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Film "Love Steaks"
Total unglamourös und regressiv

Jakob Lass hat in seinem Spielfilmdebüt seine Chance genutzt: Formal ist "Love Steaks" anarchistisch und leidenschaftlich, intelligent und clever. Der Film lässt sich Zeit und geht auf seine Figuren ein. Die muss man nicht lieben, um sie interessant zu finden.

Von Rüdiger Suchsland | 22.03.2014
    Regisseur Jakob Lass nach der Verleihung des Max Ophüls Preises
    Regisseur Jakob Lass nach der Verleihung des Max Ophüls Preises (dpa / picture alliance / Oliver Dietze)
    "Guten Tag, ich würde Ihnen jetzt, bevor wir anfangen, unsere Produkte vorstellen" - "Wenn Du dem Gast unsere Produkte zeigst" ... "Der Genitalbereich ist ja tabu, total tabu".
    Eine Amour-Fou Geschichte, große Gefühle, ein Mann, der wie einst der "Taxi Driver" eine Frau rettet, indem er die ganze Welt zu opfern bereit ist, ein Junge, der den inneren Panzer knackt und zum echten Kerl wird, als ihm die richtige Blondine über den Weg läuft. So könnte man die Geschichte von "Love Steaks" zusammenfassen: "bigger than Life", großes Kino am Ostseestrand.
    Man könnte alles auch ganz anders erzählen: Ostdeutsche Tristesse und westdeutscher Kapitalismus-Neusprech treffen sich: Ein Wellness-Hotel, in dem mehr Controller arbeiten als Zimmermädchen, eine so taffe wie versoffene Provinzgöre, die dort als Köchin arbeitet und ihre Kollegen mit Schnitzeln verkloppt, und der nuschelnde Masseur des Hauses, der tagsüber das welke Fleisch der Kunden durchwalkt und voller Sanftheit eincremt, ein Softie, wie er im Buche steht, recht unbedarft und sozial gestört, ein Vegetarier und Antialkoholiker.
    Solche Paare finden sich nur im Kino. "Love Steaks" dreht die Geschlechterrollen um, und fertig ist das neue Traumpaar des deutschen Films; denn der Gender Trouble bleibt auch der alte. Wie die Frau die Säuferin ist, und er der Sensible - das ist nicht gut anzuschauen und in seiner Moral sogar ziemlich spießig, und insgesamt ist es schon zum Fremdschämen, was man sich da knapp 90 Minuten anguckt: Wenig schöne Menschen in hässlicher Umgebung tun hässliche Dinge - und manchmal fragt man sich, ob "Love Steaks" die Klischees des deutschen Problemfilms jetzt ironisiert oder selber einer ist.
    "Wir müssen uns reiben ... aneinander reiben ..."
    Unerträglich. Wie bei Fassbinder. Und gerade in diesem Unerträglichen, diesem Fremdschämfaktor, liegt die Provokation und die Kraft von "Love Steaks". Wie bei Fassbinder. Der könnte unter den heutigen perversen Umständen der deutschen Kinoförderung und Filmfinanzierung keinen einzigen seiner Filme machen, so wenig wie Fritz Lang. Schauen wir hin: Volker Schlöndorff dreht in Frankreich, Wim Wenders und Werner Herzog in Amerika und Alexander Kluge macht Fernsehen.
    Darum gibt es Filme wie "Love Steaks" und Regisseure wie Jakob Lass, denn er hat in seinem Spielfilmdebüt seine Chance genutzt: Formal ist "Love Steaks" anarchistisch und leidenschaftlich, intelligent und clever. Der Film lässt sich Zeit, steigt auf seine Figuren ein, die man nicht lieben muss, um sie interessant zu finden.
    Darin liegt sein Erfolgsgeheimnis. "Love Steaks" hat eine positive Ausstrahlung. Und eigentlich können deutsche Filme zwar noch viel mehr, aber es könnten auch mehr in die Richtung dieses Films gehen.
    Denn er passt sich nicht an und versucht wenigstens etwas, was den faulen Kompromiss des Konsenskinos sprengt, die Eingriffe der zwangsläufig mitredenden Bedenkenträger in den Fernsehsendern, die alles glattbügeln, was keine Quotengarantie verspricht, und die es derzeit selbst etablierten Regisseuren oft unmöglich machen, noch Filme zu drehen.
    All das ist Jakob Lass nur möglich, weil sein Debüt ein Studentenfilm ist. Mit Laien, ziemlich improvisiert und in Arte Povera-Ästhetik gedreht, und darum kann man über diesen Film nicht reden, ohne ihn ins Verhältnis zu setzen zu einer Förderpolitik, die solche Filme eher verhindern will.
    Wenn ein Film derart mit Preisen überhäuft wurde - allein vier Preise in München - gibt es zwei sehr natürliche Reflexe: Der erste lautet: Der muss ja toll sein. Der Zweite: Der kann gar nicht so gut sein. Und tatsächlich gab es manchen, der im Januar in Saarbrücken, als "Love Steaks" auch noch auf alle anderen Auszeichnungen den Max-Ophüls-Preis obendrauf bekam, nicht wenige, die fanden: Jetzt ist es aber genug, so toll ist der Film dann doch wieder nicht. Stimmt auch.
    Trotzdem sollte man sich in beide Richtungen nicht blenden lassen und "Love Steaks" einfach anschauen als das, was es ist: Ein kleiner, feiner Erstlingsfilm, gemacht von Potsdamer Studenten, die Gottseidank nicht auf ihre Professoren hören, sondern einfach das tun, worauf sie Lust hatten, mit so unglaublich wenig Geld, dass ein Til Schweiger oder Matthias Schweighöfer dafür morgens nicht mal aus dem Bett kämen. Nicht "Fuck ju göthe", sondern fuck you Fernsehen und Filmförderung. Nicht mehr und nicht weniger.
    Man muss den Film deshalb aber nicht zum Manifest des neuen Mannes ausrufen. Und sich wünschen, dass in Zukunft alle deutschen Filme so sind wie dieser, so total unglamourös und regressiv - das kann man auch nicht. "Wir müssen uns reiben ... aneinander reiben ..."