
In einem Wäldchen im brandenburgischen Sieversdorf, weitab von Nachbarn, liegt das Familienunternehmen Harsch - ein besonderer Internatsbetrieb mit besonderem Bildungsauftrag. Tierisch geht es zu, denn die Schüler decken einen Großteil des Bestands auf der Arche Noah ab. Als Filmtierschule bereiten die Harschs ihre Schützlinge für Auftritte vor Kameras vor.
"Bei uns ist es so, dass wir im Schnitt immer, natürlich mit großen und mit kleinen, um die 200 Tiere haben."
Astrid und Gerhard Harsch machen das seit 1988. Damals wurde in ihrem Reptiliengeschäft eine Vogelspinne von einer Filmagentur nachgefragt. Die Sache kam ins Rollen, das Tierspektrum legte schnell zu und das Filmtraining wurde zum Haupterwerb. 6.000 Quadratmeter groß ist die Animalfarm. Mittendrin das 500 Quadratmeter große Gebäude, einst der Dorfkindergarten. Es ist Herberge für die Tiere und die Harschs zugleich.
Freudig begleitet von einem bunten Empfangskomitee von Hunden der Größen S bis XXL nehmen wir im Garten neben den großen Raubtiergehegen Platz. Großkatzen der Marken Löwe, Tiger, Leopard, Gepard beäugen uns.
Ohne Training ist kaum ein Tier für Filmaufnahmen geeignet, erklärt der Mittfünfziger, rotblonde Haare, derbe Hände. Nicht einmal ein Huhn:
"Wenn ein ganzes Filmset mit Kameras, Lampen und 40 Verrückte, die da rumschießen, rumlaufen, dann lass mal Bauernhofhühner raus. Die sind weg, weil die kennen so etwas nicht, und die Szene funktioniert nicht."
Viele Tierschutzvorschriften zu beachten
Tiere müssen herangeführt werden an den Trubel und die Rolle. Das geschieht in einem Filmstudio.
Wildtiere in Gefangenschaft, das ist generell ein Spannungsfeld. So sehen es auch die Tiertrainer. Aber wenn schon nicht in freier Wildbahn, dann wie bei ihnen, betont Astrid Harsch:
"Wir haben ja auch Zoostatus."
Ihr Ehemann zählt einige Punkte der strengen gesetzlichen Anforderungen artgerechter Tierhaltung auf:
"Quadratmeterzahl, Innenräume, beheizt, nicht beheizt und so weiter."
Mindestens eine gründliche Begutachtung der Tiere durch das Veterinäramt jährlich, Programm zur tiermedizinischen Versorgung aller Arten, artgerechte Ernährung und Pflege, Qualifizierung der Mitarbeiter.
Im Sommer ist das Gelände fürs Publikum geöffnet. Auch dadurch ist jedes Gehege kritischen Blicken ausgesetzt. Und auch die Arbeit der Harschs nebst weiteren zwei ausgebildeten Tierpflegern, darunter der Sohn, und drei Saisonkräften. Der Zustand von Tieren und Anlage sei optimal, das Fachwissen groß, lobt der angefragte Amtstierarzt. Und die Harschs geben ihren Tieren das Gnadenbrot, wenn sie zu alt fürs Showbusiness sind.
"Wir nötigen kein Tier zu irgendeinem Blödsinn", beteuert der Tiertrainer. "Kleidung am Körper von Affen, das ist Quälerei pur." Radfahrende Bären ebenfalls. "Also, es muss immer tiergerecht sein."
Würden sie ein Tier am Filmset zu etwas zwingen, wäre das Vertrauen dahin. Einmal eine schlechte Erfahrung gemacht, sei das Tier auf ewig verkorkst, kommentiert Astrid Harsch. Was den Tieren abverlangt werden kann, das wissen die Tiertrainer und werden oft schon beim Drehbuchschreiben einbezogen.
"Das ist ja auch unser Job, dass wir sagen, was man realisieren kann und dass wir auch mal verschiedene Alternativen anbieten."
Kaum eine TV-Sendung, bei der ein Tier über den Monitor huscht, das nicht aus einer Filmtierschule käme. Besonders für Serien mit vielen tierischen Akteuren wie "Löwenzahn", "Hundkatzemaus", "Forsthaus Falkenau" oder "Tierärztin Dr. Mertens" sind die Produktionsfirmen Stammkunden in Sieversdorf. Auch in Kinofilmen zeigen die Tiere ihr Talent. Die jüngsten Streifen: "Der Kinofilm "Rubbeldiekatz" oder "Fack ju Göhte".
Gut ausgelastet und wirtschaftlich gesund ist das Unternehmen. Zu Umsatzzahlen wollen die Tiertrainer allerdings keine Angaben machen.
Wichtig: eine innige Beziehung zum Tier
"Lucy, schäm dich!"
Filmsternchen Lucy, die zottelige Briard-Dame aus "Fack ju Göhte", wird gerufen, um ihre Aufgabe im Film zu wiederholen: sie soll sich schämen, indem sie mit der Pfote die Augen bedeckt. Und hat es nicht ganz vergessen: Nach einigen Anläufen zeigt sie das Gelernte:
"Und schäm dich, schäm dich!"
Überhaupt sind Hunde, Katzen und die auf viele Tricks trainierten Raben die meistgefragten Spezies. Die Lieblingstiere aber sind die Großkatzen.
"Heute weiß ich, wie ich mit 'nem Löwen umzugehen hab. Wie der erste Löwe vor mir stand, war ich auch erstmal ein bisschen überfordert, aber es hat super funktioniert."
Viel Gottvertrauen war wohl im Spiel - und sicher Einfühlungsvermögen. Ganz wichtig sei eine innige Beziehung zwischen Tier und Trainer von klein auf:
"Die haben halt so ein Vertrauensverhältnis, dass die sagen: Wenn der Idiot da ins Studio geht, dann kann ich auch mitgehen. So muss das sein."
Eine besondere Passion hegt der Tiertrainer zu den Tüpfelhyänen, Tiere mit bulligem Hals, gewaltiger Beißkraft - und schwer zähmbar. Durch das Gitter an der Kehle gestreichelt, strecken sich Massai und Mara und brüllen vor Vergnügen.
"Sie sind eigentlich so im Umgang nichts anderes für mich wie ein Hundchen. Holen auch Stöckchen oder Balli."
Dafür steht der ehemalige Sportplatz des Dorfes bereit. Den haben die Tiertrainer vor sechs Jahren gepachtet und tiersicher eingezäunt. Er war Voraussetzung dafür, dass sich Astrid Harsch ihren Lebenstraum erfüllen konnte: Geparden. Zwei vom Muttertier in einem Zoo verstoßene Welpen wurden von ihr übernommen und großgezogen. Nun sprinten Somali und Arab mit fast Tempo 100 über den Platz.