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FIFA-WM-Vergabe an Katar
Immer mehr Miese

Die Vergabe der Fußball-WM 2022 nach Katar ist noch immer umstritten - und das offenbar nicht nur aus politischen Gründen: Denn die Entscheidung hat langfristig gesehen auch unangenehme und beachtliche Konsequenzen für die inzwischen defizitären Kassen der FIFA.

Von Jürgen Kalwa | 04.06.2017
    Auf einem großen Wandbild wird in Katar die Vergabe der WM 2022 an das Land gefeiert.
    Im Dezember 2010 wurde die Vergabe der WM an Katar durch den damaligen FIFA-Chef Sepp Blatter bekanntgegeben. (imago stock & people)
    "The winner to organize the 2022 FIFA World Cup is Qatar.”
    Der Gewinner war Katar. Der Verlierer die USA, die gegen die unter Korruptionsverdacht stehende Bewerbung des Emirats am Persischen Golf an diesem Tag im Jahr 2010 nichts ausrichten konnte.
    Die Vergabeentscheidung – getroffen von den 22 Mitgliedern des damaligen FIFA-Exekutivkomitees – bebt noch immer nach.
    Der damalige Präsident Sepp Blatter amtiert nicht mehr. Gegen ihn ermitteln inzwischen Schweizer Staatsanwälte. Von seinen Mitstreitern stehen einige in den USA unter Anklage oder wurden von der FIFA gesperrt oder erlitten einen derben Imageschaden wie Franz Beckenbauer. Karriere machte kurioserweise eigentlich nur einer: Sunil Gulati, damals schon seit Jahren Präsident des amerikanischen Fußballverbandes. Vielleicht ja auch, weil er sich anschließend sehr geschickt weigerte, den massiven Betrugsvorwürfen auf den Grund zu gehen.
    "Es gibt überhaupt keine Beweise. Nur Gerüchte. Wir warten ab”, erklärte er 2010 im Fernsehsender ESPN, der damals noch die Nummer eins für Fußballübertragungen in den USA war.
    Belohnung für die USA
    Das Taktieren ist Gulati gut bekommen. Er sitzt seit 2013 im Spitzengremium des Weltverbandes, das nach einer Umbenennung nun FIFA-Rat heißt, organisierte im Hintergrund die Wahl von Blatters Nachfolger Gianni Infantino, beteiligte sich kurz darauf am Rauswurf der internen Kontrolleure und wird demnächst vermutlich für all das belohnt. Mit der Ausrichtung der WM 2026, mit einem noch die dagewesenen Drei-Länder-Programm mit Kanada und Mexiko als Mitveranstalter.
    "Check this out. One, two, three. Three countries could host he world’s largest soccer competition for the first time ever.”
    Angeblich sogar mit voller Unterstützung von Donald Trump, obwohl der bis dahin eine Mauer zwischen den Vereinigten Staaten und dem Nachbarland Mexiko errichtet haben will. Sunil Gulati sah darin im April kein Problem:
    "The President of the United States is fully supportive and encouraged us to have this joint bid. He is especially pleased that Mexico is part of this bid.”
    Erhebliche Quotenverlute und finanzielle Einbußen
    Was gut ist für Gulati, ist allerdings nicht unbedingt gut für die FIFA. Denn die dubiose Entscheidung für Katar zog eine weitere, ganz praktische nach sich: Man verlegte den Austragungstermin aus dem unerträglich heißen Sommer in die Vorweihnachtszeit und konfrontierte nicht nur Europas Top-Ligen, sondern vor allem die Fernsehsender Fox und Telemundo in den USA mit einem riesigen Problem. Sie bezahlen zusammen fast 600 Millionen Dollar für die Übertragungsrechte. Nun wird die WM ausgerechnet dann laufen, wenn Football und Basketball das Interesse der Sportfans absorbieren. Die Folge: erhebliche Quotenverluste und finanzielle Einbußen im Werbemarkt.
    Was tat die FIFA? Sie vermachte den beiden 2015 kurzfristig als Entschädigung einfach die Rechte für 2026. Man vermied so einen Rechtsstreit. Das Schlechte, sagt Tariq Panja, Reporter beim amerikanischen Mediendienst Bloomberg News, wo man sich traditionell mit Wirtschaftsthemen beschäftigt.
    "Ein Mitglied des FIFA-Vorstands hat mir gegenüber angedeutet, dass sie dadurch womöglich 500 Millionen Dollar eingebüßt haben.”
    Ein halbe Milliarde. Viel Geld für eine inzwischen defizitäre Organisation mit Imageproblemen und argwöhnisch gewordenen Sponsoren. Und alles nur, um etwas auszubügeln, was von einem Missgriff zu einer ganzen Kette von Fehlentscheidungen geführt hat.
    Präjudiz für Vergabe der WM nach Nordamerika
    In diesem Fall, sagt Panja, der diese Information nach langen Recherchen als erster herausfand, vermied der Verband die übliche Ausschreibung mit konkurrierenden Bietern, die sich hochschaukeln. Eine derartige Auktion hätte dem Weltverband weit mehr Geld eingebracht.
    In der Beschwichtigungsgeste steckte übrigens bereits das Präjudiz für eine Vergabe der WM nach Nordamerika. Was Gulati, im Hauptberuf Professor für Wirtschaftswissenschaften, sofort erkannt haben dürfte. Denn für diesen Fall greift eine Sonderklausel. Dann müssen Fox und Telemundo nämlich automatisch einen Aufschlag bezahlen. Der beläuft sich laut der Bloomberg-Recherche auf rund 300 Millionen Dollar.