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Finale in der Mega-Liga

Drei Tagelang war Heidelberg wieder das Mekka der Supercomputer-Experten aus aller Welt. Etwa 500 Computerwissenschaftler und Spezialisten für das Höchstleistungsrechnen fanden sich in der Neckarstadt ein, um über die 500 leistungsstärksten Supercomputer der Welt und deren weitere Perspektiven zu diskutieren. Dabei geht der Trend immer stärker hin zu günstigen und flexiblen Cluster-Systemen.

    Im letzten Jahr ging einen Raunen durch die Szene als ein japanisches System die erfolgsverwöhnten US-Amerikaner von Stammplatz 1 der Superrechner-Liga verdrängte. Das denkwürdige Ereignis erhielt schnell einen eigenen Spitznamen: Computenik-Schock, frei nach dem ersten sowjetischen Satelliten, der ebenfalls für Überraschung jenseits des Atlantiks gesorgt hatte. Auf der 18. International Supercomputer Conference, die vergangenen Freitag in Heidelberg zu Ende ging, dürfte aber ein anderer Trend vor allem Softwareherstellern Runzeln in die Stirn getrieben haben. Denn Experten sprechen bereits von einem Linux-Schock, unter dem die Superrechner-Gemeinde stehe. Der Grund: erstmals konnte sich ein Clustersystem, das von dem freien Betriebssystem organisiert wird, auf Platz drei der Computer-Weltrangliste vorkämpfen. Der im letzten Jahr auf Platz zwei verdrängte ASCI White von IBM schaffte es in diesem Jahr indes nur noch auf Platz vier, während Hewlett-Packards Alphaserver ein Achtungserfolg mit Platz zwei gelang. Unangefochten an der Spitze behauptete sich weiter der japanische "Earth Simulator" von NEC.

    Unter dem Eindruck des Überraschungserfolgs eines Linux-Cluster sehen Experten das freie Betriebssystem in Kombination mit nahezu beliebig zusammenkoppelbaren PCs auf dem rasanten Weg an die Spitze. Unbehagen bereitet dies vor allem US-amerikanischen Herstellern und Betreibern, gelten solche Linux-Cluster doch als Erfindung aus dem "alten Europa". "Nach meiner Einschätzung steht ein Linux-Cluster in zwei bis drei Jahren auf Platz eins der Top 500", meint auch Ulla Thiel, Direktorin für Supercomputing der IBM. Die angeschlagene US-amerikanische Supercomputerszene nimmt diese Entwicklung gezwungenermaßen auf. Allerdings verfolgen die Forscher dabei weniger die Fortentwicklung von Linux als vielmehr die Optimierung von Cluster-Konzepten, mit denen massiv parallel gerechnet werden kann. Ihnen sollen verstärkt die Vorteile der bisher favorisierten Vektorarchitektur zuteil werden, um Rechenaufgaben quasi in einem Rutsch zu erledigen. Dabei kann die Konkurrenz von der japanischen Nummer eins lernen, meint Frank Baetke, verantwortlich für die Supercomputerentwicklung bei Hewlett-Packard: "Der Earth Simulator ist auch ein Parallelrechner, des letztlich aus einem Cluster besteht. Allerdings sind die einzelnen Knoten von der CPU-Seite mit einer Vektorarchitektur ausgestattet. Hier gibt es einen neuen Trend des Zusammenwachsens beider Architekturen." Andererseits würden die proprietären, selbst entwickelten Systeme langsam weniger.

    Einem handverlesenen Publikum demonstrierte Baetke am vergangenen Mittwoch in privater Abgeschiedenheit diesen Trend anhand eines Itanium-Rechners mit Prozessor-Konzepten aus der Vektorarchitektur als parallel arbeitendes System. Der Grund für die Diskretion liegt in der für Montag geplanten offiziellen Präsentation des Megarechners durch den Hersteller Intel. "Damit werden erstmals Itanium-Prozessoren in Großsystemen eingesetzt. Dabei werden nicht mehr Clusterknoten mit zwei oder vier CPUs verwendet, sondern vielmehr Systeme mit bis zu 64 CPUs", so Baetke. Damit werde Supercomputerleistung quasi zum PC-Preis verfügbar.

    [Quelle: Peter Welchering]