Freitag, 29. März 2024

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Finanzen im Profifußball
Wenn Vereine und Kommunen voneinander abhängen

Im dritten Teil der Serie zu Profi-Fußballvereinen und Steuern geht es um umstrittene Allianzen zwischen Traditionsvereinen und Kommunen. Das sportliche und finanzielle Siechtum bringt auch die städtischen Finanzen in Schieflage. Mit Spezialkonstrukten zu Lasten des Steuerzahlers werden die Klubs künstlich am Leben erhalten.

Von Piet Kreuzer | 29.08.2021
Das Volksparkstadion Hamburg, 28.12.2018 Volksparkstadion, Hamburg, 28.12.2018 Hamburg *** The Volksparkstadion Hamburg 28 12 2018 Volksparkstadion Hamburg 28 12 2018 Hamburg Copyright: xEIBNER/MarioxHommesx EP_MHS
Das Volksparkstadion des Hamburger SV. (IMAGO / Eibner)
In zehn Stadien wird 2024 die Fußball-Europameisterschaft gespielt. Mit dabei ist auch das Hamburger Volksparkstadion, schon Gastgeber bei der EM 1988 und zwei Fußball-Weltmeisterschaften. Um den geforderten hohen Standard 2024 zu erreichen, hat sich der Hamburger SV gegenüber der UEFA verpflichtet, die Arena zu sanieren. Da aber die Rücklagen des Clubs nach drei Jahren zweiter Liga und durch die Verluste während der Corona-Pandemie aufgebraucht sind, kam es zu einem seltsamen Deal. Für 23,5 Millionen Euro verkaufte der Club 2020 das Stadiongrundstück an die Stadt Hamburg, offiziell zur Finanzierung der Modernisierung. Doch, die Kosten dafür sollen eher bei 30 Millionen liegen.
"Das Gesamtvolumen mag oberhalb von 23 Millionen liegen. Aber bis dahin sind eben auch vier Jahre Zeit. Und wir haben auch jedes Jahr aus eigener Kraft immer zwei bis drei Millionen in das Stadion investiert. Und das werden wir auch weiterhin machen können", sagt HSV-Finanzvorstand Frank Wettstein vor einem Jahr.

HSV setzt Stadt Pistole auf die Brust

Dafür gibt es eine Absichtserklärung des HSV, die Gelder für die Sanierung zu verwenden. Eine Verpflichtungserklärung wurde nicht unterschrieben. Der HSV hat der Stadt quasi die Pistole auf die Brust gesetzt: Entweder Ihr helft uns, oder es gibt einen Imageverlust für die Sportstadt Hamburg, weil sie als Austragungsort für die Fußball-EM 2024 zurückzieht. Finanzsenator Andreas Dressel verteidigt das Geschäft: "Wir sind auch in der Stadt nicht in der einfachen Lage, jetzt in Folge der Corona-Pandemie die Probleme zu lösen oder den Haushalt zusätzlich zu belasten und trotzdem dem HSV die Möglichkeit zu geben, auch hier investieren zu können. Und da ist dieser Grundstücks-Kaufvertrag ein guter Weg."
Fußballstadien als Millionengräber für den Steuerzahler
In einer vierteiligen Serie zeigt der DLF gravierende Beispiele vom leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern im Profifußball. In Teil eins geht es um den Stadionbau, den Kauf der Arenen und Stadionmieten.
"Ein schlechtes Geschäft für die Steuerzahlerin", zieht Petra Ackmann vom Bund der Steuerzahler aber das genau gegenteilige Fazit. Sie erinnert an 1998. "Da hat nämlich die Stadt den Grund und Boden mitsamt des Stadions für eine symbolische D-Mark an den HSV verkauft. Und weil die Stadt sich so gefreut hat, das Stadion mit den Sanierungsverpflichtungen los zu sein, wurden noch einmal rund 21 Millionen D-Mark an den HSV gegeben für die Bodensanierung und als kleiner Zuschuss für die Sanierung des Stadions. 22 Jahre später kauft die Stadt das Grundstück ohne das Stadion zurück für satte 23,5 Millionen Euro."

Ähnlicher Deal in Kaiserslautern

Ein ähnlich umstrittenes Geschäft hat es auch schon beim 1. FC Kaiserlautern gegeben. Zuerst verkaufte der finanziell angeschlagene Verein den Fröhnerhof an die Stadt für über sechs Millionen Euro. 2014 dann der Rückkauf, der FCK bekam das Gelände für 2,6 Millionen Euro. Heute ist dort der "Sportpark Rote Teufel", das Nachwuchsleistungszentrum des Klubs, beheimatet. Rechtlich ist dies nicht zu beanstanden, selbst die EU nickte den Deal ab. Mit der Begründung, der Preis entspreche dem Marktwert. Aber niemand konnte der Wertverlust erklären. Das ist aber noch nicht alles. Diese zweieinhalb Millionen, die die Stadt bekommen hat, wurden in einen Pool gezahlt, aus dem quasi die Mietausfälle des Vereins wieder beglichen wurden.
Grünen-Stadtrat Tobias Wiesemann: "Bei den Mietpool, der dann gemacht wurde, das waren alles so Konstrukte, die waren dann sehr undurchsichtig. Und letztendlich immer auch mit einem gewissen Beitrag der Steuerzahlenden für den FCK verbunden."

FCK zahlt zu geringe Miete

Mietausfälle, die dadurch entstehen, dass der FCK eine viel zu geringe Miete zahlt. Statt der einmal vereinbarten 3,2 Millionen Euro bekommt die Stadiongesellschaft, eine hundertprozentige Tochter der Stadt, aktuell nur 625.000 Euro für das Fritz-Walter-Stadion. 2036 läuft ein 65-Millionen-Euro-Kredit aus, den die Stadt aufgenommen hatte und Club und Stadion damit vor der Insolvenz bewahrt hatte. Die finanziell selbst klamme Kommune stehlt den Fehlbetrag jährlich in dem Haushalt ein. Um die Unterfinanzierung des städtischen Haushalts, nicht nur wegen des FCK, auszugleichen, wurden die Steuern erhöht. Die Ursache für dieses ewige Dilemma liegt auch hier viele Jahre zurück.
Am 01.07.2020 an der Veltins-Arena auf Schalke, Gelsenkirchen. Zu sehen ist der Schriftzug "Wir leben dich".
Wenn der Staat helfen soll
In einer vierteiligen Serie zeigt der DLF gravierende Beispiele vom leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern im Profifußball. In Teil zwei geht es um Landesbürgschaften, ohne deren Hilfe einige Vereine nicht überleben können.
Und auch in Kaiserslautern ging es um ein großes Turnier. 2003 wurde das Fritz-Walter-Stadion WM-Spielort. Verein, Stadt und Land wollten das Stadion gemeinsam sanieren. Als aber bereits alle Verträge unterschrieben und der Ausbau beschlossen war, stellte sich heraus, dass der FCK kurz vor der Insolvenz stand. Die Kommune kaufte dem FCK das Stadion ab, seitdem ein "Fass ohne Boden", wie Stadtrat Wiesemann beklagt: "Das Land unter Kurt Beck hat sich ebenfalls fein zurückgehalten. Die haben zwar mitfinanziert, aber sind nicht mit in die Verträge eingestiegen, und die Verträge wurden damals so knüppelhart gestaltet, dass es schien, damals günstig zu sein. Aber im Grunde war das, wie sich im Nachhinein herausstellten, ein Harakiri-Vertrag."

"Im Grunde eine Sportwette"

Finanziert wurde das alles über die neu gegründete Stadiongesellschaft. "Es war im Grunde eine Sportwette. Denn nur wenn der FCK in der Champions League spielt, konnte er dieses Geld erwirtschaften. Und damit sind die damals Verantwortlichen eine Sportwette auf den sportlichen Erfolg des FCK eingegangen."
Warnungen der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion wurden ignoriert. Schon damals zeichnete sich ab, dass der finanziell angeschlagene Verein nicht in diese sportlichen Höhen vorstoßen konnte. Inzwischen spielt der FCK in der dritten Liga. Hamburg und Kaiserslautern - zwei Beispiele für die Abhängigkeiten zwischen Verein und Kommune. Hat sich eine Stadt erst einmal finanziell engagiert, gibt es kein Zurück mehr. Um alte Investitionen zu stützen, wird immer neues Steuergeld hinterhergeschossen.