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Finanzkrise erfasst auch Kulturbetrieb in Dubai

Im arabischen Emirat Dubai gibt es gigantische Opernhaus- und Museumspläne, die der Deutsche Michael Schindhelm koordiniert. Angesichts der Finanzkrise müsse man in den kommenden Wochen eine realistische Abschätzung machen, welche Mittel für den Kulturbetrieb überhaupt noch zur Verfügung stünden. Man werde sich besonders auf inhaltliche Projekte konzentrieren, die nicht so hohe Summen wie Bauprojekte erforderten.

Michael Schindhelm im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Stefan Koldehoff: Wäre man Kulturpolitiker in Deutschland oder gar Stadtkämmerer einer mittleren Großstadt hier, dann würde man sich bei dem, was die "Süddeutsche Zeitung" heute vermeldet, wenigstens schon einmal danach umsehen, wo denn im Rathaus die Stricke hängen. Die Rede ist von einer kommunalen Verschuldung von 50 Milliarden Dollar, von sinkenden Immobilienpreisen, die Finanzierung für große Bauvorhaben sei erschwert. Erste Großprojekte würden bereits verschoben oder ganz gestoppt. Davon betroffen, und jetzt kommt die Antwort auf die Frage, was dieses Thema denn in "Kultur heute" zu suchen habe, seien auch die gigantischen Opernhaus- und Museumspläne in Dubai. Denn um die Hauptstadt des gleichnamigen arabischen Emirats am persischen Golf geht es. Koordiniert werden all diese Leuchtturmprojekte seit einiger Zeit von einem Deutschen, von Michael Schindhelm. Und an ihn geht die Frage, wie ernst ist denn die Lage in Dubai wirklich?

    Michael Schindhelm: Man soll ja nicht immer zur Dramatik neigen in Situationen, in denen es ernst zugeht. Ich glaube, es ist eine durchaus ernste Situation, die wir alle spüren und insbesondere an einem Ort wie Dubai. Denn Dubai ist ein Ort, der wie wenige andere von der Globalisierung betroffen ist oder beziehungsweise auch die Globalisierung selbst mitgestaltet. Die wesentlichen Wirtschaftsbereiche in Dubai sind ja Tourismus, Finanzdienstleistungen, Bauinvestment, Logistik. Und in diesen Bereichen gibt es weltweit im Moment eine Talfahrt und insofern gibt es natürlich auch bestimmte Engpässe in Dubai, keine Frage.

    Koldehoff: Und es ist ja zunächst mal relativ normal, dass eine Stadt, die das Ziel hat, sich bis 2011 auf rund fünf Millionen Einwohner zu vergrößern, dafür auch mal erst investieren muss und auch mal erst Schulden machen muss. Was bedeutet denn die Entwicklung, die Sie gerade beschrieben haben, ganz konkret für die kulturellen Vorhaben? Geplant waren Opernhäuser, waren großartige Museen. Gibt es da konkret Projekte, die sich nicht mehr realisieren lassen?

    Schindhelm: Wir wissen im Moment noch nicht konkret, wie es eigentlich weitergehen wird. Sondern wir rechnen damit, dass in den nächsten Wochen, nachdem gewisse Abschätzungen gemacht worden sind, was wird auch im schlimmsten Falle des Jahres 2009, eigentlich an Mitteln aufzubringen sein, um über die Runden zu kommen, dann erst auch eine Aussage bekommen dazu, wie es um unsere Projekte bestellt ist. De facto ist es aber so, dass zunächst einmal alle Projekte, die bereits in der Öffentlichkeit sind, die bekannt gegeben worden sind, nicht etwa gecancelt werden, nicht etwa völlig ad acta gelegt sind, gleichzeitig aber trotzdem im Moment erst einmal angehalten worden sind, bis wir wissen, wie es weitergehen kann.

    Koldehoff: Können Sie dafür Beispiele geben?

    Schindhelm: Beispielsweise das Opernhausprojekt, das ja bereits in der Projektierungsphase gewesen ist, gehört zu jenen Projekten, die momentan angehalten worden sind. Wir arbeiten im Moment natürlich trotzdem weiter hier intern. Aber es ist trotzdem so, dass die Zeitschiene, die für die Entwicklung des Opernhauses angegeben war, infrage steht. Wir werden in diesem Jahr mit Sicherheit keine definitive Antwort mehr bekommen, ob es eigentlich dann nahtlos im Januar weitergehen kann oder nicht. Ich rechne auch damit nicht, sondern ich rechne damit, dass wir in den nächsten Wochen hier eine Bestandsaufnahme machen. Wir sind auch dabei, eine solche vorzubereiten darüber, welche Prioritäten wir in der Kulturentwicklung aus unserer Sicht setzen würden. Das werden wir den Verantwortungsträgern in der Regierung vorschlagen. Und dann werden die Entscheidungen treffen müssen, die sicherlich auch nicht nur jetzt von Dubai alleine abhängen, sondern einerseits von der internationalen Wirtschaftsentwicklung, aber andererseits auch davon, wie die Finanzpartnerschaften in den Vereinigten Emiraten insgesamt aussehen wird. Denn sicherlich spielt insbesondere die Unterstützung von Abu Dhabi in der Sicherung der Kredite hier in Dubai eine ganz maßgebliche Rolle und damit auch indirekt bei der Sicherung unserer Kulturprojekte.

    Koldehoff: Und die Überlegungen, die Sie gerade beschrieben haben, werden welches Ziel haben, zu überlegen, was überhaupt noch geht oder zu überlegen, was man wie kleiner dimensionieren könnte?

    Schindhelm: Bestimmte Projekte sind zum Glück nie vorrangig als Bauprojekte betrachtet worden. Zum Beispiel das Projekt, das wir mit den drei deutschen Großmuseen in Berlin, Dresden und München entwickelt haben, ist im Moment noch gar kein Architekturprojekt, sondern es ist im Wesentlichen ein inhaltliches Projekt. Und dafür braucht man auch Geld, aber dafür braucht man nicht unbedingt gleich dreistellige Millionenbeträge oder gar Milliardenbeträge, um erst mal anfangen zu können. Und in meinem Interesse ist es ohnehin gewesen, zunächst einmal mit einer eher flexiblen Struktur zu arbeiten. Das heißt, bestimmte Institutionen möglicherweise auch zu betrachten als Organismen, die sich langsam entwickeln müssen. Wir werden versuchen, den Schwerpunkt darauf zu setzen, zunächst einmal eine Spielstätte trotz der Baukrise auch zu etablieren, vielleicht gerade auch, weil sie besteht. Denn es ist jetzt möglicherweise leichter zu bauen als noch vor einem halben Jahr, weil plötzlich natürlich Arbeitskräfte und Materialien leichter zu bekommen sind. Eine Spielstätte, die relativ kurzfristig zu etablieren ist, möglicherweise innerhalb von einem Jahr, um darin bereits auf vielleicht experimentellerem Niveau und auch mit weniger Glamour, aber dafür inhaltlich auch stark aufgestellt, sowohl Projekte der darstellenden Kunst als auch der bildenden Kunst zu zeigen, eine Spielstätte, einen Ort zu finden, der wie in Inkubator funktionieren könnte für die verschiedenen Institutionen und größeren Projekte, die wir mittelfristig geplant haben.

    Koldehoff: Michael Schindhelm, vielen Dank zur wohl tatsächlich ernsten Kulturfinanzkrise in Dubai.