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Finanzielle Allgemeinbildung an Schulen

Kreditkauf, Vermögensaufbau oder Altersvorsorge all das seien Themen die auch für Jugendliche irgendwann in ihrem Leben wichtig werden, meint Hans Kaminski, Direktor des Institutes für Ökonomische Bildung an der Uni Oldenburg. Finanzielle Allgemeinbildung an Schulen, sei jedoch nur möglich, wenn parallel dazu Studiengänge für Lehrer etabliert würden.

Hans Kaminski im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Professor Hans Kaminski ist Direktor des Institutes für Ökonomische Bildung an der Uni Oldenburg und nun am Telefon. Guten Tag, Herr Kaminski!

    Hans Kaminsiki: Guten Tag, Frau Maleike!

    Maleike: Sie wollen finanzielle Bildung im deutschen Schulsystem verankern. Aber gibt es denn nicht schon in einigen Bundesländern das Schulfach Wirtschaft?

    Kaminsiki: Das ist richtig, dass es in einigen Bundesländern ein Schulfach Wirtschaft oder etwas Ähnliches gibt, aber es geht letztlich hier um die Debatte in den letzten Jahren, dass finanzielle Allgemeinbildung sehr häufig als eigenes Fach oder als eigener Gegenstandsbereich gefordert wird, und da haben wir den Eindruck, dass das konzeptionell nicht die richtige Vorgehensweise ist, sondern dass man eher versuchen muss, die finanzielle Allgemeinbildung zu integrieren in die ökonomische Bildung, nicht, weil sie im Schulsystem nicht immer nur draufsatteln können, etwas additiv sehen können, sondern es muss auch dann versucht werden, etwas zu integrieren, und das ist eigentlich der Versuch.

    Maleike: Erklären Sie uns, wie das dann praktisch im Unterricht aussehen könnte.

    Kaminsiki: Das sieht praktisch aus, dass ja die Dokumente, die Grundlage für Unterricht sind, sind Lehrpläne in den einzelnen Bundesländern. Nun ist das in Deutschland alles sechzehnmal, von Garmisch-Partenkirchen bis nach Schleswig-Holstein. Das würde bedeuten, dass dort, wo ökonomische Bildung vorhanden ist, die Lehrpläne dahingehend überprüft werden sollten, wie die finanzielle Allgemeinbildung dort eingebaut werden kann. Das ist an bestimmten Fächerkonstruktionen durchaus möglich. Wir haben hier also ein Beispiel vorgelegt hier in Niedersachsen, wie das eigentlich auszusehen hat, sodass es dann auch, wie soll ich sagen, curricular komplett abgesichert ist und nicht nur im privaten Vergnügen oder in der privaten Aufgabe eines einzelnen Lehrers verbleibt, denn alle sollen dann ja Grundkenntnisse haben, nicht nur die zufällig das Glück haben, einen engagierten Lehrer für einen bestimmten Bereich zu haben.

    Maleike: Und das wollen ja viele, also Arbeitgeberverbände, Bankenverbände, Eltern, aber auch die Schüler letztendlich wollen natürlich mehr wissen über Ökonomie, wie Geld funktioniert, wie Finanzwesen aussehen, und das tut ja auch not. Wir leben ja gerade in einer Zeit, in der ja alle händeringend nach diesem Wissen auch schauen. Denn wir sehen ja, wie es gerade nicht gut funktioniert. Aber noch mal: Was macht denn für Sie finanzielle Allgemeinbildung aus? Über welche Inhalte sprechen wir da?

    Kaminsiki: Vielleicht wirklich an Beispielen, ohne dass wir das jetzt hier systematisch machen könnten. Es geht dann zum Beispiel um solche Fragen: Kreditkauf oder Absicherung von Lebensrisiken oder, wenn bestimmte Sparziele da sind wie vielleicht Vermögensaufbau oder Altersvorsorge, das sind ja alles komplexe Bereiche, die auf die künftige Gestaltung von Lebenssituationen der Jugendlichen einen erheblichen Einfluss haben werden. Und dieses kann zum Beispiel sehr gut verknüpft werden mit der Auseinandersetzung mit der Funktion privater Haushalte. Da haben die Kinder und Jugendlichen schon die Auseinandersetzung mit Bedürfnissen, mit Bedarf, mit der Einkommensentstehung, mit der Einkommensverwendung. Und hier kann man so etwas integrieren. Und das haben wir an vielen Beispielen für Unterrichtsmaterialien, aber auch konzeptionell gezeigt.

    Maleike: Sie haben die Unterrichtsmaterialien, sprich die Lehrmittel auch angesprochen. Da gibt es ja immer wieder große Berührungsängste, weil, wenn Wirtschaft in Schule geht, in den Unterricht kommt, direkt immer damit die Angst verbunden ist, dass da eine Einflussnahme stattfindet, sprich, dass eher Werbung gemacht wird für Kredite oder für Versicherungen.

    Kaminsiki: Diese Gefahr kann bestehen, aber das ist etwas, was wir nicht wollen. Wir wollen schon dort eine objektive Auseinandersetzung mit all diesen Möglichkeiten. Die Schule kann kein Gegenstand sein für die Werbung von ganz bestimmten Finanzprodukten oder wie immer auch. Das würde in der Tat zu weit gehen. Dann sollte man sich da irgendwo an Verbraucherberatungsstellen oder sonst wo wenden. Schule soll Allgemeinbildung erzeugen helfen, aber Schule ist dann nicht Gegenstand, Produktwissen zu erzeugen oder, wenn man so will, Unternehmen aus diesem Bereich Tür und Tor für Eigenwerbung nur zu vermitteln. Und das hängt aber weitgehend natürlich auch ab von der Qualifikation der Lehrkräfte, dieses richtig zu beurteilen. Deshalb ist es ja so, dass wir auch eine strikte Qualifizierung der Lehrkräfte in diesem Bereich fordern, weil uns das sonst, wenn man so will, zu feuilletonistisch alles ist, und damit eine seriöse, gründliche Ausbildung meistens sonst verfehlt wird.

    Maleike: Also ökonomische Bildung auch dann in die Lehramtsausbildung?

    Kaminsiki: Geht gar nicht anders. Wie soll das sonst funktionieren? Der Lehrer ist der entscheidende Agent im Klassenzimmer, und seine fachliche und seine didaktisch-methodische Qualifikation ist ja entscheidend für die Vermittlung von komplexen Zusammenhängen, und dieses sind komplexe Zusammenhänge. Nicht, das ist nicht einfach mal so nebenbei, zwei Stunden am Nachmittag gelesen, um daraus schon ein Unterrichtskonzept zu entwickeln, gemacht. Und insofern ist finanzielle Allgemeinbildung, wenn sie in das Schulsystem implementiert werden soll, nur möglich und nur denkbar, wenn auch parallel dazu Studiengänge an der Universität etabliert werden beziehungsweise die Kultusministerien oder die Landesinstitute Fort- und Weiterbildungskonzepte anbieten, damit Lehrer die Möglichkeit haben, sich dort zu qualifizieren.

    Maleike: Sagt der Ökonomieprofessor Hans Kaminski. Er leitet an der Uni Oldenburg das Institut für ökonomische Bildung und hat jetzt gefordert, finanzielle Allgemeinbildung stärker als bisher im deutschen Schulsystem noch zu verankern.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.