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Finanzexperte gegen Steuererhöhungen

Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg spricht sich gegen Steuererhöhungen aus, um die erwarteten Einnahmeausfälle auszugleichen. Man müsse vielmehr bei den Subventionen kürzen, sagte Homburg. Größere Änderungen bei Subventionen und Steuern seien erst nach der kommenden Bundestagswahl zu erwarten.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Am Telefon begrüße ich nun Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler an der Universität Hannover und dort auch Steuerberater. Guten Tag.

    Stefan Homburg: Guten Tag.

    Breker: Können Sie sich eigentlich daran erinnern, wann das letzte mal die Zahlen nach oben korrigiert werden mussten?

    Homburg: Ja, die Zahlen der Steuerschätzung wurden zum letzten mal nach oben korrigiert 1998 und 1999, damals standen wir vor dem bisher letzten Aufschwung im Jahre 2000, danach wurden die Schätzungen immer nach unten korrigiert.

    Breker: Und eins scheint auch schon heute gewiss: Das, was am Ende am Donnerstag herauskommen wird, bedeutet weniger als vorher gedacht.

    Homburg: Ja.

    Breker: Was tun?

    Homburg: Man muss dies im Zusammenhang sehen mit der sehr hohen Staatsverschuldung, die wir haben. Ein Rückgang der Steuereinnahmen wäre ja nicht so schlimm, wenn man Überschüsse in den staatlichen Kassen hätte, aber wir haben jetzt starke Defizite und diese verschärfen sich noch, Stichwort Maastricht-Kriterium. Insofern muss man versuchen, die Lücke zwischen Steuereinnahmen und Staatsausgaben zu schließen.

    Breker: Denn man muss ja zugeben, dass die Einnahmen schon verplant sind. Die Ausgaben stehen dem ja gegenüber und müssten dann auch korrigiert werden, sprich: man kann weniger Geld ausgeben. Ausgaben senken - eine Möglichkeit, eine Nötigkeit?

    Homburg: Auf jeden Fall. Ich halte es für falsch, jetzt nach Steuererhöhungen zu rufen. Wir haben lange Listen, die auch sattsam bekannt sind in Deutschland über Steuerschlupflöcher, über Subventionen für Stahl, Kohle, Landwirtschaft und so weiter. Man müsste theoretisch an diese Subventionen jetzt ran, aber das wird wahrscheinlich politisch nicht klappen.

    Breker: Sie sagten es, seit 1998 werden die Zahlen immer nach unten korrigiert, das heißt, der Spielraum für Senkung ist eigentlich schon recht schmal, die öffentliche Hand tritt in der Wirtschaft als Auftraggeber kaum noch auf, sie ist da seit Jahren schon auf dem Rückzug.

    Homburg: Das stimmt. Die Staatsausgaben sind nicht insgesamt hoch, sondern es sind vor allem die konsumtiven Ausgaben hoch, vor allem die Sozialleistungen, während die staatlichen Investitionen in den letzten Jahren immer weiter zurückgeführt wurden.

    Breker: Das heißt, für die Binnennachfrage ist wenig zu erwarten.

    Homburg: Ich würde das nicht nachfragetheoretisch sehen. Nachfrage fehlt nie, sie ist immer da, fragt sich immer nur, wer diese Nachfrage gerade ausübt. Es sind entweder Konsumenten, es ist der Staat, es kann das Ausland sein. Entscheidender ist, dass durch eine Einschränkung der staatlichen Investitionstätigkeit auch Wachstumspotentiale verloren gehen.

    Breker: Eine Möglichkeit wäre, Subventionen zu streichen, doch da reden die Politiker nur, da blockieren sich die Parteien gegenseitig, damit kann man eigentlich weniger rechnen. Umso wahrscheinlicher wird da ein Konsens über eine Steuererhöhung, nämlich zum Beispiel die der Mehrwertsteuer. Acht Milliarden brächte ein Prozentpunkt.

    Homburg: Das glaube ich persönlich nicht. Wir haben jetzt eine ähnliche Situation, wie 1997, das war ein Jahr vor der Bundestagswahl 1998. Da hatten wir auch umgekehrte Mehrheiten in Bundesrat und Bundestag, Sie wissen ja, bei Steueränderungen und auch Subventionsänderungen müssen immer Bundestag und Bundesrat zustimmen. Ich denke, dass im nächsten Jahr der Bundesrat keinen größeren Änderungen zustimmen wird und dass nach der Bundestagswahl 2006, egal, wer da gewinnt, es zu größeren Änderungen bei Subventionen, aber auch zu Steuererhöhungen kommen wird.

    Breker: Sie sagen, dass Sie keine Subventionsentscheidungen erwarten, keine wichtigen Entscheidungen, weil die Politik sich gegenseitig blockiert. Verzweifelt da manchmal der Wissenschaftler, der weiß, wie man es besser machen könnte?

    Homburg: Naja, das ist die Mechanik dieses politischen Systems. Ich war letztes Jahr Mitglied der Föderalismuskommission, dort hat man ja versucht, ein bisschen die Finanzen zu entflechten, so dass nicht immer alles zustimmungsbedürftig ist. Das hat aber nicht geklappt, deshalb werden wir in Deutschland weiter mit diesem Problem leben müssen.

    Breker: Glauben Sie, dass der Finanzminister Hans Eichel somit zum Scheitern verurteilt ist?

    Homburg: In der jetzigen Konstellation ganz sicher.

    Breker: Und die Bürger müssen einfach zuschauen und warten, dass die nächste Bundestagswahl da ist?

    Homburg: Ja, wobei man hoffen muss, dass sich dann allmählich etwas verbessert, denn wenn die Malaise auf Dauer so bleibt, dann befürchte ich eine Entfremdung mit unserem politischen System bei den Bürgern und das heißt auch nichts Gutes.

    Breker: Denken Sie nicht, dass man aus Verzweiflung sozusagen über Mehrwertsteuererhöhungen nachdenkt?

    Homburg: Nunja, es wäre ja eigentlich Aufgabe des Bundesfinanzministers, da einen Vorschlag zu machen, der wird es aber nicht tun, denn er weiß: Sobald er diesen Vorschlag macht, wird der Bundesrat nein sagen und dann steht er in der Öffentlichkeit als jemand, der Steuern erhöhen will. Das ist die Mechanik.

    Breker: Nun ist auf Seiten der Union da ja auch ein wenig Bewegung zu erkennen: Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Böhmer sagte, er könne sich das doch vorstellen, zumindest nach der Bundestagswahl.

    Homburg: Herr Böhmer sagt das aber schon sehr lange, wenn Sie das mal verfolgen, mindestens schon ein, zwei Jahre. Das spielt für die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat keine Rolle. Insgesamt will die Union eine Mehrwertsteuererhöhung zum jetzigen Zeitpunkt nicht.

    Breker: Die Experten kümmern sich um die Steuerschätzung, wagen Sie eine Prognose, wie die am Ende aussehen wird, wie groß werden die Haushaltslöcher tatsächlich werden?

    Homburg: Nein, da möchte ich mich nicht überheben. Da sitzen jetzt 50 Experten aus statistischem Bundesamt, Bundesbank, Wirtschaftsforschungsinstituten zusammen. Ich glaube nicht, dass man als Einzelwissenschaftler eine bessere Schätzung abgeben kann, als wir sie nächste Woche bekommen werden.

    Breker: Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die in den letzten Jahren immer daneben lag?

    Homburg: Dazu gibt es sehr viel Literatur, es hat niemand eine genaue Erklärung, zum Beispiel was die Umsatzsteuer angeht. Wir hatten in den letzten Jahren Rückgänge auch bei der Umsatzsteuer, das ist ganz untypisch. Man führt dieses auf Umsatzsteuerhinterziehungen zurück, aber es ist die Natur der Hinterziehung, dass man nicht genau messen kann, wie viel dort hinterzogen wurde. Insofern ist das alles Spekulation. Der einzig wesentliche Grund für den Rückgang der Steuereinnahmen ist, dass sich die Wachstumserwartungen nicht erfüllt haben. Die Steuereinnahmen hängen vom Wirtschaftswachstum ab. Wir haben seit 2001 kaum noch Wirtschaftswachstum, also sind auch die Schätzungen dann überhöht.