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FIFA-Skandal
"Korrupt, ein Dieb und Lügner!"

Im FIFA-Skandal musste einer der wichtigsten südamerikanischen Fußball-Funktionäre, Marco Polo Del Nero, nun zum ersten Mal Fragen öffentlich beantworten – allerdings nicht in den USA, sondern in seiner Heimat: Brasilien. Ex-Weltfußballer Romário hat im Senat einen Ermittlungsausschuss durchgesetzt und Del Nero in dieser Woche zu einer Anhörung genötigt.

Von Carsten Upadek | 20.12.2015
    Del Nero gestikuliert mit dem Zeigefinger. Er sitzt vor einer Werbebande.
    Der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes, Marco Polo Del Nero, auf einer Pressekonferenz am 16. April 2015. (dpa / picture alliance / Marcelo Sayao)
    Marco Polo Del Nero, der Präsident des brasilianischen Fußballverbandes hat Brasilien seit Ende Mai nicht mehr verlassen. Aber auch dort wird ermittelt. Vor einem Ermittlungsausschuss im Senat sagte del Nero:
    "Es gibt keine Korruption im brasilianischen Fußballverband. Ich habe mich als Präsident freistellen lassen, um mich gegen diese Anschuldigungen zu verteidigen. Für uns alle sollte die Unschuldsvermutung gelten. Dieses Recht habe auch ich!"
    Das erste Mal seit über sechs Monaten äußerte sich Marco Polo Del Nero –als einer der wichtigsten südamerikanischen Fußball-Bosse im Zentrum des FIFA-Skandals. Allerdings nicht ganz freiwillig: ein Untersuchungsausschuss des brasilianischen Senats unter Leitung von Ex-Weltfußballer Romário, heute Senator, hatte Del Nero mit einer Vorladung gedroht, wäre er diese Woche nicht erschienen. Während der Anhörung machte Ausschusspräsident Romário aus seiner Abneigung gegen Del Nero keinen Hehl:
    "Sie sind nicht nur korrupt, ein Dieb, sondern auch ein Lügner! Für mich sind Sie schlecht für den Fußball Brasiliens und der Welt! Diese Fälle von Korruption von Ihnen, Herrn Ricardo Teixeira, José Maria Marin und anderen Verbündeten sind ein wahres Krebsgeschwür für unseren Fußball!"
    Test für Romarios politische Karriere
    Romário ist inzwischen Berufspolitiker mit höchsten Ambitionen. Mehr als zwei Jahre versuchte er vergeblich, einen Untersuchungsausschuss gegen den brasilianischen Fußballverband durchzusetzen. Erst die Verhaftungen Ende Mai bescherten ihm den nötigen politischen Rückenwind. Seitdem bremsen den Ausschuss aber politische Alliierte des Verbandes und juristische Manöver weitgehend aus.
    Beobachter Sérgio Rangel sagt: "Der Ausschuss ist der wichtigste Test für Romários politische Laufbahn. Er ist erst seit Anfang 2015 Senator und es ist nicht klar, wie viel politische Kraft er hat."
    Deshalb sandte Romário am 11. November sensible Unterlagen an die FIFA-Ethikkommission. Inhalt: ein Überweisungsbeleg Del Neros über 400.000 US-Dollar auf das Konto eines Strohmanns – für den Kauf einer Jacht, die auf Del Neros Namen registriert ist. Ein klares Indiz für Geldwäsche. Die FIFA-Ethikkommission eröffnete gegen Del Nero ein Verfahren. Für Januar wird erwartet, dass sie ihn von allen Fußball-Aktivitäten suspendiert. Das hieße für den brasilianischen Fußballverband, die CBF, Del Neros ältester Stellvertreter würde automatisch als Präsident nachrücken.
    Parallel zu seiner Vernehmung im Senat ließ Del Nero im Hauptquartier der CBF einen neuen fünften Vize-Präsidenten wählen. Die Abstimmung war Anfang der Woche in einer juristischen Schlacht erst verboten und dann wieder erlaubt worden. Einziger Kandidat: Antonio Nunes aus der fußballerisch unbedeutenden Region Pará, der nun die Region Rio und São Paulo vertritt. Aber: Nunes ist mit 77 älter als Del Neros Gegenspieler Delfim Peixoto mit 74 Jahren.
    "Ein politischer Staatsstreich"
    Der hatte angekündigt, im Fall seiner Machtübernahme im Verband aufzuräumen. Peixoto sagte nach der Wahl: "Das war ein politischer Staatsstreich! Marco Polo Del Nero wird weiter das Kommando führen, auch wenn er ausgeschlossen ist. Jeder weiß das. Das sind hier doch alles seine Leute."
    Schon einen Tag vor der Wahl demonstrierten vor dem Verbands-Sitz einige Ex-Fußballstars, hängten Transparente auf und verlasen ein Manifest, das von weit über 100 Personen des öffentlichen Lebens in Brasilien unterschrieben ist – darunter Fußballerlegende Pelé.
    Sie forderten den sofortigen Rücktritt des Direktoriums und freie Wahlen, so Ex-Nationalspieler Raí, der in den 90ern auch mit Paris Saint-Germain erfolgreich war: "Das Wichtigste in diesem Moment ist, das System zu brechen, bei null anzufangen und das System neu zu überdenken. Immerhin repräsentiert es eines der wichtigsten Dinge in der brasilianischen Kultur, den Fußball!"
    Danach sieht es aber mit der Wahl von Antonio Nunes nicht aus. Nach seiner Wahl zum ältesten Vizepräsidenten und möglichen Nachfolger von Del Nero sagte er: Wer in den Regen laufe, würde nun einmal nass. Mitarbeiter der CBF beobachteten ihn nach der Wahl im leeren Büro Del Neros: Er ließ privat von sich Fotos machen – am Schreibtisch des Verbandspräsidenten.