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Finanzier fürs Studium gesucht

Ein Positives hat die Finanzkrise: Studienkredite werden günstiger. Trotzdem sollte jeder Student ganz genau prüfen, ob er wirklich einen Kredit benötigt und ob das Finanzierungsangebot genau auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist: Das Zentrum für Hochschulentwicklung hat die verschiedenen Studienkredite getestet.

Moderation: Kate Maleike | 29.05.2009
    Kate Maleike: 60.000 Studierende haben in Deutschland im vergangenen Jahr einen Finanzierungsvertrag fürs Studium abgeschlossen. Und jeder Einzelne hat sich vorher durch die inzwischen vielfältigen Angebote der Kreditgeber gewühlt. Kredit, Fonds oder Darlehen, von der Sparkasse oder vom Land oder der Kreditanstalt für Wiederaufbau - auf diese Fragen gilt es, die jeweils passende Antwort zu finden, denn jeder Studierende hat selbstverständlich auch unterschiedliche Ausgangsvoraussetzungen.

    Ein wenig Entscheidungshilfe bieten da immer Rankings oder Tests, und ein solcher ist seit heute wieder frisch auf dem Markt. Zusammen mit der "Financial Times Deutschland" hat das Zentrum für Hochschulentwicklung CHE zum vierten Mal seinen Studienkredit-Test veröffentlicht. 33 Studiendarlehen wurden darin verglichen und aus Kundensicht bewertet. Über die Ergebnisse werden wir nun mehr hören von Ulrich Müller. Er betreut den Studienkredit-Test beim CHE. Hallo, Herr Müller!

    Ulrich Müller: Hallo, ich grüße Sie!

    Maleike: Wir wollen aber auch gleich nachfragen, wie die Beratungspraxis an der Hochschule aussieht beziehungsweise wie Studierende dort über die Möglichkeiten informiert werden. Deshalb begrüße ich ebenfalls Christamaria Weber vom Studentenwerk in Frankfurt am Main.

    Christamaria Weber: Guten Tag!

    Maleike: Herr Müller, vielleicht mal zunächst zu den Ergebnissen. Wie lassen sich denn die Ihres Tests heute zusammenfassen?

    Müller: Es gibt immer noch eine große Vielfalt von Studienkrediten, und die gute Nachricht für die Studierenden ist eigentlich, dass die Finanzkrise, die ja wenig positive Auswirkungen hat, da zumindest ganz gut durchschlägt, nämlich dass viele Zinssätze gesunken sind.

    Maleike: In welcher Höhe sind die denn dann?

    Müller: Also die Senkungen der Zinssätze sind vor allem bei regionalen Banken oder bei staatlichen. Um mit der schlechten Nachricht anzufangen: Die bundesweiten großen Banken, also Dresdner Bank, Deutsche Bank, sind stabil, und zwar stabil teuer.

    Was aber sehr günstig geworden ist, sind die Zinssätze bei den Landesbanken, teilweise bei zwei Komma irgendwas Prozent, und manche lokalen sind etwas drüber, aber immer noch sehr günstig.

    Maleike: Wie sieht es aus mit möglichen wackelnden Anbietern? Wir wissen ja auch, dass Banken durchaus mal in den Strudel geraten können.

    Müller: Ja, wir sind gerade etwas überrascht worden. Wir waren gerade mit dem Test fertig und wollten ihn gestern freischalten, da bekamen wir auch Nachricht von der Insolvenz eines Anbieters, nämlich von "Deutsche Bildung". "Deutsche Bildung" ist ein Bildungsfonds, einer von beiden, es gibt ja nur zwei, "Career Concept" und "Deutsche Bildung". Die haben gestern bekanntgegeben, dass sie Insolvenz anmelden mussten.

    Maleike: Was heißt das denn dann für die Studierenden?

    Müller: Nach eigener Aussage von "Deutscher Bildung", die bisher Geförderten werden weiter gefördert, aber sie wollten einen weiteren Fonds aufmachen und haben wohl auch eine lange Warteliste an Bewerbern. Die müssen jetzt offenkundig erst mal andere Möglichkeiten suchen.

    Maleike: Sie haben die Kredithöhen angesprochen und die Frage, wie sich die Finanzkrise auf die Landschaft der Studienkredite ausgewirkt hat. Was gibt es sonst noch für Ergebnisse, die Sie verkünden können?

    Müller: Ansonsten kann man schon sagen, jeder Studierende, der ein Studiendarlehen braucht - da weisen wir nun deutlich drauf hin, das ist nicht für jeden das Ideale. Aber die, die es wirklich brauchen, die sonst keine Möglichkeit der Finanzierung haben, die finden auf jeden Fall einen, weil es einfach so heterogen ist.

    Wenn ich zum Beispiel ein Abschlussdarlehen brauche, springen sehr viele Studentenwerke in die Presche, wenn es darum geht, einen Auslandsaufenthalt zu machen, gibt es auch da Anbieter, wenn auch wenige.

    Eine Lücke gibt es schon, die ich nicht ganz verstehe, nämlich bei Weiterbildung. Wenn jemand einen MBA machen möchte zum Beispiel. Das sind total sichere Kunden, die machen konzentriert ihren MBA, haben aber einen erhöhten Finanzbedarf - durch Studiengebühren oder eben auch, weil sie schon eine Familie haben. Da gibt es aus meiner Sicht kein profiliertes Angebot.

    Maleike: Welche Finanzierungsform ist denn die beliebteste?

    Müller: Das sind eindeutig die staatsnahen oder staatlichen. Also KfW hat wieder, ich glaube, 17.000 Vertragsabschlüsse neu, dann natürlich die Studienbeitragsdarlehen, die eine immense Anzahl haben. Also allein NRW hat da auch um die 17.000 im letzten Jahr gehabt. Auch das Bundesverwaltungsamt, sie bieten ja einen Studienabschlussdarlehen an, sind also auch mit um die 12.000 im Boot. Das sind die beliebtesten eigentlich von der Zahl her.

    Maleike: Frau Weber, decken sich diese Ergebnisse, die der Herr Müller gerade geschildert hat, auch mit den Erfahrungen, die Sie im Beratungsalltag machen?

    Weber: Also es ist so, dass wir doch sehr viele Anfragen haben nach Studienfinanzierungen oder auch Studienabschlussfinanzierungen. Das waren jetzt allein in den ersten vier Monaten diesen Jahres über 900 Personen, die bei uns angefragt haben, in sehr unterschiedlichen Lebenslagen muss man dazusagen. Und wir haben in dieser Zeit, in diesen vier Monaten, allerdings nur 35 KfW-Kredite vermittelt und im vergangenen Jahr waren es in der Summe 75.

    Unsere Erfahrung ist, dass wenn wir den Studierenden erst mal aufmachen, was tatsächlich an Schulden auf sie zukommt, die monatliche Summe, die sie erhalten, auf je nachdem zwei bis vier Jahre plus die Zinsen, die zwar im Moment niedrig sind, da gebe ich Herrn Müller recht, aber trotzdem in der Summe natürlich noch mal dazukommen, dann schrecken viele doch davor zurück, sich zu verschulden.

    Und wir sehen das Problem, dass diese Studienkredite, so hilfreich sie sein können für den einen oder anderen - aber die gehen von so einem Idealbild des Studierenden aus: jung, schnell im Studium und dann erfolgreich in der Jobsuche und somit auch in der Lage, diese Kredite schnell wieder zurückzahlen zu können. So optimistisch erleben wir die Lage nicht auf dem Arbeitsmarkt, aber so optimistisch erleben wir auch die jungen Studierenden in der Regel nicht.

    Maleike: Frau Weber, wir waren vorhin stehen geblieben bei der Passgenauigkeit der Kreditangebote, da haben Sie so ein wenig Zweifel geäußert. Wünschen Sie sich also mehr Bedarfsnähe von den Kreditanbietern?

    Weber: Sagen wir mal so: Zum einen finden wir es sehr wichtig als Studentenwerke, auch deutlich zu machen, dass Leute sich nicht leichtfertig auf einen Kredit einlassen, sondern sich das sehr gut überlegen, mit welcher Schuldenlast sie dann ins Berufsleben starten wollen.

    Und zum anderen ist es so, dass wir zusätzlich noch das Problem sehen, dass die wirklich kritischen Fälle so ohne Weiteres dann doch keine Studienfinanzierung finden. Das sind insbesondere die, die mal ein Studium unterbrochen haben oder über einen zweiten Bildungsweg spät ein Studium begonnen haben, die bekommen dann zumindest in diesem doch eher seriösen öffentlichen Bereich dann aufgrund von Altersgrenzen keinen Kredit mehr. Und ein ganz großes Problem haben natürlich ausländische Studierende, die auf viele dieser Töpfe gar keinen Zugriff haben.

    Maleike: Herr Müller, hat sich das auch mit Ihrem Test gedeckt, dass die ausländischen Studierenden eben noch überhaupt keinen Zugang haben zum deutschen Studienkreditwesen?

    Müller: Das ist so nicht ganz korrekt. Wir haben ja auch abgefragt, welche Zielgruppen adressiert werden, und nahezu alle Anbieter geben an, dass auch nichteuropäische Mitbürger hier durchaus eine Chance haben und auch nicht ausgesiebt werden und auch nicht ausgeschlossen werden.

    Einige wenige haben manche Anforderungen, dass man zum Beispiel eine Bürgschaft bringen muss als nichteuropäischer Ausländer oder nur bestimmte Nationalitäten gefördert werden, zum Beispiel Schweizer oder Türken wurden explizit genannt, oder dass eine Familienzugehörigkeit bestehen muss, das haben aber wenige. Und viele andere sagen schon, dass sie das für alle Zielgruppen offenhalten.

    Und wenn ich noch einen Satz ergänzen darf: Frau Weber hat zu Recht darauf hingewiesen, dass man einen Studienkredit für manche gar nicht empfehlen sollte. Das sehe ich ähnlich. Wir raten Studierenden auch, erst mal wirklich den Bedarf zu kalkulieren, zum Beispiel auch einen BAföG-Antrag zu stellen, um erst mal woanders Mittel abzugreifen, also wirklich dann sehr zurückhaltend - so wenig wie möglich und so viel wie nötig, so ist eigentlich der Satz, den man sagen muss. Für manche ist das wirklich die letzte Rettung, weil es eine Finanzlücke schließt, die sie sonst nicht geschlossen kriegen. Und mir ist es lieber, die verschulden sich zurückhaltend, als dass sie ihr Studium abbrechen.

    Maleike: Frau Weber, wie informiert sind denn die Studierenden, die zu Ihnen kommen? Haben die sich vorher schon mal Gedanken über ihre Bedarfslage gemacht?

    Weber: Das ist sehr unterschiedlich. Also es kommen zum Teil junge Leute, die recht unbedarft und naiv sind, sage ich mal, die zum Teil auch gar nicht wissen, dass sie vielleicht Anspruch auf BAföG haben könnten, das ist natürlich ein wichtiger Hinweis von Herrn Müller.

    Wir schicken die Leute, wenn wir unsicher sind, was die BAföG-Berechtigung angeht, natürlich erst mal zu unserem BAföG-Berater, um das abzuklären. Also wir erleben junge Leute, die da völlig naiv drangehen und dann aber sehr geschockt sind, wenn sie dann tatsächlich zum Beispiel bei der KfW-Bank mit diesem Tilgungsrechner sehen, was da auf sie zukommt, und dann sagen: "Na, dann suche ich mir vielleicht doch lieber einen Job."

    Und wir erleben aber auch sehr klare Studierende, die kommen und sagen, ich habe mir das ausgerechnet, ich habe noch soundso lange zu studieren, ich studiere beispielsweise Medizin, da bekomme ich auf jeden Fall einen Job und ich kann mich darauf guten Gewissens einlassen.

    Und dann gibt es die Fälle, die Herr Müller angesprochen hat, für die tatsächlich so ein Kredit die letzte Möglichkeit ist, ihr Studium noch abzuschließen. Und da ist es natürlich allemal besser, sich zu verschulden und ein Studium abzuschließen, als es abzubrechen und dann am Ende gar ohne Ausbildung dazustehen.

    Maleike: Lassen Sie uns zum Abschluss vielleicht noch in die Lage eines Studierenden versetzen, der gerade überlegt, eine Finanzierung auf Kreditebene anzustreben. Herr Müller, wie sollte der nach Ihrem Dafürhalten am besten vorgehen?

    Müller: Erst mal wirklich gucken, ob er es braucht. Also erst mal den Bedarf prüfen, eindeutig, dann auch gewisse andere Rahmenbedingungen klarzurren. Will ich zum Beispiel noch die Uni wechseln oder ein Auslandssemester einlegen? Das machen viele Anbieter nicht mit. Das muss ich wissen. Und dann den direkten Kontakt zu verschiedenen Anbietern suchen. Aber wie gesagt, ganz wichtig der erste Schritt, erst mal gucken, ob nicht andere Quellen vielleicht auch ergiebiger wäre.

    Maleike: Frau Weber, was sagen Sie?

    Weber: Ja, also wir freuen uns über jeden und jede, die zu uns in die Beratung kommt, damit wir solche Punkte auch qualifiziert abklären können, weil da, denke ich, sind viele der Banken einfach überfordert. Das ist nicht ihr Job. Und wir beraten genau in die Richtung, die der Herr Müller aufgezeigt hat: Erst mal schauen, gibt es Alternativen, und nur als letzte Möglichkeit tatsächlich dann einen Kredit in Anspruch nehmen.

    Maleike: Wo finde ich denn geeignete Informationen, wenn ich mich vor dem Beratungsgespräch informieren will.

    Müller: Also wir haben unseren Studienkredit-Test kostenlos im Internet, den kann man downloaden, wie es so schön heißt, unter che-studienkredit-test.de.

    Maleike: Und Frau Weber, würden Sie noch eine andere Stelle ergänzen wollen?

    Weber: Man kann sich im Internet informieren. Die einzelnen Anbieter haben ja zum Teil dann auch sehr anschauliche Tilgungsrechner oder auch Bedarfsrechner. Und ich würde aber trotz allem jedem und jeder empfehlen, sich zum Studentenwerk zu begeben, um sich da auch persönlich beraten zu lassen.

    Maleike: Oder vielleicht auch mal bei dem einen oder anderen Kommilitonen nachfragen, denke ich, oder?

    Weber: Das ist sicherlich auch kein Schaden.

    Maleike: Danke Ihnen beiden! Christamaria Weber vom Studentenwerk Frankfurt und Ulrich Müller vom CHE in Gütersloh.