber im Klaren sein, für einen Vertrag von knapp sechs Monaten, eine Entschädigung zu verlangen, die ein Mehrfaches des Gehalts des Spielers ist in dieser Zeit, das kann doch nicht angemessen sein."
    Der Verein habe sich immer um einen Kompromiss bemüht und hätte sich dabei Unterstützung vom DFB erhofft. "Weil er Angst hatte, weil die FIFA angedroht hatte, wenn ihr Wilhelmshaven nicht bestraft, und das nicht umsetzt, dann werdet ihr von der Weltmeisterschaft ausgeschlossen."
    Und er fügt hinzu: "Der DFB ist der mächtigste Verband in der FIFA und der lässt sich von der FIFA vorschreiben, was er da zu tun hat. Und lässt sich vorschreiben, etwas tun zu müssen, was gegen unsere Verfassung verstößt, was ist denn das für ein Verband?"
    Wie es weitergeht: ungewiss. Klagt der Landesligist die Regionalliga ein, klagt er auf Schadenersatz? Und die Entscheidungen des Bundesgerichtshofes oder des Europäischen Gerichtshofes, sie werden mit Spannung erwartet.