Montag, 20. Mai 2024

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Filmkritik: "Der Affront"
Risse in der libanesischen Gesellschaft

Ein Abflussrohr als Auslöser eines Streites, der zwei Männer, ihre Familien und schließlich ein ganzes Land erfasst. Von Anfang an macht der libanesische Regisseur Ziad Doueiri klar, dass sich hinter dem eskalierenden Zwist zweier Hitzköpfe andere, tiefere Konflikte verbergen.

Katja Nicodemus im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 25.10.2018
    Filmstill aus "Der Affront" des Regisseurs Ziad Doueiri: Shirine (Rita Hayek) und Tony (Adel Karam)
    Filmstill aus "Der Affront" des Regisseurs Ziad Doueiri: Shirine (Rita Hayek) und Tony (Adel Karam) (Alpenrepublik )
    Toni, der Automechaniker, Angehöriger der christlichen Minderheit des Libanon, hat als Kind ein Massaker muslimischer Milizen überlebt. Yasser wiederum ist Palästinenser und darf aufgrund seiner Herkunft seinen Beruf als Bauingenieur nicht ausüben. Der kluge Ansatz von "Der Affront" besteht darin, dass den beiden Männern die wahren Gründe ihres Zusammenpralls nicht bewusst sind, sagt Dlf-Filmkritikerin Katja Nicodemus. Eher beiläufig streut Ziad Doueiri Hinweise auf ihre Herkunft und religiöse Zugehörigkeit ein. Als der Streit vor Gericht kommt, wird die kulturelle Identität der Kontrahenten von ihren Anwälten instrumentalisiert und ausgeschlachtet – bis hin zu einem Schauprozess, der das ganze Land erfasst.
    Parabel über gespaltene Gesellschaften
    Der Film, der ins Rennen um den Auslandsoscar geht, zeichnet ein differenziertes Bild der libanesischen Hauptstadt Beirut, ihrer Milieus, Klassen, religiösen Gruppen, entwickelt sich aber auch zur universellen Parabel über gespaltene Gesellschaften – und über die unseligen Folgen einer in Gruppen, Gruppierungen und emphatisch betonte Identitäten zerfallenden Gesellschaft.