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Finanzsystem
Bundesbank warnt vor steigenden Risiken

Die Bundesbank sorgt sich: Die niedrigen Zinsen treiben Banken und Anleger vermehrt ins Risiko. Und das könnte auch das gesamte Finanzsystem gefährden. Denn Banken seien laxer in der Kreditvergabe - im Falle eines Konjunktureinbruchs könnte es zu Kreditausfällen kommen.

Von Mischa Ehrhardt | 21.11.2019
Blick auf die Skyline von Frankfurt am Main
Die niedrigen Zinsen seien eine Gefahr für Banken, schreibt die Bundesbank (picture alliance / dpa / Frank Rumpenhorst)
Die Risiken haben zugenommen - das ist die Kernaussage des Berichtes der Bundesbank zur Finanzstabilität hierzulande.
"Das ist einmal die Gefahr, dass nach zehn guten Jahren für die Wirtschaft Kreditrisiken unterschätzt werden. Die zweite Verwundbarkeit ist die mögliche Überbewertung von Vermögenswerten und Kreditsicherheiten, und hinzu kommen Zinsrisiken. Und das haben wir insgesamt bezeichnet als 'zyklische Systemrisiken'", sagt die Vizepräsidentin der Bundesbank, Claudia Buch
"Dumping-Kredite" sollen verhindert werden
So könnte nach Ansicht der Finanzaufseher ein unerwarteter Konjunktureinbruch das deutsche Finanzsystem erheblich treffen. Denn durch den seit rund einem Jahrzehnt dauernden Aufschwung neigen Banken dazu, sich bei der Kreditvergabe in Sicherheit zu wiegen – auch an Unternehmen mit tendenziell schlechterer Kreditwürdigkeit. Im Fall eines Konjunktureinbruches wären diese Unternehmen aber als erste betroffen, in der Folge käme es zu Kreditausfällen. Joachim Wuermeling, Bundesbankvorstand für Bankenaufsicht:
"Bei der Überprüfung der Geschäftsmodelle, bei der Überprüfung, ob unrentables Geschäft weitergeführt wird, schauen wir uns das sehr genau an. Und vor allem legen wir großen Wert darauf, dass die Risiken auch bepreist werden. Und deswegen werden wir auch unseren Beitrag dazu leisten, ‚Dumping-Kredite‘, wenn Sie so wollen, zu verhindern".
Dr. Christian Ossig, Hauptgeschaeftsfuehrer und Mitglied des Vorstands beim Bundesverband deutscher Banken, bankenverband. 
Bankenverbands-Chef zur EZB-Geldpolitik - "Es gibt viele Verlierer dieser Negativzins-Politik"
Negativzinsen seinen ein geldpolitisches Kriseninstrument, dass der gegenwärtige wirtschaftliche Lage nicht angemessen sei, kritisierte Bankenverbands-Chef Christian Ossig im Dlf. Die neuerliche Zinssenkung der Europäischen Zentralbank werde die Unsicherheit bei Investoren und Konsumenten eher verstärken.
Ein anderes Risiko sehen Bundesbank als auch die Europäische Zentralbank in den anhaltenden Niedrigzinsen. Das klingt paradox, weil es ja gerade die EZB ist, die für die Niedrig- und teilweise auch Negativzinsen verantwortlich ist. Um den Widerspruch aufzulösen: Die Notenbanken halten die Niedrigzinsen für gesamtwirtschaftlich notwendig. Sie nehmen andererseits aber nun auch verstärkt deren mögliche schädliche Nebenwirkungen in den Blick.
"Die Marktteilnehmer erwarten im Moment, dass die Zinsen lange niedrig bleiben. Das stützt natürlich die vergleichsweise hohen Bewertungen an den Aktienmärkten, Anleihemärkten, bei den Immobilien."
Risiko von Blasenbildung an Aktien- und Immobilienmärkten
Damit benennt Claudia Buch das Problem möglicher Blasenbildungen in Bereichen der Finanzmärkte oder auch an den Immobilienmärkten. Denn durch die günstige Finanzierung im Nullzinsumfeld aber auch den Mangel an lukrativen Anlagealternativen steigen dort die Preise - und solche Blasen können im Fall eines Abschwungs eben auch platzen.
"Das heißt aber umgekehrt auch, wenn die Risikoprämien plötzlich steigen und dann die Bewertungen zurückgehen würden - wenn das in der Breite das Finanzsystem treffen würde, müssten Verluste aufgefangen werden."
Zum anderen bergen die Niedrigzinsen aber auch für Banken das Problem, dass eines ihrer klassischen Geschäftsmodelle nicht mehr - oder nur eingeschränkt funktioniert: Sich Geld vergleichsweise billig zu leihen und durch die Vergabe von höher verzinsten Krediten Gewinne zu machen.
Zum ersten Mal schließlich widmet sich der Finanzstabilitätsbericht auch Risiken, die sich durch den Klimawandel ergeben. Also durch die perspektivische Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft zu einer möglichst CO2-neutralen Zukunft ergeben. Hier sieht die Bundesbank ein klares Defizit beim Risikomanagement von Banken. Nur ein kleiner Anteil der Finanzinstitute rechne den Klimawandel in ihre Risikobewertungen ein. Hier bestehe also Nachholbedarf.