Freitag, 19. April 2024

Archiv

Filmfestspiele Cannes
Altmeister und Debütantinnen

Das Wetter in Cannes ist schlecht, dafür sind die Filme gut. Pedro Almodóvar blickt selbstironisch auf das Älterwerden, während Ken Loach mal wieder den Kapitalismus kritisiert. Die große Überraschung bisher: Mati Diops "Atlantique" über afrikanische Frauen, deren Männer nach Europa aufgebrochen sind.

Von Maja Ellmenreich | 19.05.2019
Penelope Cruz küsst Pedro Almodovar auf die Wange beim 72. Filmfestival in Cannes, 2019
Pedro Almodovar und Penelope Cruz beim 72. Filmfestival in Cannes (imago / Laurent Guerin / EliotPress / 72th Film Festival of Cannes 2019)
Es fließt das Blut, und es fliegen Fäuste und Kugeln. Selten zuvor ging es beim Internationalen Wettbewerb in Cannes so brutal zu wie in diesem Jahr. Auf der Leinwand wird unablässig gemordet und gefoltert. Dabei beeindrucken aber insbesondere die Filme, die auf explizite Gewaltdarstellung verzichten.
Die französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop erzählt in ihrem ersten Spielfilm von der wirtschaftlichen Not in Dakar, die junge Männer zur Flucht nach Europa treibt. Denen, die zurückbleiben, widmet sie ihren eindringlichen Film "Atlantique". Eine Geschichte, die um Verzweiflung, Sehnsucht und Unsicherheit kreist und diese Gefühle in Szene zu setzen weiß. Ein phantastischer Film – in jeder Hinsicht.
Europäische Autorenfilmer
Allzu erwartbar dagegen ist der neue Film von Ken Loach, der schon vor Jahren seine Regiekarriere für beendet erklärt hatte, dann aber doch wieder aktiv wurde. In "Sorry we missed you" greift er dieses Mal die Missstände in der Pflege- und der Paketservice-Branche auf. Für Menschlichkeit ist keine Zeit mehr, alles ist nur noch auf Optimierung ausgerichtet. Eine kleine Familie droht, an dieser Härte zu zerbrechen. Ken Loach, der weise alte Mann des europäischen Arthouse-Kinos, hebt mal wieder den mahnenden Zeigefinger: inhaltlich zu Recht, aber filmisch wenig überraschend.
Auch der Spanier Pedro Almodóvar ist wieder einmal an die Croisette gekommen, um im Wettbewerb von Cannes seinen jüngsten Film vorzustellen. In "Leid und Herrlichkeit" spielt Antonio Banderas einen alternden Filmregisseur, der Almodóvar zum Verwechseln ähnlich sieht. Sein Alter Ego lässt Almodóvar einen liebevollen Blick in die Vergangenheit werfen und versöhnliche Begegnungen in der Gegenwart erleben. Trotz der Almodóvar-typischen Knallfarben ist "Leid und Herrlichkeit" ein zarter, ja ein zärtlicher Film über die Erschwernisse des Älterwerdens.