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Film der Woche
"Ghost in the shell" - Eine Kulturgeschichte der Mensch-Maschine

Was unterscheidet den Menschen von der Maschine, wenn Teile des Körpers durch Prothesen und künstliche Implantate ersetzt werden? Um diese Fragen geht es in der neuen Manga-Verfilmung "Ghost in the Shell". Der Geist in der "Mensch-Maschine" beschäftigt bereits seit Jahrhunderten Literatur, Philosophie und Wissenschaft - und hat im Film ganz unterschiedliche Genres inspiriert.

Von Hartwig Tegeler | 30.03.2017
    Scarlett Johansson in einer Filmszene aus "Ghost in the Shell"
    Die Mensch-Maschine im Film: Scarlett Johansson in "Ghost in the Shell" (imago / Entertainment Pictures / ZUMAPRESS.com )
    "Was bist du?"
    Das ist grundsätzlich das Problem, wenn es auftaucht im Film, dieses Mischwesen aus Mensch und Maschine.
    "Er war kein Mensch!"
    Oder doch? Sofort ist sie da, die tiefsitzende Angst, die Ahnung, dass hier etwas mächtiger sein, werden könnte als ich, als wir.
    "Sie haben mich erschaffen, aber sie können mich nicht kontrollieren", sagt die Cyborg-Frau in "Ghost in the Shell". Der Polizist im Film "I, Robot" hasst die Roboter, die seine Welt bevölkern. Selbsthass, weil er selbst fast ein Cyborg ist. Noch nicht vollständig künstlich, wie Scarlett Johanssons Figur in "Ghost in the Shell", aber eine Körperhälfte ist nach einem Unfall mit maschinellen Ersatzteilen "rekonstruiert" worden.
    "Ich wusste nicht, dass ein Objekt, ein Mensch so weitgehend repariert wurde."
    Die Furcht vor den Mensch-Maschinen
    Von den Robotern in "I, Robot", den Cyborgs in der Serie "Westworld" oder jetzt in "Ghost in the Shell": Durch all diese Erzählungen mäandert die Furcht, dass die Mensch-Maschinen-Mischwesen, wie wir sie selbst geschaffen haben, dass sie eines Tages die Macht übernehmen.
    "'Ihr werdet euch nicht bewegen. Befehl bestätigen'. 'Befehl bestätigt!'"
    Der Cyborg: Menschenähnlicher Menschenersatz. Er nimmt uns die Arbeit ab - und das klingt zunächst verführerisch. Cyborgs "vereinen die Ausdauer einer Maschine mit der Anmut und Schönheit des menschlichen Körpers und machen Ihr Leben sicherer und besser!"
    "Ich weiß nicht, was Sie sind."
    "Ist das der Mensch?"
    Die Angst, dass wir uns von der Maschine schon lange haben vereinnahmen lassen, dass die kleinen Roboter im Alltag unsere Selbstbestimmung zu unterwandern beginnen und unsere Identität in Frage stellen.
    "Ein Blick auf die Haut, und wir denken, dass wir genau wissen, was darunter ist."
    "Wo ist da noch die Grenze?"
    "Geschichte von Göttern"
    Und wo stehen wir, wenn es, wie in Ridley Scotts "Blade Runner", nur noch mit komplizierten Tests möglich ist, überhaupt den Unterschied zwischen den Menschen und den Maschinenwesen klar auszumachen?
    "Was ist dann noch der Unterschied?"
    Im "Star Trek"-Film "Der erste Kontakt" gehören die Mischwesen zur gefürchteten Spezies in der Galaxis, weil sie andere Wesen - wie eben den Menschen - in sich einzusaugen versuchen. Auch das ist eine dieser Albtraum-Fantasien aus der Science-Fiction. Als Kehrseite des Omnipotenz-Wahns des Menschen, den der junge IT-Experte im Film "Ex Machina" auf den Punkt bringt:
    "Eine Maschine zu konstruieren, die ein Bewusstsein hat, ist nicht eine Geschichte der Menschheit, es ist die Geschichte von Göttern."
    Gott sein - homo deus. Zur Allmachtsfantasie gehört im dystopischen Science-Fiction-Film aber eben dies dazu, wie das Amen in der Kirche: Die Geschöpfe pflegen der Macht ihrer Schöpfer zu entgleiten.
    Der Cyborg als Spiegel
    "'Hallo!"
    "Hast du einen Namen?"
    "Ja, Ava."
    Schon der Ton der Maschinenfrau Ava, verführerisch trotz Maschinen-Karbon-Körper, lässt eine Drohung anklingen.
    "Hast du jemanden, der mit dir Tests durchführt und dich vielleicht abschaltet?"
    "Nein, habe ich nicht."
    "Warum ich?"
    Der Schöpfer der KI, der künstlichen Intelligenz, in "Ex Machina", der vielleicht gar nicht so verrückte Wissenschaftler, meint nur:
    "Hast du Mitleid mit Ava? Hab Mitleid mit dir selbst, Mann. Irgendwann sehen uns die KIs rückblickend genauso, wie wir irgendwelche fossilen Skelette in der Wüste von Afrika sehen."
    Das ist die Angst des Menschen, seit Julien Offray de La Mettrie 1748 in seinem Werk "Der Mensch als Maschine", 300 Jahre vor unseren Molekular- und Genomforschern, euphorisch über unsere Maschinenhaftigkeit philosophierte.
    "Es hat immer Geister in der Maschine gegeben!"
    Die Cyborgs sind aber auch unsere Spiegel. Wenn Scarlett Johansson im Film "Ghost in the Shell" als Mensch-Maschine-Hybrid in die Welt schaut und sagt: "Alle um mich herum fühlen sich irgendwie verbunden. Verbunden mit etwas, das ich nicht bin" - über wessen Einsamkeit spricht hier dieser Cyborg mit dem künstlichen Körper und dem Geist, der Seele in einer künstlichen Biokapsel?