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Filmkritik
Intelligenter Genrefilm der Extraklasse

"Stereo", der neue Film von Maximilian Erlenwein, ist sowohl große Oper als auch ein kleiner, dreckiger Film, meint Kinokritiker Josef Schnelle. Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu sind das Zweierteam, das diesen Film prägt: Beide agieren trefflich im verminten Genrekino.

Von Josef Schnelle |
    Die Schauspieler Moritz Bleibtreu (r), Jürgen Vogel (l) und der Regisseur Maximilian Erlenwein (M) posieren am 19.07.2013 während Dreharbeiten des Films «Stereo» in Halle.
    Die Schauspieler Moritz Bleibtreu (r), Jürgen Vogel (l) und der Regisseur Maximilian Erlenwein (M) während Dreharbeiten des Films "Stereo" in Halle. (dpa / Stefan Erhard)
    "Steht da jemand hinter mir?" - " Sind Sie gaga?" - "Hältst Du mich für gaga, weil die Frage so hirnrissig ist oder weil so offensichtlich ist, dass da jemand hinter mir steht?" -"Vielleicht ist er unsichtbar. Macht er Geräusche?" - "Nein, er macht keine Geräusche. Er sagt auch nichts." - "Töte sie!" - "Was?" - "Töte sie." - "Jetzt hat er gerade was gesagt. Habt ihr das gehört?" - "Was hat er denn gesagt?" - "Sag mir einfach, ob da jemand ist oder nicht."
    Erik ist ein Motorradschrauber und endlich - so glaubt er - hat er sein Glück gefunden mit Julia und deren kleiner Tochter. Er zieht mit der neuen Patchworkfamilie in eine Kleinstadt auf dem Land. Doch dann taucht dieser nervige Typ mit dem Kapuzenpulli auf. Und nach einer Weile fängt er auch noch an zu reden.
    "Eh, komm, jetzt entspann dich mal, schieb hier nicht so'n Punk. Entspann dich mal. Ich will Dir helfen Mann. Ich bin übrigens Henry."
    Henry lässt Erik nicht mehr aus den Klauen. Was will er? Gibt's ihn überhaupt, denn nur Erik scheint ihn tatsächlich zu sehen. Immer wieder ist Henry in der Nähe. Sitzt einfach im hohen Gras nebenan oder kommentiert die Gespräche, die Erik mit seiner Freundin führt. Erik versucht, den unbequemen Begleiter wieder los zu werden und begibt sich dann doch auf eine völlig unerwartete Albtraumreise in die Welt des organisierten Verbrechens.
    Schatten der Vergangenheit
    Wer oder was ist Henry? Ein Schatten? Ein Doppelgänger? Eine düstere Bedrohung? Die Erinnerung an eine vergessene Schuld? Ein Mahner oder ein Rächer? Und dann tauchen auch noch zwei durchgeknallte, gar nicht so kleine Gangster auf, die sogar Eriks neue Familie bedrohen. Sie behaupten etwas von "früher" zu wissen und sind völlig sicher, dass Erik ein Anderer ist. Erik versucht die auftauchenden Schatten der Vergangenheit abzuschütteln, doch wer kann ihm dabei helfen. Henry vielleicht?
    "Sag mal, merkst Du nicht, dass die dumme Kuh versucht, einen aus dir zu machen, der du gar nicht bist. Wieso lässt du das zu? Wenn sie merkt, dass du nicht alle Tassen im Schrank hast, dann verlässt sie dich sowieso. Warum erzählst du ihr nicht lieber, dass Linda heute Morgen fast draufgegangen wär, weil du nicht fähig bist, auf sie aufzupassen." - " Jetzt verschwinde."
    Albtraumkino
    Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu sind das Zweierteam, das diesen Film prägt. Regisseur Maximilian Erlenwein schickt sie vom einem in den nächsten Albtraum, jongliert mit den Versatzstücken des Paranoiathrillers, bis kaum mehr klar ist - wer wer sein könnte. Es geht blutig zu. Erlenwein wagt sich auf vermintes Genrekinogelände, dessen Tricks und plötzlichen Wendungen man kaum zu folgen vermag.
    Kino als große Oper und als kleiner, dreckiger Film. Was steckt hinter dieser Geschichte, die lustvoll immer neue Fährten legt? Deutschlands beste junge männliche Schauspieler als Duo tun ein Übriges, um diesem Film zu einem intelligenten Genrefilm der Extraklasse zu machen.
    "Du existiert nicht." "Was soll denn das. Warum touchst du mich an?" . "Du existiert nicht . Du kannst mir nichts tun, sondern du existierst gar nicht." - "Dann ist ja alles gut."
    Es ist schwierig, über einen Film zu sprechen, über den man eigentlich nichts verraten darf. Alfred Hitchcock hat zwar gesagt, man könne alles verraten. Ein guter Film funktioniere trotzdem. Aber lieber lassen wir es nicht drauf ankommen. Verraten werden darf aber, dass Maximilian Erlenwein ein vergnüglicher, ein rasanter, ein richtig guter Film gelungen ist.
    Doch wer ist wer und warum geschieht, was geschieht? Erst nach der allerletzten Szene kann diese Frage beantwortet werden. So ergeht es auch Freundin Julia, die zunächst nicht begreift, in welcher Gefahr sie schwebt.
    "Ich hab dir doch von meinen Albträumen erzählt. Die sind schlimmer geworden. Ich hab jetzt schon tagsüber Probleme. Das geht soweit, dass ich manchmal Sachen sehe, die gar nicht da sind. " - "Was für Sachen?" - "Ich bilde mir ein, dass ich verfolgt werde, das fühlt sich manchmal so real an, dass ich nicht mehr weiß, was echt ist und was nicht." - "Ich bin echt."