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Finanzausgleich für die Kultur auf hessisch

Gerhard Grandke, Oberbürgermeister der Stadt Offenbach, lehnt Pläne der hessischen Landesregierung ab, Kultureinrichtungen in Frankfurt von den umliegenden Kommunen mitfinanzieren zu lassen. Die Kommunen hätten jahrelang keinen Einfluss auf die Kulturpolitik in Frankfurt gehabt, da könne man jetzt nicht auf einmal eine finanzielle Beteiligung fordern.

Moderation: Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Kerngedanke der kommunalen Kulturpolitik und vor allem ihrer Finanzierung war bislang das Prinzip der Dezentralisierung. Konkret: Für ihr Opernhaus müssen Städte wie Hamburg, Köln oder München allein aufkommen - auch wenn deren Besucher gar nicht ausschließlich Hamburger, Kölner oder Münchner sind, sondern aus Quickborn und Leverkusen und Dießen am Ammersee anreisen. In Hessen will man das jetzt ändern. Dort haben zwei Gutachten der Landesregierung festgestellt, dass zwar die meisten und teuersten Kultureinrichtungen in Frankfurt stehen, dass ihre Nutzer aber überwiegend nicht aus der Stadt, selbst sondern aus dem Umland kommen. Also - so die Idee dahinter - will man die finanzknappe Mainmetropole nun entlasten, indem sich die umliegenden Kommunen an der Finanzierung von Theatern und Opern und Museen beteiligen - am liebsten freiwillig, notfalls aber auch über einen Hebel, der "Ballungsraumgesetz" heißt und nach Meinung der Landesregierung neben Müllverbrennung und Nahverkehr auch auf die Kultur anzuwenden wäre. Ministerpräsident Roland Koch droht mit der Gründung eines Pflichtverbandes Kultur.

    Am Telefon ist Gerhard Grandke, Oberbürgermeister der Stadt Offenbach. Was halten Sie denn von der Idee, künftig die Frankfurter Oper und das Städel mit zu subventionieren?

    Gerhard Grandke: Davon halten wir gar nichts. Und es betrifft nicht nur Offenbach, sondern diejenigen, die dem Zwangsballungsraum angehören, weil wir dafür gute Argumente haben. Erstens müssen wir ja feststellen, dass Frankfurt diese Einrichtung beschlossen, eingeführt, eingerichtet und selbst verwaltet hat und die ganzen Jahre hin sollte auch die Region nicht daran beteiligt werden, und jetzt auf einmal kommt man zu der Idee, dass sich das Umland beteiligen solle, weil der Haushalt zum Teil defizitär gefahren wird. Wir sagen, man kann sich darüber mit uns unterhalten unter einer Bedingung: dass die Einnahmen, die die Stadt Frankfurt hat, mit in die Verteilung reinkommen. Es kann nicht sein, dass Frankfurt als die Stadt, die den höchsten Gewerbesteueranteil hat pro Kopf Einwohner in der ganzen Bundesrepublik ihre Einnahmen vor die Klammer zieht und wir dann die Infrastruktur in Frankfurt zu bezahlen haben.

    Es ist ein Gutachten gemacht worden für die Landesregierung, darauf stützt sich der Ministerpräsident, wo gesagt wurde, zwei Drittel der Besucher kommen aus dem Umland, ein Drittel aus Frankfurt und deswegen ist der Verteilungsschlüssel zwei zu einem Drittel. Wenn man das überträgt auf die Gewerbesteuer, dann soll die auch nach dem Faktor verteilt werden und dann können wir uns auch über die Finanzierung von Infrastruktur in Frankfurt unterhalten. Die kommunale Familie in Hessen hat Frankfurt und ihrer zentralörtlichen Bedeutung Rechnung getragen, denn im kommunalen Finanzausgleich wird jeder Frankfurter Einwohner mit dem Faktor 109 veredelt, der Offenbacher oder Darmstädter nur mit 100 Prozent. Damit kriegt Frankfurt zusätzlich Geld, weil es zentralörtliche Bedeutung hat. Darüber hinaus: jeder Besucher, der aus dem Umland nach Frankfurt in die Einrichtungen, die Frankfurt dort geschaffen hat, fährt, reduziert das Defizit. Insofern ist das ein weiterer Punkt. Wenn man das von der Finanzdimension her sieht - die Zahl, die Herr Koch jetzt aufgerufen hat, erst waren es 300 Millionen, dann 200, jetzt sind es 120 Millionen, wenn die verteilt werden oder neu aufgeteilt, bedeutet das für Offenbach, dass wir fast den gesamten Jahresetat des Zuschussbedarfs für den kompletten Kulturbereich nach Frankfurt transferieren müssen. Offenbach hat einen Zuschussbedarf, das ist ein Saldo von 4,9 Millionen Euro und wir müssten über 4,9 Millionen nach Frankfurt transferieren.

    Koldehoff: Das heißt, Sie könnten die eigenen Institute dichtmachen.

    Grandke: Das ist genau die zentrale Frage oder Problemstellung, weil genau in dem Punkt die Kommunalaufsicht finanzschwachen Städten auferlegt, freiwillige Leistungen zu reduzieren. Das heißt, ich müsste meinen ganzen Kulturbetrieb, der aus vielen hundert Facetten besteht, einstellen, wenn man dieser Logik folgen würde. Deshalb akzeptieren wir das an diesem Punkt auch nicht.

    Koldehoff: Warum wird eigentlich mit der Anwendung des Ballungsraumgesetzes Ihnen in Offenbach gedroht, nicht aber Ihren Nachbarn in Wiesbaden, Mainz oder Aschaffenburg?

    Grandke: Das ist die strategische Crux, die da sichtbar wird. Das Ballungsraumgesetz ist nicht das, was die Landesregierung mit der polyzentrischen Entwicklung der Rhein-Main-Region begründet. Der Polyzentrismus beinhaltet die Städte Wiesbaden, Darmstadt, Frankfurt, Offenbach, Hanau. Das Ballungsraumgesetz umfasst aber nur eine Reihe von Kommunen und Gemeinden um Frankfurt herum und die sollen die Gesamtlast tragen. Daraus ergibt sich diese Disparität und deswegen fehlt es da auch an Akzeptanz. Die Landesregierung hat nicht den Mut, die Rhein-Main-Region in einer Größenordnung zu formieren, wie andere das in Form eines Regionalkreises von Wiesbaden bis Seligenstadt (wenn man innerhalb der Landesgrenzen bleibt) organisieren wollen. Wenn man sich wettbewerbsfähige Größen oder die Wettbewerber anschaut: der Großraum Paris oder Berlin ist bei gleichem Maßstab ausgeschnitten aus der Landkarte und übereinander gelegt gleich groß. Überträgt man das auf die Rhein-Main-Region, dann reden wir über einen geographischen Integrationsraum von Mainz bis Aschaffenburg. Wenn man es innerhalb der hessischen Dimension sieht, ist das Ballungsraumgesetz zu kurz geschrieben und wir kranken an den Transferleistungen, die quasi nur aus den Zwangsgemeinden des Ballungsraums heraus erbracht werden müssen.

    Koldehoff: Nun liegt die Drohung in der Luft: Entweder ihr einigt euch einigermaßen freiwillig oder das Gesetz wird angewandt. Was werden Sie jetzt tun als Oberbürgermeister von Offenbach?

    Grandke: Wir werden prüfen, welche Klagemöglichkeiten es gibt, werden Rechtsanwälte beauftragen und versuchen, diese falsche Entscheidung juristisch zu Fall zu bringen.