"Alle Filmhochschulen hatten mich abgelehnt, und ich wollte in die Stadt ziehen, in der ich sowieso leben will. Und brauchte einen ganz trivialen Job und bin hier ins Kino gegangen. Das war reiner Zufall. Ich weiß noch genau, welcher Film es war. Es war „Trio Infernal" mit Romy Schneider, und der Film ist gerissen. Dann dachte ich so: Wenn das jetzt fünf Minuten dauert, könnte ich ja die Gelegenheit nutzen und mal nach einem Job fragen."
Nicht jede Filmemacherkarriere startet wie bei Tom Tykwer mit einem Filmriss. Der international renommierte Regisseur arbeitete ab Mitte der 1980er Jahre im Berliner Moviemento-Filmtheater als Kino- und Programmmacher. Und doch, das räumt Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender der „AG – Kino-Gilde", ein, spielt der Zufall im Kino noch heute eine große Rolle.
"Nachwuchskräfte kommen oft heraus, weil Kino ein klassischer Studenten- oder Nebenjob ist. Oft ergibt sich was, auch bei mir letztlich neben dem Studium. Ich habe Politikwissenschaft studiert. Dass ich daraus letztlich den Betreiber kennengelernt habe des Unternehmens, ich mich sehr eingesetzt habe für die Firma und sich am Ende des Studiums so ergeben hat, das sind letztlich die zufälligen Lebensläufe, die nicht immer die schlechtesten sein müssen und die unspannendsten sein müssen."
In über 100 Jahren keine anständige Ausbildung etabliert
Was sich im Einzelfall faszinierend anhört, deutet zugleich auf ein wesentliches Problem: In über 100 Jahren ist es der Kinobranche nicht gelungen, eine eigenständige Ausbildung zu etablieren. Dabei zeigte die Diskussion, dass es durchaus Kinofans gibt, die Interesse hätten, ein Arthaus-Kino zu führen. Das ist auch bitter nötig. Denn viele der jetzigen Arthouse-Kinomacher haben in den boomenden 70er Jahren ihre Filmtheater eröffnet oder alte Kinos zu anspruchsvollen Programmkinos umstrukturiert. Viele von ihnen sind jetzt im Alter, sich zur Ruhe zu setzt. Doch die Übergabe ist oft ein großes Problem, wie Sigrid Limprecht von der Bonner Kinemathek betont.
"Wenn sich dann Leute finden, die ganz leidenschaftlich und begeistert und kompetent sind, ein Kino zu übernehmen, dann gibt es auf der anderen Seite die Generation Kinobetreiber, die lange Zeit ihr Kino machen, oft überhaupt keinen Plan haben, wie denn jetzt die Übergabe stattfinden soll, keine Firmenstruktur haben, nicht verkaufen wollen, gleichzeitig vielleicht der Besitz nicht geregelt ist. Und letztendlich: ... Das ist meistens mit großen Investitionen verbunden."
Darüber hinaus sollten im Idealfall die künftigen Kinobetreiber den Kaufmann für Filmtheatermanagement absolviert haben, wie Moritz Busch aus Oberhausen.
"Das ist eine berufsbegleitende Ausbildung. Kein Studium. Das sind ganz einfach Dinge, die ich lernen kann, um nachher einen Betrieb zu führen. Dort werden Grundlagen in Recht, Betriebswirtschaft, Marketing und zur Filmwirtschaft in Deutschland gelehrt."
Allerdings sollten die Teilnehmer kaufmännisches Grundwissen bereits mitbringen.
"Denn was nutzt es, wenn wir mehr und mehr Filme produzieren, wir aber keine Leute haben, die letztlich auch wissen, wie man sie vermarktet. Und was man ja oft nicht sieht: Jeder denkt, ein Kino betreiben ist ganz einfach. Das ist es eben nicht. Man muss ein Gespür haben für das Programm für sein Umfeld. Man muss es auch bewerben. Aber auf der anderen Seite ist man auch Kaufmann, der Betrieb muss wirtschaftlich geführt werden. Man muss mit seinem Personal gut umgehen können. Das ist eine Vielzahl an Anforderungen, die gerade in diesen mittelständischen Betrieben auf einen stehen."
Kinomacher muss auch technisch versiert sein
Hinzu kommt, dass ein Kinomacher auch im technischen Bereich versiert sein sollte. Kinoprojektoren und Audiotechnik bedienen, Ticketsysteme erstellen, Websites aufbauen und aktualisieren. In kleinen Kinos gehört alles dazu. Doch ob künftiger Kinomacher mit oder ohne Ausbildung. Nur ganz wenige werden dabei reich. Und die Zukunftsperspektiven sind nicht rosig. Im letzten Jahr wurden hierzulande 127 Millionen Kinokarten verkauft. Seit Jahren stagnieren die Verkäufe. Und auch Christian Bräuer weiß, dass die Konkurrenz durchs Internet nicht kleiner wird.
"Nichtsdestotrotz, die letzten Jahre waren stabil, und wir merken gerade im Arthaus-Bereich, dass es da schon ein Interesse gibt des Publikums an einer Filmvielfalt. Dass die Menschen natürlich auch eine Lust haben, was draußen zu machen. Ja, man muss es ehrlich sagen, es ist ein Bereich, in dem man immer wieder kämpfen wird müssen. Aber es ist ein Bereich, in dem wir schon auch sehen, dass die Lust, sich von tollen Geschichten, sei es, dass sie nachdenklich sind oder dass sie einen verzaubern, begeistern, die wird nicht abnehmen."
Zudem verspricht die Digitalisierung des Kinos die Chance, das Programm noch vielfältiger und flexibler zu gestalten und somit künftig ein noch attraktiveres Angebot anzubieten. Das gilt besonders für Arthouse-Kinos, die nicht auf das große Hollywood-Kino setzen, sondern auf Filmkunst.