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Fimfestspiele
Ungeteilter Beifall für den besten Film

Der Film "Eine Taube saß auf einem Ast und dachte über die Existenz nach" ist bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet worden - wofür die Jury viel Applaus erhielt. Der Gewinner des Silbernen Löwen aber wird umstritten bleiben.

Von Josef Schnelle |
    Der Schwede Roy Andersson recht den Goldenen Löwen in die Höhe.
    Der Schwede Roy Andersson hat in Venedig den Goldenen Löwen gewonnen. (picture alliance / dpa / Claudio Onorati)
    Roy Andersson aus Schweden, ein bescheidener, gemütlich wirkender Regisseur, den die Fliege zum Smoking bei der Preisverleihungsgala sichtlich zwickte, konnte sein Glück kaum fassen. Goldener Löwe für Schweden. So geschah es gestern Abend tatsächlich, dass der nach Ansicht der meisten Journalisten und Fachleute mit Abstand bester Film die wichtigste Trophäe der Filmfestspiele von Venedig mit nach Hause nehmen konnte. Sein stilsicherer Versuch über die menschliche Existenz mit fast statischen Bildern hatte alle begeistert. Selten hat eine Jury für ihre Entscheidung derart ungeteilten Beifall bekommen.
    Schon im Kino vor ein paar Tagen hatte Andersson für seinen Film "Eine Taube saß auf einem Ast und dachte über die Existenz nach" jede Menge Szenenapplaus eingeheimst. Zum Beispiel für die Szene in einer Kneipe, in der die Wirtin allen einen verbilligten Schnaps ausgibt. Wenn die Matrosen dann singen, sie hätten gar kein Geld, dann bekommen sie den Schnaps für einen Kuss.
    Umstrittene Auszeichnung für den russischen Altmeister
    Ansonsten war es dann wieder eine Gießkanne, mit der die Preise verteilt wurden. Italien bekam die Darstellerpreise. Das anfangs hochgelobte französische Filmschaffen musste sich mit dem Premio Mastroianni für den kleinen Nachwuchsschauspieler Romain Paul in "Le Dernier Coup de Marteau" von Alix Delaporte begnügen. Umstritten wird der Dilberne Löwe für die Regie des russischen Altmeister Andrej Konchalowsky bleiben, der eine kleine Dorfgeschichte um den Postboten einer entlegenen Insel und seine "Weißen Nächte" zur nostalgischen Rückbesinnung auf Mütterchen Russland und die alte Sowjetunion machte.
    Direkte politische Bezüge gibt es nicht in diesem Volkstheater, das ausschließlich mit Laien besetzt ist, aber Konchalowsky, dessen Film ganz direkt vom russischen Kulturministerium finanziert wurde, beschwört nicht nur die Tugenden des sowjetrussischen Kinos mit seinen lyrischen Naturaufnahmen und kernigen Typen herauf. Bräuchte Wladimir Putin einen Unterhaltungsfilm zu seiner Ideologie von "Neurussland", wäre Konchalowsky, der auch schon in Hollywood gedreht hat, jedenfalls zur Stelle.
    Zwei bemerkenswerte Filme
    In einem Abschlussbericht kommen die nicht ausgezeichneten Filme, besonders diejenigen, die in den letzten Tages des Festival laufen, immer ein wenig zu kurz. Zwei bemerkenswerte Filme gab es in den letzten Tagen jedenfalls doch noch. "Pasolini" von Abel Ferrara aus Amerika galt zwar den meisten Beobachtern als oft überladenes filmisches Heiligenbildchen des italienischen Meisterregisseurs, aber immerhin passt Hauptdarsteller Willem Dafoe genau in diese Rolle des philosophischen Filmemachers, was besonders deutlich wird in einem legendären Interview, das der Film nachstellt:
    "Ich mache Filme, um mich auszudrücken, so frei, wie es irgendwie geht. Ich will nicht mehr über mich reden. Ich kann nur eines sagen: Wir sind alle in Gefahr."
    Eine ständige Gefahr steht auch im Mittelpunkt des Films von Andrew Niccol. "Good Kill" heißt der Film. Das sagen die Drohnenpiloten im Container, wenn ihnen ein Abschuss gelungen ist – im fernen Afghanistan, im Jemen oder irgendwo sonst. Der Regisseur will den Drohnenkrieg und seine Amoralität zeigen – und das teilweise in spektakulären Überwachungsaufnahmen. Was passiert, wenn die Rakete schon abgeschossen ist und plötzlich Kinder im Zielgebiet auftauchen? Wie lebt man mit dem Alltag als gnadenloser Killer? Ist man überhaupt noch Soldat oder eher staatlich angestellter Terrorist?