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Filmkritik
Verbotene Liebe in Polen

Ein Priester verliebt sich in einen Zögling und bringt damit nicht nur sich selbst, sondern auch die katholische Erziehungsanstalt in Aufruhr. In "Im Namen des.." erzählt die Regisseurin Malgorzata Szumowska eine sinnliche Geschichte voller Sympathie für die Figuren. Allerdings auch voller holzschnittartiger Klischees.

von Rüdiger Suchsland | 15.05.2014
    Filmszene aus "Im Namen des..." von Małgorzata Szumowska. Andrzej Chyra als Pater Adam (l) hält Mateusz Kosciukiewicz als Lukasz im Wasser in seinen Armen.
    Filmszene aus "Im Namen des..." von Małgorzata Szumowska. Andrzej Chyra als Pater Adam (l) hält Mateusz Kosciukiewicz als Lukasz im Wasser in seinen Armen. (picture alliance / dpa / Salzgeber & Co. Medien GmbH)
    Adam heißt er, ausgerechnet. Wie der erste Mensch. Allerdings auch wie der, der im Alten Testament vom Baum der Erkenntnis kostet, und für den nach dieser verbotenen Frucht nichts mehr so sein wird, wie zuvor.
    Adam ist ein sehr sinnlicher, körperlicher Mensch - er treibt viel Sport, joggt gern ausdauernd im Wald, und hört dazu Musik, er spielt leidenschaftlich Fußball, er wirkt durchtrainiert, dabei sehr sensibel, und ganz im Reinen mit sich im Hier und Jetzt.
    Adam ist allerdings auch ein Priester der katholischen Kirche. Er arbeitet als Lehrer in einem Erziehungslager für schwererziehbare jugendliche Delinquenten in den Wäldern der polnischen Provinz, und bald bekommt er Probleme. Denn der Priester Adam gerät in Versuchung und kann ihr nicht widerstehen.
    Hinzu kommt noch, dass diese Versuchung nicht nur engelshaft blond ist, sondern auch ein Knabe. Handelte es sich bei dem Geschehen um eine heterosexuelle Liebe, dann wäre bei den Mitmenschen bestimmt noch eher mit augenzwinkerndem Verständnis, mit Nachsicht und christlicher Caritas zu rechnen. Aber ein Schüler der eigenen Anstalt? So wachsen bald die Bedrohungen:
    "Ich fürchte, dass etwas Schlimmes in unserem Heim vor sich geht." - "Ich kümmere mich darum. Hier wird nichts unter den Teppich gekehrt, wie man so sagt. Glauben Sie mir."
    Einerseits bringt die polnische Regisseurin Malgorzata Szumowska sämtliche Vorurteile seicht-oberflächlicher Katholizismus-Kritik zusammen auf die Leinwand: Katholische Priester sind hier freudlos, verlogen, verklemmt, sie haben klammheimlich homosexuelle - wenn nicht gar pädophile - Neigungen und vergreifen sich an Schutzbefohlenen. Alle sind, bis hin zur Frau des Heimleiters offen notgeil. Und das Klima an dieser katholischen Erziehungsanstalt ist auch - wie man es sich so vorstellt - geprägt von Repression und latentem, sexuell grundiertem Sadismus. Unter der Soutane wird gejodelt oder gepeitscht.
    Andererseits kann man dies alles natürlich auch als eine reine Ode an die allerchristlichste Tugend betrachten: die Liebe. Und manchmal genügt die des Herren im Himmel auch dem Frömmsten der Frommen eben nicht, da muss es schon ganz irdisch und fleischlich sein. Auch Priester brauchen Liebe.
    "Im Innersten unseres Wesens gibt es einen Punkt, der unbefleckt von Sünde ist. Einen Punkt, der einzigartig ist, und ausschließlich dem Herren gehört."
    In fließenden Bildern, getaucht in das sonnige Licht des Spätsommers und mit aller Könnerschaft des polnischen Filmhandwerks, erzählt die Regisseurin ihre Geschichte sinnlich, musikalisch, und voller Sympathie für die Figuren. Malgorzata Szumowska erzählt nicht nur von der bitteren Realität ihrer Figuren, sie bringt auch deren Träume, Fantasien, ja: Visionen auf die Leinwand. Und ihre Abgründe. So sehen wir Figuren, die engelsgleich sind, oder die wie der gekreuzigte Christus aussehen.
    "Im Namen des..." ist dreierlei: eine Betrachtung über die Lebenslügen der Kirche, mit offen kirchenkritischer Tendenz. Eine schwule Coming-out-Geschichte. Und die ganz universale Betrachtung eines existenziellen Konflikts: Adam hält die Widersprüchlichkeit seines Lebens nicht mehr aus.
    Wäre all das nur nicht so holzschnittartig geraten! Wäre es nicht so klischeelastig inszeniert, inklusive Masturbations- und Analsexszenen. Die verkitschten Bild-Verweise auf die christliche Ikonografie ´nennt man im Englischen treffend "cheesy". Und bis hin zum Ende passiert hier immer genau das, was jeder, der nicht zum ersten Mal ein Kino betritt, schon vorausgeahnt hat.
    So gesehen hat man den Eindruck, als ob hier ein Film nicht zuletzt auf die Vorurteile des Publikums und das gesteigerte Interesse durch Missbrauchs- und Pädophiliedebatten spekuliert. Skandalpotenzial hat so etwas aber nur in Polen.