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Film
Die Legende vom Heiligen Yves

Yves Saint Laurent war Modemacher und selbst eine der größten Stilikonen seiner Zeit. Dem Regisseur Jalil Lespert ist ein recht treffendes Porträt des Modedesigners gelungen. Allerdings übt der Film keine Kritik aus, sondern ist eher eine Art postumes Auftragswerk.

Von Rüdiger Suchsland | 12.04.2014
    Entspannung in der Sonne: Pierre Niney als Yves Saint Laurent
    Der Schauspieler Pierre Niney im Film als Yves Saint Laurent. (Tibo & Anouchka/SquareOne/Universum Film/dpa)
    "Meine Kleider, meine Entwürfe - damit drücke ich mich aus. Wenn man mir das nimmt, sterbe ich."
    Die Mode war sein Leben: Yves Saint Laurent, war nicht nur ein einfacher Modemacher, er war "der" Modezar seiner Zeit, ein Schöpfer neuer Trends wie sonst nur Coco Chanel und Pierre Cardin, und galt zu seiner erfolgreichsten Zeit, den Sechziger und Siebziger Jahren, als Revolutionär.
    Saint Laurent war selbst eine der größten Stilikonen des Jahrhunderts. Eine der schillerndsten Persönlichkeiten des internationalen Jet-Set und ein Meister jenes kollektiven Imaginären, des Showbusiness, das wir Mode nennen. Saint Laurents Schöpfungen begeistern bis heute die Reichen und Berühmten und die Idole der Käufer-Massen, von Catherine Deneuve bis Carla Bruni, die zeitweise als seine "Musen" galten.
    Saint Laurents Leben zu verfilmen - keine leichte Aufgabe - denn wie dramatisiert man eine Biographie, die beruflich vor allem im Zeichnen von Entwürfen und Ankleiden von Models bestand, im Schnippeln an Stoffen und Herumzupfen an Kleiderständern.
    Pierre Bergé ist die heimliche Hauptfigur
    Immerhin, das Privatleben bietet Material: Saint Laurent war Kind einer stinkreichen Unternehmerfamilie und bekannte sich zu seiner Homosexualität - was allerdings im Modebetrieb nie ein Problem war.
    Sein Lebensgefährte wie Geschäftspartner war der als Sammler und Kunstmäzen berühmte Pierre Bergé. Energisch, eloquent, gerissen, ist er die heimliche Hauptfigur von Lesperts Film; denn aus seiner Perspektive ist dieser Film erzählt - im Rückblick, im Stil einer imaginären Grabrede, eines Briefs an einen Toten:
    "Du liebtest die Schönheit Yves - niemand weiß, woher Geschmack kommt. Der Instinkt. Das bringt einem niemand bei..."
    So weit, so gut - allerdings macht dieser Zugang klar, dass Lesperts Film niemals Kritik übt oder wenigstens ironische Distanz zu seinem Gegenstand aufbaut. Es handelt sich vielmehr um eine Art postumes Auftragswerk - eine distanzlose schwärmerische Hagiographie, die Legende vom heiligen Yves.
    "An jenem Tag trat der Ruhm in Dein Leben, und er hat Dich seitdem niemals verlassen."
    Auch dieser anbiedernde Ton wäre verzeihlich, hätte der Film nicht eine viel größere Schwäche: Denn wie geschmacklos darf ein Film über Geschmack sein? Wie stilbewusst müsste ein Film sein, bei dem es permanent um Stilfragen geht?
    Kontrapunkt zum gegenwärtigen Neobiedermeier
    Jalil Lespert Film ist nicht nur erzkonservativ in seinen sülzigen Dialogen und seiner amerikanisierten, hemmungslos verkitschten Machart, die sich den (ungebildeten Banausen) im Publikum anbiedert und alle Film-Ästheten dagegen vor den Kopf stößt.
    Der Film ist vor allem unglaublich spießig - wie er Saint Laurents Drogenexzesse mit sehr sehr spitzen Fingern anfasst, und Sex-Orgien in Algerien auf eine Weise andeutet, als wären wir geistig-moralisch zurück in den 50er Jahren. Sind wir vielleicht auch als Gesellschaft - aber Yves Saint Laurent war es nie. Libertär und freiheitlich, immer bereit zum Experiment mit sich selbst, könnte er ein Vorbild sein und ein Kontrapunkt zum gegenwärtigen Neobiedermeier.
    Hätte er diesen Film gesehen, wäre er selbst bestimmt spätestens nach der Hälfte schreiend aus dem Kino rausgerannt, weil er es nicht mehr ausgehalten hätte vor Langeweile.
    Trotzdem hat Lesperts Biopic immerhin ein paar Verdienste: Zum einen gelingt ihm gelegentlich ein recht treffendes Portrait des Modedesigners. Der erscheint im Film als widersprüchliche Persönlichkeit - einerseits introvertiert und scheu, dann aber wieder egoman und eitel.
    Außerdem wirft er immer wieder eine interessante Frage auf: Ist Mode eigentlich Kunst?
    Eine bestimmte Art von Genie
    "Mode ist keine ernsthafte Kunst. Sie ist genau genommen gar keine Kunst."
    So antwortet Saint Laurent selbst in diesem Film. Doch wer seine Mode sieht, wer sieht, wie er an Details feilte, wie er sich selbst aufrieb für die Perfektion seiner Entwürfe, der erkennt: Eine bestimmte, sehr besondere Art von Kunst ist Mode schon. Saint Laurent war kein Mozart oder Vermeer. Aber eine bestimmte Art von Genie hatte auch er.
    In seinen allerbesten Momenten ist dieser Film insofern eine großartige Hommage: An Yves Saint Laurent und an die Mode, die Erinnerung an eine ganz bestimmte, sehr präzise Welt zwischen Paris und Mailand, die spätestens mit dem Ende des 20. Jahrhundert vergangen ist. Heute tragen die Berühmtheiten in den Illustrierten Jeans, T-Shirt und Tattoos.