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Filme der Woche
Heldenepos, Einladung zum Selbstmord und Selbstfindungstrip

In dieser Woche kommt Angelina Jolie mit ihrer zweiten Regiearbeit "Unbroken" in die deutschen Kinos. Außerdem starten "Der große Trip – Wild" von Jean-Marc Valée und "Amour Fou" von der Wienerin Jessica Hausner.

Von Jörg Albrecht |
    US-Schauspielerin und Regisseurin Angelina Jolie lehnt mit geschlossenen Augen an der Schulter des 96 Jahre alten US-Athleten und Kriegshelden Louie Zamperini (undatierte Aufnahme). Der frühere olympische Langstreckenläufer ist die Inspiration für Jolies zweite Regiearbeit. "Unbroken".
    Regisseurin Angelina Jolie mit dem 96 Jahre alten US-Athleten und Kriegshelden Louie Zamperini, der sie zu ihrem neuen Film "Unbroken" inspirierte. (picture alliance / dpa / Universal Pictures)
    "Amour Fou"
    "Möchten Sie mit mir sterben wollen?"
    "Aber nein."
    "Aber mit der Pistole geht es recht schnell. Erst erschieße ich Sie und dann ich mich. Sie würden mich damit sehr, sehr glücklich machen. ..."
    In diesen Worten über den gemeinsamen Tod als dem ultimativen Liebesbeweis liegt eine gewisse Komik. Die ist durchaus beabsichtigt in Jessica Hausners "Amour Fou" über Heinrich von Kleist und seinen Selbstmordplan, den er am 21. November 1811 in die Tat umsetzen sollte. Des Daseins überdrüssig beabsichtigt der Dichter aus dem Leben zu scheiden. Nur will er, wie er betont, keinesfalls allein und ohne Liebe sterben.
    "Daher suche ich nun das Glück, eine Seelenverwandte zu finden, die mein Leiden versteht und mir ähnlich ist, sodass wir gemeinsam sterben wollen."
    "Und da haben Sie an mich gedacht?"
    Nachdem Cousine Marie die Einladung zum Selbstmord dankend abgelehnt hat, ist es seine Bekannte Henriette Vogel, in der Heinrich diese Seelenverwandte findet. Dass sie mit ihm zusammen den Weg gehen will, ist allerdings nicht dem Weltschmerz geschuldet, sondern einer ärztlichen Diagnose. Die Mediziner haben bei Henriette ein unheilbares Leiden entdeckt.
    "Jetzt möchte ich mit Ihnen doch lieber sterben als durch diese scheußliche Krankheit allein im Krankenbett."
    "Ich hätte nicht mehr damit gerechnet."
    "Ich auch nicht."
    "Und jetzt bin ich doch überrascht."
    "Und ich nicht minder."
    Bei ihrer Chronik eines angekündigten Todes verzichtet Jessica Hausner fast völlig auf eine biografische Annäherung an Heinrich von Kleist. Stattdessen stellt sie Henriette in den Mittelpunkt. Dabei gilt ihr Interesse vor allem der Rolle der Frau in einer erstarrten preußischen Gesellschaft, die mit den Ideen der Französischen Revolution konfrontiert wird. Deren Unbeweglichkeit und Steifheit spiegelt sich bei Jessica Hausner in jedem – wie eingefroren wirkenden – Bild.
    "Amour Fou" ist eine Art romantische Tragikomödie – aufgezogen als stilisiertes Kammerspiel mit Menschen, die in ihren Rollen gefangen sind und die einem leider vollkommen egal sind.
    "Amour Fou": enttäuschend
    "Unbroken"
    "Louis, ein kurzer Moment des Schmerzes für ein Leben voller Ruhm. Nicht vergessen, klar? ..."
    Niemals aufgeben, es erdulden. Egal wie hart es auch sein wird. Was für den amerikanischen Sportler Louis Zamperini bei Olympia 1936 gegolten hat, trifft auf den Soldaten Louis Zamperini während des Zweiten Weltkriegs erst recht zu. Denn seine 47 Tage als Schiffbrüchiger wie auch die zwei Jahre seiner Kriegsgefangenschaft in Japan sollten weit mehr sein als nur ein kurzer Moment des Schmerzes.
    "Halte durch – dann kommst du durch! ... Mein Bruder Pete hat das immer gesagt. Er hat auch gesagt, ich könnte alles schaffen. Er hielt mich immer für besser, als ich bin."
    "Wer sagt, dass Sie es nicht sind?"
    Zamperini hat überlebt und ist in den USA als Kriegsheld gefeiert worden. Für Angelina Jolie sei es ein Herzensprojekt gewesen, Zamperinis Lebensgeschichte zu verfilmen. "Unbroken" heißt ihr Film. Der Titel ist Programm. Mehr als zwei Stunden dauert dieses Heldenstück, das auch gut "Die Passion des Louis" hätte heißen können – in Anlehnung an den von Mel Gibson verfilmten Leidensweg Christi.
    "Ihr seid Feinde von Japan. Und wir werden euch auch so behandeln. ... Sieh mir in die Augen! ..."
    Um die Willenskraft und Unbeugsamkeit ihres Protagonisten darzustellen, bemüht Angelina Jolie am Ende sogar die Symbolkraft des Gekreuzigten. "Unbroken" ist so effektiv wie simpel gestrickt. In Kriegszeiten wäre dies ein geradezu perfekter Durchhaltefilm. Das nun aber als eigene Handschrift der Regisseurin zu würdigen, wäre ganz sicher zu viel der Ehre.
    "Unbroken": zwiespältig
    "Der große Trip – Wild"
    "Ich muss Ihnen eins sagen: weibliche Landstreicher – schwer zu finden. ...
    "Wie lange leben Sie schon auf der Straße?"
    "Ich lebe nicht auf der Straße. Ich wandere auf dem Pacific Trail."
    Sie ist dann mal weg. Doch nicht über den Jakobsweg führt hier der Wanderweg zu sich selbst. Die von Reese Witherspoon gespielte Cheryl Strayed, auf deren Buch "Der große Trip" der Film basiert, ist den fast 2.000 Kilometer langen Pacific Crest Trail an der Westküste der USA gegangen.
    ""Ich habe nur noch 300 Meilen vor mir. Ich wünsche mir sehnlichst, dass es vorbei ist. Aber ich habe auch schreckliche Angst davor. Wenn es vorbei ist, habe ich nur noch 20 Cent in der Tasche. Aber ich muss anfangen zu leben. Und ich bin alles andere als bereit dafür."
    Eine Herzensangelegenheit ist auch dieser Film gewesen – in diesem Fall für Reese Witherspoon. Sie hat die Buchrechte erworben und mit ihrer Produktionsfirma die Verfilmung auf die Beine gestellt. Die Regie allerdings hat sie Jean-Marc Valée überlassen, der zuletzt das sehenswerte Drama "Dallas Buyers Club" inszeniert hat. Eine gute Entscheidung. Denn Valée findet mehr als nur Postkartenbilder und abgegriffene Szenen für den Selbstfindungstrip. "Wild – Der große Trip" erzählt fast spröde und gerade deshalb umso berührender von einer genauso couragierten wie zweifelnden jungen Frau, die mit ihrer katastrophalen Vergangenheit abschließen will.
    "Der große Trip – Wild": empfehlenswert